…und keiner geht hin. Der abgewandelte Pazifistenslogan müsste besser lauten: Stell Dir vor, es ist keine Messe, und alle schauen zu. Denn wer sich diese Woche virtuell nach Frankfurt oder digital zu Fashion Cloud begeben hat, durfte keine falsche Erwartungshaltung haben.
Die Digital Fashion Week war letztlich ein animierter digitaler Katalog mit zugeschaltetem Live Content und Chat-Optionen. Es mag sein, dass man sich als Einkäufer auf diese Weise einen ersten Überblick über Kollektionen und Brands verschaffen konnte. Für Networking – was ja ein Hauptmotiv für Messebesuche ist – war die digitale Fashion Week kein adäquater Ersatz.
Die parallel stattfindende Frankfurt Fashion Week versuchte gar nicht erst, einen Marktplatz zu simulieren, sondern fokussierte sich voll und ganz auf online übertragene Vorträge und Diskussionsrunden. Das „FFW Studio“ bot ein in Breite und Tiefe Ehrfurcht gebietendes Programm rund um die Megathemen Digitalisierung und Sustainability. Wer sowas mal organisiert hat, weiß, wieviel Arbeit das bedeutet. Für den interessierten Beobachter war es indes nicht ganz leicht, den Überblick über die diversen Konferenzen zu bekommen. Und wer sich das dann alles anschauen wollte, musste irgendwann passen. Das gilt zumal für die Kernzielgruppe; die hat schließlich ihre Geschäfte am Laufen zu halten. Überhaupt beschlich einen bei manchen Programmpunkten bisweilen das Gefühl, dass hier teilweise über die Köpfe hinweggezielt wurde, die das Event ab Januar 2022 tragen sollen. Der in der Pressemitteilung verkündete Anspruch, die „Transformation der gesamten Mode- und Kreativwirtschaft hin zu einer modernen, ressourceneffizienten Branche“ forcieren zu wollen und eine „aktive Rolle dabei zu spielen, Lösungen für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu finden“, ist hoch gegriffen, wenn man bedenkt, weshalb die Branche sich üblicherweise zu einer Messe versammelt.
Trotzdem: Die Frankfurter haben das Beste aus der Corona-bedingten Absage der Präsenzveranstaltung gemacht und versucht, die Zeit bis zur wirklichen Messe-Premiere im Januar zu überbrücken. Dass die Stadt es kaum erwarten kann, zeigte sich an diversen Side Events und lokalen Initiativen. Mit Digitalisierung und Sustainability positioniert sich die Frankfurt Fashion Week bei zwei zentralen Zukunftsthemen der Branche. Es war in der Tat ein starkes Signal. Und es ist natürlich richtig, wenn man nach drei ausgefallenen Veranstaltungen seit dem Umzugsbeschluss einen wirklichen Neustart macht und gar nicht erst versucht, Berlin am Main zu spielen.
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Und sonst?
…ist Jeff Bezos aus der Amazon-Chefetage ausgestiegen. Übernächste Woche steigt er in das Shuttle ein, das ihn in den Orbit befördern soll. In der E‑Mail, die sein Nachfolger Andy Jassy diese Woche an die 1,2 Millionen „Amazonians“ versendet hat, erinnert der neue CEO an die große Verantwortung, die das riesige Unternehmen trage. Das habe sich zuletzt während der Pandemie gezeigt: „Wie wahrscheinlich bei vielen von euch, haben auch zu mir viele Menschen gesagt: ‚Gott sei Dank gibt es Amazon – ich wüsste nicht, wie ich das ohne überstanden hätte.‘“
…laufen in Paris zurzeit die Haute Couture-Schauen. Zur selben Zeit launcht Louis Vuitton eine spektakuläre Show in Seoul, mit den K‑Pop-Superstars BTS. Innerhalb von 48 Stunden haben über 14 Millionen den Clip allein auf Twitter gesehen. So verschieben sich die Prioritäten der Luxusbrands.
…haben Uniqlo und Inditex Ärger mit der französischen Staatsanwaltschaft, die den Firmen vorwirft, von Zwangsarbeit in der chinesischen Provinz Xinjiang zu profitieren, die es nach Aussage chinesischer Offizieller natürlich nicht gibt, weshalb jeder, der anderes behauptet, dort mit Boykott und Strafen rechnen muss. H&M darf das zurzeit bitter erfahren. Xinjiang wird zum Stresstest für westliche CSR-Strategien.