Passiert large

Content statt Mode

XSonntag, 14. Juni. Stell Dir vor, es ist Fashion Week, und keiner geht hin…. Dieses Wochenende war es soweit: Die London Fashion Week fand statt. Wegen Corona ausschließlich digital. Strenggenommen war es nur ein Fashion Weekend und die Designer zeigten nicht Mode, sondern Content, garniert mit allerlei Interviews, Podcasts, Webinars und Panel-Diskussionen. Was man online halt so macht. Die Veranstalter vom British Fashion Council (BFC) haben das Ganze in nur wenigen Wochen umgesetzt. JD.com sei Dank. Der chinesische Online Retailer ist einer der Sponsoren der LFW und dürfte ordentlich Entwicklungshilfe geleistet haben. Die Vorlage haben die Kollegen von Alibaba geliefert. Deren digitale Shanghai Fashion Week zog im März 11 Millionen Visitors auf T‑Mall an, wo dann auch gleich noch see-now-buy-now-mäßig ordentlich eingecasht wurde.

Hat es in London funktioniert?

Ja, sagt der BFC. 145.000 Views zählte die LFW-Website übers Wochenende, alle Kanäle zusammengenommen schauten rund 3,5 Millionen vorbei. Ob die blanke Selbstdarstellung der Brands dieselbe Wirkung beim Publikum entfaltet wie die medial fachkundig gefilterte Darstellung, weiß natürlich keiner. Aber den Marken kommt erstmal entgegen, dass sie die Medienvertreter nicht mehr durch First-Row-Platzierungen, Anzeigenschaltungen und sonstige Goodies von ihren Kollektionen überzeugen müssen, sondern die Endkunden direkt adressieren können. So ermöglicht die Digitalisierung den Modemachern, könnte man fast sagen, eine Art Back to the roots die Haute Couture hat seinerzeit ja auch direkt an die wohlhabenden Kundinnen verkauft.

Eine andere Frage ist, ob das digitale Event das Life Event ersetzen kann?

Natürlich nicht. Zumindest nicht die Art von Fashion Week, wie wir sie kennen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig, weil es auch so funktioniert und der Schauenzirkus alter Prägung sich möglicherweise überlebt hat. Wenn die Fashion Weeks zum B2C-Happening werden, werden am Ende Retailer wie Amazon und Alibaba sich ihrer bemächtigen. Und Zalando womöglich die Bread & Butter aus der Mottenkiste holen.

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Montag, 15. Juni. Verrückte Zeiten: Inditex will bis zu 1200 seiner über 7400 Läden schließen und eine Milliarde Euro in den Ausbau von Online investieren. In den vergangenen drei Jahren haben die Spanier bereits über 1000 kleinere Läden dichtgemacht. Auch Douglas will sein Filialnetz schrumpfen und E‑Com forcieren. Gleichzeitig investiert mytheresa.com in seine stationäre Präsenz und eröffnet in München einen Menswear-Store. Die Motivation dahinter wird unterschiedlich sein. Aber auch künftig werden Händler das andere tun ohne das eine zu lassen.

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Dienstag, 16. Juni. Galeria Karstadt Kaufhof, AppelrathCüpper, Esprit, Sinn, Hallhuber – gefühlt häufen sich die Schieflagen. Aber Creditreform meldet überraschenderweise deutlich weniger Pleiten: 8900 Firmen gingen laut der Auskunftei im ersten Halbjahr insolvent, davon 1840 im Handel, gut acht Prozent weniger als im Vorjahr. Den Staatshilfen und der ausgesetzten Insolvenzanzeigepflicht sei Dank. Über die Zahl der „Zombie-Firmen“ gibt die Statistik freilich keine Auskunft.

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Mittwoch, 17. Juni. Hermine Granger beaufsichtigt künftig Francois Pinault, pardon: es ist natürlich Emma Watson, die die kleine Streberin in Harry Potter dargestellt hat, die jetzt in den Kering-Aufsichtsrat einzieht. Dass ein Showstar das Sustainability Commitee des Luxuskonzerns leiten soll, ist eine nachdenklich stimmendes Signal.