
Das musste ja irgendwann mal so weit kommen. Wo Stars und Stylisten den allergrößten Aufwand betreiben, um auf dem roten Teppich möglichst spektakulären Glamour zu inszenieren, erzielte Kanye West am Sonntagabend mit minimalstem Aufwand maximale Reichweite. Bei den Grammy Awards stellte er seine Begleitung in einem Nichts von Kleid aus. Die Fotos der quasi nackten Bianca Censori gingen um die Welt, an den entscheidenden Stellen verpixelt, weil die sozialen Netzwerke Nippel – anders als misogyne, rassistische und beleidigende Inhalte – immer noch zensieren. Aber Censori war auch so eindeutig als Frau zu lesen.
Handelt es sich um eine Kunstaktion des selbsterklärten Jahrhundertgenies Ye? Lebt da ein Paar seinen Submission-Fetisch auf besonders exhibitionistische Weise aus? Geht es gar um eine kritische Karikatur des Celebrity-Kults, den das nicht selten absurde Red Carpet-Schauspiel nährt?
Wahrscheinlicher ist, dass ein Künstler, dessen Stern als Musiker seit langem sinkt, dem Medienaffen mit immer neuen, krasseren Provokationen Zucker gibt. Ye nutzte die Grammy-Bühne zum Brandbuilding, radikaler und geschmackloser, aber intentional nicht anders als die übrigen Red Carpet-Poser. Den invisible dress aus dehnbarem Nylon postete er danach auf Instagram, das Foto wurde in 24 Stunden mehr als 400.000 Mal gelikt.
Der eigentlichen Award-Show blieben West und Censori fern. Ob freiwillig oder nicht, dazu gibt es widersprüchliche Aussagen. Bei der Aftershowparty kündigte Ye dann sein neues Album an. Den transparenten schwarzen Body, den Bianca Censori bei dieser Gelegenheit trug, gibt’s im Yeezy-Webshop für 19,95 Dollar zu kaufen.
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Ist denn nichts Wichtigeres passiert? Doch.
… so geht der Insolvenzpoker um Görtz in die nächste Runde. Die Bundesagentur für Arbeit will kein Insolvenzgeld an die Mitarbeitenden auszahlen, nachdem Investor Bolko Kissling geforderte Zahlungen nicht geleistet hat. Bitter für die 400 verbliebenen Görtz-Beschäftigten, aber besser für die Allgemeinheit, auf deren Kosten das ginge. Das 1876 gegründete Traditionsunternehmen, lange Zeit als ‚P&C der Schuhbranche‘ gefeiert, ist nur noch ein Schatten seiner selbst, und die Perspektive ist ungewiss. Gut, dass Ludwig Görtz das nicht mehr erleben muss.
… will die EU-Kommission den unfairen Zollvorteilen der chinesischen Billig-Plattformen Shein und Temu einen Riegel vorschieben. Am Mittwoch wurden die Pläne verkündet. U.a. soll es eine „Bearbeitungsgebühr für Artikel des elektronischen Handels“ geben. Gut so. Bis zur Umsetzung werden viele Monate, womöglich Jahre vergehen. Bis dahin werden weiterhin 12 Millionen Pakete in der EU ausgeliefert werden – jeden Tag. In den USA hat Donald Trump das Schlupfloch dagegen gerade per Dekret geschlossen. Ausnahmsweise werden hierzulande viele die USA um ihren Präsidenten beneiden. Die Kehrseite: China hat als Vergeltungsmaßnahme zur Zollpolitik Trumps u.a. US-Unternehmen auf seine Sanktionsliste gesetzt. Mit dabei: PVH.
… feuert Gucci seinen Kreativchef Sabato de Sarno. Der hatte mit tragbarer, geschmackvoller Mode einen Kontrapunkt zum Vorgänger Alessandro Michele zu setzen versucht. Es hat kommerziell nicht so funktioniert, wie Kering das gerne gehabt hätte. Die Frage ist, ob nach dem rasanten Wachstum des Unternehmens der Peak nicht für lange Zeit überschritten ist. Gucci ist ein Paradebeispiel für ein ehernes Gesetz im Modebusiness: Je größer der Hype um eine Marke, desto gewaltiger der Absturz. Den wird auch De Sarnos Nachfolger nicht so einfach aufhalten können. Der Kreative fällt, wie es aussieht, im Übrigen weich: in dem gewöhnlich gut informierten Luxusmarkt-Infodienst Miss Tweed wird eine Abfindung von bis zu 18 Millionen Euro kolportiert.
… hat sich Kik-Chef Patrick Zahn im OMR-Podcast zur Lage geäußert. Der Wettbewerb im Handel sei extrem, so der Kik-Chef, was kein Wunder sei: immerhin gebe es „keine Branche, in der es so schnell geht, vom Tellerwäscher zum Milliardär zu werden". Es gibt freilich nicht allzu viele Stefan Heinigs.
… hat Adrian Runhof den TalbotRunhof-Newsletter ausnahmsweise für einen Wahlaufruf genutzt. „Ich wünsche mir ein Land, in dem ich all das sein kann, was mich ausmacht: Unternehmer und Freigeist, Trendsetter und glühender Europäer. Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft öfter mal über den Tellerrand hinausblicken. Ich wünsche mir eine Politik, die mich und uns dabei unterstützt und ermutigt. Ich wünsche mir eine Partei der Möglichmacher. Ich wünsche mir (…) eine laute Stimme in unserem Parlament, die immer wieder klarmacht: Es geht um alles. Es geht um unsere Freiheit. Unsere Demokratie. Unsere Zukunft. Ich wähle Volt.“ Zufälligerweise hat Volt die gleiche Signaturefarbe wie Talbot Runhof: Lila.