Passiert large

Heute Nachmittag um 15 Uhr…

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Jür­gen Mül­ler

…ist es soweit: In Mai­land zeigt sich die Zukunft von Guc­ci. Das Debut des neu­en Chef­krea­ti­ven Saba­to De Sar­no wird mit Span­nung erwar­tet. Ein ein­zi­ger Insta­gram-Post hat­te vor Wochen bereits die Spe­ku­la­tio­nen ange­heizt. Das Model Daria Wer­bo­wy für die Jewel­ry-Kam­pa­gne im Guc­ci-Tan­ga am Pool – das sah eher nach Tom Ford als nach Ales­san­dro Miche­le aus. Die­se Woche heiz­te De Sar­no mit Inter­views in WWD und Vogue die Span­nung zusätz­lich an. Er wol­le Ita­lia­ni­ty zei­gen, so der Krea­ti­ve, die unnach­ahm­li­che Kom­bi­na­ti­on von Hand­werks­kunst und Geschmack. “Die Leu­te sol­len sich wie­der in Guc­ci ver­lie­ben.”

In den ver­gan­ge­nen Tagen sah man das Guc­ci-Logo auf neu­em Tief­rot auch im BoF-News­let­ter (ein Aus­gleich dafür, dass man WWD das ers­te Inter­view gewähr­te?), zusam­men mit dem Mot­to des Relaunchs: ein irgend­wie trot­zig klin­gen­des „Anco­ra“, was, so De Sar­no in der Vogue, „für etwas ste­he, was man hat, von dem man aber mehr haben möch­te, weil es einen glück­lich macht”.

Glück­lich machen soll­te De Sar­no auch Fran­cois Hen­ri Pinault. Der Kering-Chef dürf­te so ner­vös sein wie sein Chef­krea­ti­ver, auch wenn man es ihm in der Front Row, ver­mut­lich neben sei­ner Ehe­frau Sal­ma Hay­ek sit­zend, nicht anmer­ken wird. Guc­ci ist mit rund 10 Mil­li­ar­den Euro Umsatz die Cash Cow des Kon­zerns, die zuletzt aller­dings ziem­lich lahm­te und jetzt – um im Bild zu blei­ben – vom Eis geholt wer­den muss. Dass aus­ge­rech­net in die­ser Situa­ti­on Dem­na den Balen­cia­ga-Auf­stieg mit Pädo-Moti­ven abwürg­te, erhöh­te da nur den Hand­lungs­druck. Zumal es zu den eher­nen Geset­zen des Mode­busi­ness gehört, dass es mit einer Mar­ke umso schnel­ler berg­ab gehen kann, je grö­ßer zuvor der Hype war. Und der Hype um Guc­ci war gewal­tig.

Ales­san­dro Miche­le hat­te im Gespann mit dem inzwi­schen eben­falls geschass­ten CEO Mar­co Biz­zar­ri eine unfass­ba­re Erfolgs­ge­schich­te geschrie­ben und den Umsatz in weni­gen Jah­ren von unter 4 auf die besag­ten 10 Mil­li­ar­den gehievt. Zuletzt hat­te man sich an dem so prä­gnan­ten und insta­gra­ma­blen Look aller­dings satt­ge­se­hen. Pinaults For­de­rung nach einem gemä­ßig­te­ren Style woll­te Miche­le nicht nach­ge­ben. So muss­te er gehen.

Niemand sagt einem Designer backstage die Wahrheit

De Sar­no, der zuvor 15 Jah­re in den Diens­ten der neu­en Kon­zern­schwes­ter Valen­ti­no stand, hat jetzt die Auf­ga­be, fri­sche Akzen­te zu set­zen. Und die Vor­aus­set­zung dafür zu schaf­fen, dass Guc­ci die von sei­nem Chef anvi­sier­te 15 Mil­li­ar­den-Hür­de nimmt. Man wird sehen, ob und wie ihm das gelingt. Setzt er sich nicht deut­lich von der Linie des Vor­gän­gers ab, wird das Signal der Erneue­rung nicht durch­drin­gen. Setzt er sich zu weit ab, wer­den die Guc­ci-Fans ihre Mar­ke nicht mehr wie­der­erken­nen und sich womög­lich abwen­den.

Mit Sicher­heit wer­den die gela­de­nen Gäs­te und Medi­en­ver­tre­ter De Sar­no nach der Show beglück­wün­schen. Nie­mand sagt einem Desi­gner back­stage die Wahr­heit. Und die schrei­ben­de Pres­se, von der man anders als von den ledig­lich posie­ren­den Influen­cern eine Mei­nung erwar­tet, wer­den den Auf­tritt in ihren Wochen­end­aus­ga­ben mehr oder weni­ger wohl­wol­lend wür­di­gen. Am auf­merk­sams­ten gele­sen wird das für gewöhn­lich von den PR-Leu­ten und Wer­be­bud­get­ver­wal­tern.

Das alles wird aber nicht ent­schei­dend sein. Am Ende hängt ein erfolg­rei­cher Refresh nicht nur von der Kol­lek­ti­on ab, son­dern auch davon, wie die Mar­ke kom­mu­ni­ziert und ver­kauft wird. In die­sem Zusam­men­hang ist die Ver­pflich­tung von Ales­sio Van­net­ti als neu­em Guc­ci Brand Direc­tor eine nicht zu unter­schät­zen­de Per­so­na­lie. Bill Clin­ton wür­de sagen: It’s the mar­ke­ting, stu­pid. Von Phar­rells Lou­is Vuit­tons-Spek­ta­kel ist das Set­ting in guter Erin­ne­rung, die Star-gespick­te Front Row und der Auf­tritt von Jay‑Z. Erin­nert sich noch einer an die Mode?

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