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Stefan Heinig baut ein Billig-Imperium

 

Was die Zeitungen so schreiben, klingt ein bisschen pompös, Billigimperium ist aber nicht falsch. Der Kik-Gründer hat sich gemeinsam mit der Familie Haub (Tengelmann) Woolworth gesichert. Er hat, wie mitgeteilt wurde, vor, das Billig-Kaufhaus zu seiner dritten Marke neben dem Textildiscounter Kik und dem Ein-Euro-Filialisten Tedi zu machen. Bis zu 1000 Woolworth-Läden will Heinig in den nächsten Jahren in Deutschland eröffnen. Nach der Roßkur, der das Unternehmen im Insolvenzverfahren unterzogen wurde, gibt es derzeit noch 162 Woolworth-Häuser.
  
1000 Läden klingt irre, die Ankündigung ist trotzdem ernst zu nehmen. Dass Heinig sich auf schnelle Expansion versteht, hat er bereits zweimal gezeigt: In nur sieben Jahren hat er 1000 Tedi-Läden aufgemacht. Kik betreibt nach 16 Jahren rund 2900 Filialen in halb Europa.
 
Nicht okay war, dass Heinig und Haub es selbst bei dieser prominenten Akquisition nicht für nötig befunden haben, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren und Rede und Antwort zu stehen. Immerhin sind 4500 Beschäftigte und deren Familien davon betroffen, etliche Lieferanten, Vermieter und 162 Kommunen. Stattdessen überließ man es dem Insolvenzverwalter Ottmar Hermann, ein paar ausgewählte Journalisten in Frankfurt im Rahmen eines Hintergrundgespräches zu informieren. Das war aufschlussreich, aber was die Zukunft unter den neuen Eigentümern angeht, äußerst dünn. Eine Sprecherin von Heinigs Beteiligungsgesellschaft H.H. Holding vertröstete uns auf ein später irgendwann mal stattfindendes Gespräch.
 
Fest steht: An die 200 Mitarbeiter in Frankfurt und um die 250 im Woolworth-Logistikzentrum in Bönen verlieren ihre Jobs. Alle anderen haben auf ein Jahr befristete Verträge. Die neuen Eigentümer haben die Chance verstreichen lassen, um Vertrauen zu werben. Die Geheimniskrämerei von Heinig ist legendär und sicher ein Grund für das schlechte Image von Kik. Der Discounter ist wahrscheinlich eines der meistgehassten Unternehmen (der untenstehende YouTube-Link ist nur ein Beispiel). Was die Öffentlichkeit sieht, sind schäbige Läden. Man hört von Streitereien mit den Gewerkschaften. Man sieht Fernsehbilder von miesen Produktionsbedingungen. So bildet jeder sich seine Meinung, und Kik hat in der Vergangenheit zu wenig getan, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen.
 
Es ist halt ein Irrtum, zu glauben, dass man sich als Einzelhändler der Öffentlichkeit entziehen kann. Einzelhandel ist per se eine öffentliche Veranstaltung, jeder kann in die Läden gehen und sich ein Bild machen. Unternehmer müssen sich nicht unbedingt persönlich exponieren, aber die Unternehmen können sich aus dem öffentlichen Diskurs nicht heraushalten. Das Vorbild der verschwiegenen Aldi-Brüder taugt da nicht und ist ein der heutigen Zeit ein Auslaufmodell. Die Lebensmitteldiscounter mögen gelegentlich die Milchbauern auf die Straße treiben. Aber Sklaven- und Kinderarbeit sind bei der Joghurt-Produktion kein Thema. Auch mag niemand für eine Firma arbeiten, über die nur Negatives geredet wird.
 
Ich habe Stefan Heinig vor einem Jahr für eine große Kik-Story getroffen. Wegen der anhaltenden Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Kik und seinen Zulieferern sah man in Bönen Kommunikationsbedarf. Der Impuls war sicher richtig. Es war ein spannender Termin und ein gutes Gespräch. Anschließend hat die TextilWirtschaft übrigens auch ein Foto von ihm veröffentlicht, was nur gegen die Zusage möglich war, dass wir dieses anschließend nicht mehr verwenden. So zeige ich hier stattdessen das penetrant quatschende Kik-Shirt, das uns wahrscheinlich allen auf die Nerven geht (und womöglich gerade deshalb als Werbung so aufmerksamkeitsstark ist).
 
 
 
 

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