Die Modebranche ist angeschlagen. Erst die Pandemie, jetzt der Ukraine-Krieg mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen. Und schon vor der Pandemie hat die Generation der Fridays-for-Future-Bewegung der Mode zu Recht die Hölle heiß gemacht. Weil jedes fünfte Bekleidungsstück ungetragen im Kleiderschrank vor sich hin modert. Weil die Niedrigstpreise von Fast Fashion-Anbietern auf Kosten der Menschen in Bangladesh, Indien oder Pakistan gehen, die dort T‑Shirts produzieren, die weniger kosten sollen als ein Cocktail.
Während in den 1980er und 1990er Jahren Mode und Werbung die absoluten Traumbranchen waren, schafft es Mode heute nicht mal mehr unter die Top 10. Das liegt auch daran, dass die Prioritäten sich verschoben haben. Das neue iPhone ist wichtiger als die neue Hose, instagramables Food relevanter als das neue Paar Schuhe, die Earpods von Apple eine vermeintlich bessere Investition als die Winterjacke.
Gefühlt hat man schon seit längerer Zeit den Eindruck, dass Mode nicht mehr so wichtig ist. Ein Gefühl, das durch den Ukraine-Krieg nicht besser geworden ist. Zum ersten Mal in meiner Berufslaufbahn hatte ich eine wirkliche Sinnkrise. Auf Instagram Reels mit neuen Looks zu posten fühlte sich genauso falsch an wie Party-Posts zu zeigen. Mehr noch: Es führte die Welt der schönen Bilder erbarmungslos vor. Wie kann ich mich mit neuen Hosensilhouetten beschäftigen, wenn eineinhalb Flugstunden von Berlin entfernt Bomben vom Himmel fallen? Wie sinnentleert ist es, über die richtige Farbhöhe von Rot zu diskutieren, wenn in der Ukraine Menschen vor dem Nichts stehen und um ihr Leben fürchten? Aussagen wie „es ist ein Wirtschaftszweig wie jeder andere auch“ machten die Sache nicht besser.
Den Menschen ein gutes Gefühl zu geben, schön angezogen zu sein, wahrgenommen zu werden – genau dafür ist Mode da.
Wäre ich doch Ärztin geworden. Oder Psychologin. Oder wenigstens Politik-Journalistin hörte ich mich immer wieder in Gedanken sagen. Doch als Kind der Generation Golf war Modejournalistin immer mein Traumberuf gewesen – und ist es nach einigen Wochen Hänger immer noch. Denn so schwer die Zeiten derzeit sind und keiner weiß, wie die nächsten Monate für unsere Branche werden, hat die Leichtigkeit, die der Mode immer anhaftet, eine neue Definition gefunden – im positiven Sinne. Nach zwei Jahren Pandemie und einer ungewissen Zukunft ist die Lust auf Kultur, Reisen und Ausgehen größer denn je. Nach all der Schwere brauchen wir auch wieder ein Stück Leichtigkeit in unserem Leben. Und Mode trägt dazu seinen entscheidenden Teil bei.
Farbe ist in diesem Frühjahr so erfolgreich, weil den Menschen der Sinn nach Lebensfreude steht. Hosenanzüge und Blazer kehren zurück, weil sie den Trägerinnen und Trägern Haltung geben. Eine neue Körperbetonung mit Cutouts und Slim fit löst Oversized ab, weil den Menschen der Sinn nach Ausgehen und Verführung steht. Den Menschen ein gutes Gefühl zu geben, schön angezogen zu sein, wahrgenommen zu werden – genau dafür ist Mode da.
In den letzten Jahren wurde Mode allzu oft mit schnödem Konsum assoziiert. Jetzt hat sie die Chance, einen echten Wert zu bieten – und damit wieder an Relevanz zu gewinnen. Diese Möglichkeit sollten wir ergreifen.