Passiert large

Des Kanyes neue Kleider

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Jür­gen Mül­ler

Das muss­te ja irgend­wann mal so weit kom­men. Wo Stars und Sty­lis­ten den aller­größ­ten Auf­wand betrei­ben, um auf dem roten Tep­pich mög­lichst spek­ta­ku­lä­ren Gla­mour zu insze­nie­ren, erziel­te Kanye West am Sonn­tag­abend mit mini­mals­tem Auf­wand maxi­ma­le Reich­wei­te. Bei den Gram­my Awards stell­te er sei­ne Beglei­tung in einem Nichts von Kleid aus. Die Fotos der qua­si nack­ten Bian­ca Cen­so­ri gin­gen um die Welt, an den ent­schei­den­den Stel­len ver­pi­xelt, weil die sozia­len Netz­wer­ke Nip­pel – anders als miso­gy­ne, ras­sis­ti­sche und belei­di­gen­de Inhal­te – immer noch zen­sie­ren. Aber Cen­so­ri war auch so ein­deu­tig als Frau zu lesen.

Han­delt es sich um eine Kunst­ak­ti­on des selbst­er­klär­ten Jahr­hun­dert­ge­nies Ye? Lebt da ein Paar sei­nen Sub­mis­si­on-Fetisch auf beson­ders exhi­bi­tio­nis­ti­sche Wei­se aus? Geht es gar um eine kri­ti­sche Kari­ka­tur des Cele­bri­ty-Kults, den das nicht sel­ten absur­de Red Car­pet-Schau­spiel nährt?

Wahr­schein­li­cher ist, dass ein Künst­ler, des­sen Stern als Musi­ker seit lan­gem sinkt, dem Medi­en­af­fen mit immer neu­en, kras­se­ren Pro­vo­ka­tio­nen Zucker gibt. Ye nutz­te die Gram­my-Büh­ne zum Brand­buil­ding, radi­ka­ler und geschmack­lo­ser, aber inten­tio­nal nicht anders als die übri­gen Red Car­pet-Poser. Den invi­si­ble dress aus dehn­ba­rem Nylon pos­te­te er danach auf Insta­gram, das Foto wur­de in 24 Stun­den mehr als 400.000 Mal gelikt.

Der eigent­li­chen Award-Show blie­ben West und Cen­so­ri fern. Ob frei­wil­lig oder nicht, dazu gibt es wider­sprüch­li­che Aus­sa­gen. Bei der After­show­par­ty kün­dig­te Ye dann sein neu­es Album an. Den trans­pa­ren­ten schwar­zen Body, den Bian­ca Cen­so­ri bei die­ser Gele­gen­heit trug, gibt’s im Yee­zy-Web­shop für 19,95 Dol­lar zu kau­fen.

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 Ist denn nichts Wich­ti­ge­res pas­siert? Doch.

… so geht der Insol­venz­po­ker um Görtz in die nächs­te Run­de. Die Bun­des­agen­tur für Arbeit will kein Insol­venz­geld an die Mit­ar­bei­ten­den aus­zah­len, nach­dem Inves­tor Bol­ko Kiss­ling gefor­der­te Zah­lun­gen nicht geleis­tet hat. Bit­ter für die 400 ver­blie­be­nen Görtz-Beschäf­tig­ten, aber bes­ser für die All­ge­mein­heit, auf deren Kos­ten das gin­ge. Das 1876 gegrün­de­te Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men, lan­ge Zeit als ‚P&C der Schuh­bran­che‘ gefei­ert, ist nur noch ein Schat­ten sei­ner selbst, und die Per­spek­ti­ve ist unge­wiss. Gut, dass Lud­wig Görtz das nicht mehr erle­ben muss.

… will die EU-Kom­mis­si­on den unfai­ren Zoll­vor­tei­len der chi­ne­si­schen Bil­lig-Platt­for­men Shein und Temu einen Rie­gel vor­schie­ben. Am Mitt­woch wur­den die Plä­ne ver­kün­det. U.a. soll es eine „Bear­bei­tungs­ge­bühr für Arti­kel des elek­tro­ni­schen Han­dels“ geben. Gut so. Bis zur Umset­zung wer­den vie­le Mona­te, womög­lich Jah­re ver­ge­hen. Bis dahin wer­den wei­ter­hin 12 Mil­lio­nen Pake­te in der EU aus­ge­lie­fert wer­den – jeden Tag. In den USA hat Donald Trump das Schlupf­loch dage­gen gera­de per Dekret geschlos­sen. Aus­nahms­wei­se wer­den hier­zu­lan­de vie­le die USA um ihren Prä­si­den­ten benei­den. Die Kehr­sei­te: Chi­na hat als Ver­gel­tungs­maß­nah­me zur Zoll­po­li­tik Trumps u.a. US-Unter­neh­men auf sei­ne Sank­ti­ons­lis­te gesetzt. Mit dabei: PVH.

… feu­ert Guc­ci sei­nen Krea­tiv­chef Saba­to de Sar­no. Der hat­te mit trag­ba­rer, geschmack­vol­ler Mode einen Kon­tra­punkt zum Vor­gän­ger Ales­san­dro Miche­le zu set­zen ver­sucht. Es hat kom­mer­zi­ell nicht so funk­tio­niert, wie Kering das ger­ne gehabt hät­te. Die Fra­ge ist, ob nach dem rasan­ten Wachs­tum des Unter­neh­mens der Peak nicht für lan­ge Zeit über­schrit­ten ist. Guc­ci ist ein Para­de­bei­spiel für ein eher­nes Gesetz im Mode­busi­ness: Je grö­ßer der Hype um eine Mar­ke, des­to gewal­ti­ger der Absturz. Den wird auch De Sar­nos Nach­fol­ger nicht so ein­fach auf­hal­ten kön­nen. Der Krea­ti­ve fällt, wie es aus­sieht, im Übri­gen weich: in dem gewöhn­lich gut infor­mier­ten Luxus­markt-Info­dienst Miss Tweed wird eine Abfin­dung von bis zu 18 Mil­lio­nen Euro kol­por­tiert.

… hat sich Kik-Chef Patrick Zahn im OMR-Pod­cast zur Lage geäu­ßert. Der Wett­be­werb im Han­del sei extrem, so der Kik-Chef, was kein Wun­der sei: immer­hin gebe es „kei­ne Bran­che, in der es so schnell geht, vom Tel­ler­wä­scher zum Mil­li­ar­där zu wer­den". Es gibt frei­lich nicht all­zu vie­le Ste­fan Hei­nigs.

… hat Adri­an Run­hof den Tal­bo­tRun­hof-News­let­ter aus­nahms­wei­se für einen Wahl­auf­ruf genutzt. „Ich wün­sche mir ein Land, in dem ich all das sein kann, was mich aus­macht: Unter­neh­mer und Frei­geist, Trend­set­ter und glü­hen­der Euro­pä­er. Ich wün­sche mir, dass wir als Gesell­schaft öfter mal über den Teller­rand hinaus­blicken. Ich wün­sche mir eine Poli­tik, die mich und uns dabei unter­stützt und ermu­tigt. Ich wün­sche mir eine Par­tei der Mög­lich­ma­cher. Ich wün­sche mir (…) eine lau­te Stim­me in unse­rem Par­la­ment, die immer wie­der klar­macht: Es geht um alles. Es geht um unse­re Frei­heit. Unse­re Demo­kra­tie. Unse­re Zukunft. Ich wäh­le Volt.“ Zufäl­li­ger­wei­se hat Volt die glei­che Signa­tu­re­far­be wie Tal­bot Run­hof: Lila.