Diese Woche zählen sogar die Verlierer zu den Gewinnern. Allen voran Gerry Weber, wo die Gläubigerversammlung am Mittwoch den Insolvenzplan angenommen hat und damit die Weiterführung des Unternehmens einstweilen sichergestellt ist. Tom Tailor beeilte sich am Dienstag zu melden, dass man kurz vor Abschluss einer Einigung mit den Banken und dem Mehrheitsaktionär stehe und das entsprechende Eckpunktepapier bis Ende Oktober unterschriftsreif sei. Eine eher ungewöhnliche Ankündigung, die ahnen lässt, unter welchem Druck man in Hamburg steht. Und in Ratingen schafft es Anders Kristiansen, trotz erneut zweistelligem Umsatzminus und nach fünf Jahren roter Zahlen bei Esprit ein Alles wird gut-Signal zu senden. Der neue CEO versteht etwas von Erwartungsmanagement, und das ist in der gegenwärtigen Situation keine unwichtige Kompetenz.
Esprit, Tom Tailor und Gerry Weber werden noch eine lange Zeit mit sich selbst beschäftigt sein. Nach der Sanierung werden die drei einstigen Überflieger-Marken dann die Frage beantworten müssen, wo langfristig ihr Platz in den Kleiderschränken sein soll.
Vielleicht gelingt das ja Benetton. Mit der neuen Kollektion haben die Italiener diese Woche in Mailand zumindest ein Ausrufezeichen gesetzt. Womöglich zeigen die großen Bellheims Luciano Benetton (84), Oliviero Toscani (77) und Jean-Charles de Castelbajac (70) tatsächlich allen, was eine Harke ist.
Derweil meldet Inditex Rekordzahlen fürs erste Halbjahr und macht mit Paketautomaten bei Zara Schlagzeilen. Während die deutschen Branchengrößen ums Überleben kämpfen, bauen die Spanier an der Omnichannel-Zukunft, die bei vielen Wettbewerber übers Powerpoint-Stadium noch nicht hinaus ist.
Statt Paketautomaten baut H&M Cafés in seine Läden ein. In Heidelberg eröffnete der deutsche Pilot. Die Schweden scheinen ihre Wachstumsdelle vorerst überwunden zu haben. Das letzte Quartal brachte ein zweistelliges Umsatzplus. Aufhorchen lässt die Nachricht, dass der vertikale Filialist offenkundig plant, Fremdmarken in sein Sortiment aufzunehmen. Nicht dass damit mehr Geld zu verdienen wäre. Aber Arket und &other Stories machen vor, wie ausgewählte Markenware ein Fast Fashion-Angebot aufwerten kann. Esprit und Tom Tailor sollten sich aber keine Hoffnungen machen. Die Schweden werden bei Fremdmarken doch eher an den Schuh- und Accessoiresbereich denken.
Schlechte Nachrichten gab es dagegen für Zalando, mit einem Kursplus von über 80% im bisherigen Jahr einer der Börsenlieblinge. Investor Kinnevik hat diese Woche Kasse gemacht und seine Beteiligung um ein 5%-Paket reduziert. Das hat den Zalando-Kurs um rund 10% abstürzen lassen. An der Börse können eben auch Gewinner zu den Verlierern gehören. Vielleicht sorgen die vom Manager Magazin kolportierten Einstiegsüberlegungen bei About You ja wieder für etwas Kursphantasie.
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Und sonst? Sorgten Designer für Schlagzeilen.
Demna Gvasalia kehrt Vetements den Rücken. Er habe das Designerkollektiv ins Leben gerufen, weil er von der Mode gelangweilt war, erklärte Gvasalia gegenüber “Womenswear Daily”. Mit Vetements habe sich die Branche nun ein- für allemal verändert. “Meine Mission ist vollendet.” Das ist doch mal eine gute Nachricht: Die Mode ist nicht mehr langweilig.
Virgil Abloh muss kürzertreten, auf Anraten seines Arztes. Schöne Grüße an Farfetch, das gerade 675 Millionen Dollar für Offwhite-Mutter New Guards Group auf den Tisch gelegt hat!
Wolfgang Joop ist in Sachen Autobiografie auf Interview-Tournee. Und Lagerfeld feiert mit seiner Fotoausstellung in Wedel einen posthumen Triumph. Selbst nach seinem Tod stiehlt er Joop noch die Schau.
Luigi Colani ist mit 91 Jahren gestorben. Einen Sarg hatte der Designer bereits vor 20 Jahren auf der Bestattermesse BEFA in Düsseldorf präsentiert. Selbstverständlich so aerodynamisch wie ein Formel 1‑Rennwagen. Jetzt macht der streitbare Colani im Himmel alle rund.
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