Wenn man in diesen Tagen Zeitung liest, möchte man meinen, die deutsche Modebranche steht am Abgrund. Oder ist schon einen Schritt weiter. Steilmann pleite. Zero insolvent. Passport und Umlauf & Klein ebenso. Restrukturierung bei Tom Tailor und Gerry Weber. Esprit immer noch in den roten Zahlen. Entlassungen bei Escada. Boss nach Kurseinbruch ohne Boss. Die TW meldet Woche für Woche Minus. Und hat nicht sogar H&M (mit seinem bekanntlich starken deutschen Standbein) im letzten Quartal 30% weniger verdient?
Auf der anderen Seite ziehen andere weiterhin erfolgreich ihre Kreise. Da muss man gar nicht immer nur auf Amazon und Zalando schauen. Olymp ist 2015 um 5% gewachsen, Digel um 6%. Die Katag hat ein solides Plus von 2,7% erwirtschaftet. Marc Cain macht 2015 einen Sprung auf 260 Millionen. Deichmann nimmt mit einem Plus von über 8% die Fünf-Milliarden-Hürde. German Fashion hat der deutschen Bekleidungsindustrie für 2015 gerade ein zufriedenstellendes Zeugnis ausgestellt und sieht 2016 zumindest mit "vorsichtigem Optimismus".
Es ist eine Binse, und trotzdem schadet es nicht, gelegentlich darauf hinzuweisen: Es nicht immer nur der Markt oder der vielbeschriebene Strukturwandel, der Unternehmen in Schieflagen bringt oder gar in die Knie zwingt. Natürlich gibt es förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen, und wenn die konjunkturelle Großwetterlage zurzeit auch sehr gut ist, dann heißt das bekanntlich noch lange nicht, dass das Mode-Business von der Ausgabefreudigkeit der Bevölkerung profitiert. Aber das ist wie gesagt auch nicht der Punkt. Letztlich geht es darum, dass das Management in jeder Situation mehr richtige als falsche Entscheidungen trifft. Wobei „richtig“ zugleich eine Frage der konkreten Konstellation ist. Dass Claus Dietrich Lahrs die Retail-Expansion von Hugo Boss so massiv vorangetrieben hat, war ganz sicher im Sinne der Investoren. Jetzt fällt diese Strategie seinen Nachfolgern auf die Füße. Das schmerzt, wird sich aber richten lassen.
Ganz anders der Fall Steilmann. Ein Sourcing-Hub in Asien und ein Dutzend Bekleidungshäuser in NRW machen aus einem Konglomerat altbackener Wholesale-Labels noch keinen vertikalen Player. Nicht einmal die Börse hat diese Story geglaubt. So ging der Versuch, den kranken Konzern über den Aktienmarkt zu refinanzieren, gründlich schief. Das Adler-Management hat sich der operativen Einflussnahme seines Mehrheitsaktionärs weitgehend zu entziehen gewußt. Das war, wie es jetzt scheint, eine richtige Entscheidung.
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Und sonst?
…hat Jette Joop diese Woche bei Aldi auf der Kö ihre Kollektion präsentiert. Die Kooperation mit dem Discounter hat ihr den Spitznamen „Aldi-Jette“ eingebracht.
…das erinnert an die Vorliebe von Mark Zuckerberg für Plastik-Latschen aus Herzogenaurach. Der Facebook-Gründer wurde dieser Tage als neuer Gast-Designer von H&M vorgestellt. Seine Kollektion besteht aus Jeans und grauen T‑Shirts. Das wäre ganz sicher der kommerzielle Durchbruch für Normcore geworden. Wenn es sich nicht um einen April-Scherz gehandelt hätte.
…hat Hedi Slimane bei Saint Laurent hingeworfen. Die Tatsache, dass mit Anthony Vaccarella umgehend ein Nachfolger benannt wurde, lässt vermuten, dass der Abgang nicht spontan erfolgte. Die Designer der Topfashion-Brands wechseln mittlerweile schneller als die Trainer in der Bundesliga. Am mangelnden Erfolg kann es in diesem Fall nicht gelegen haben.
…verlangt der Inhaber eines Geschenkeladens in Essen neuerdings 2 Euro Eintritt, wenn Kunden nur zum Bummeln in sein Geschäft kommen. Handys sind auch verboten. Ob das die richtige Antwort auf die Online-Konkurrenz ist?
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