Passiert large

Saint Celine

XWenn der Zweck einer Moden­schau sein soll­te, einen mög­lichst gro­ßen Buzz zu erzeu­gen, dann dürf­te sich LVMHs Mil­lio­nen-Invest in Celi­ne jetzt schon gelohnt haben. Lan­ge hat kein Lauf­steg-Event mehr so eine Auf­re­gung pro­du­ziert wie Hedi Sli­ma­nes Debüt in Paris. Der 50jährige hat gelie­fert, was erwar­tet und von vie­len befürch­tet wur­de. Ent­spre­chend fal­len die Kri­ti­ken aus: "Ein dunk­ler neu­er Son­nen­auf­gang, ein Hor­ror­film", schrieb Tim Blanks in BoF. "Sli­ma­nes Instinkt für den Moment ist ver­schwun­den. Ein Eigen­tor für LVMH."

"Eine in jeder Hin­sicht alt­mo­di­sche Kol­lek­ti­on", maul­te Tan­ja Rest in der SZ. Hedi Sli­ma­ne bei Celi­ne, das sei "eine Fehl­be­set­zung, mit deren geschick­ter Ver­mark­tung sich Mil­li­ar­den ver­die­nen las­sen." Der Desi­gner mache ein­fach nur sei­nen alten Stie­fel wei­ter. Im Früh­jahr wür­den Saint Lau­rent und Celi­ne iden­ti­sche Kol­lek­tio­nen in die Läden hän­gen, und man kön­ne jetzt schon dar­auf wet­ten, wer in die­ser Far­ce wohl sie­ge. Auch Jen­ni­fer Wieb­king beklag­te in der FAZ das Aus für Phoe­be Phi­los Frau­en­ver­ste­her-Mode und bemüh­te sich zugleich, Ver­ständ­nis für den neu­en Mann zu zei­gen: "Stü­cke im Namen der Ver­füh­rung, Stü­cke, die bis­wei­len vul­gär sind, sind immer noch ein nicht zu unter­schät­zen­des Argu­ment in der Damen­mo­de." Nur God­frey Deeny freu­te sich in Fashion­Net­work unver­ho­len, wenn auch etwas holp­rig: "Hedi Sli­ma­ne hat den Celi­ne-Kun­din­nen gut 20 Jah­re weg­ge­schnit­ten."

Fehlt nur noch, dass die "Ver­ge­wal­ti­gung" von Céli­ne unter #metoo gebrand­markt wird. Immer­hin, so hat Vanes­sa Fried­man (New York Times) fest­ge­stellt, waren die Jungs dün­ner als die Mäd­chen.

Sli­ma­ne selbst reagier­te erwar­tungs­ge­mäß ein­ge­schnappt auf die Kri­tik. Er will Puri­ta­nis­mus und laten­te Homo­pho­bie aus­ge­macht haben. Ins­be­son­de­re die Ame­ri­ka­ner wür­den ihm ver­übeln, dass bei Celi­ne eine Frau einem Mann wei­chen muss­te, mut­maß­te er gegen­über WWD.

Mal abge­se­hen davon, dass die­se gan­ze Dis­kus­si­on außer­halb der Mode-Bla­se kaum jeman­den inter­es­sie­ren wird und 90 Pro­zent der Bevöl­ke­rung noch nie etwas von Hedi Sli­ma­ne gehört haben, wenn sie ihn nicht gar für einen deut­schen Blog­ger mit ähn­lich klin­gen­dem Namen hal­ten, wird der Unter­gang des alten Céli­ne beklagt, als bekä­men Gale­ris­tin­nen und Krea­tiv-Mana­ge­rin­nen künf­tig nichts mehr anzu­zie­hen. Ein Fall von Per­sön­lich­be­trof­fen­heits­jour­na­lis­mus? Hedi Sli­ma­ne hat ledig­lich gelie­fert, wofür er bezahlt wur­de. Schon sei­ne Beru­fung war auf den jet­zi­gen Kra­wall gebürs­tet. Die Strei­chung des accent aigu sorg­te für den nächs­ten Auf­schrei. Zuvor hat­te Sli­ma­ne bei Saint Lau­rent bereits den Yves gekillt. Das Signal hier wie dort war: Jetzt kom­me ich, Saint Sli­ma­ne, und ich gebe einen feuch­ten Keh­richt auf Eure Vor­stel­lun­gen. Sli­ma­nes künf­ti­ge Arbeit­ge­ber müs­sen jeden­falls dar­auf ach­ten, dass sie ihm etwas zu strei­chen geben.

Aus LVMH-Sicht ist Sli­ma­ne trotz­dem kein Fehl­griff.  Sein jugend­li­cher Rock­star-Style ist ein Gegen­ent­wurf zu Phoe­be Phi­los Erwach­se­nen-Mode. So wie Ales­san­dro Miche­le mit sei­nem Jesus-Look und dem 70er Jah­re Stil­mix der Anti­po­de zu Guc­cis aal­glat­tem Über­va­ter Tom Ford ist. So funk­tio­niert das Mode­busi­ness in Zei­ten der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie halt. Bei­de Brands wol­len – und müs­sen – zah­lungs­kräf­ti­ge jun­ge Ziel­grup­pen anspre­chen. Ein jun­ges, sexy Image lässt auch älte­re Kun­den zugrei­fen, ins­be­son­de­re in einem Busi­ness, wo es längst nicht mehr nur um Beklei­dung und so alt­mo­di­sche Wer­te wie Trag­bar­keit und Pass­form geht. Umge­kehrt funk­tio­niert das eher nicht.

Die radi­ka­le Ver­jün­gungs­kur wird LVMH mit Celi­ne mut­maß­lich eben­so gelin­gen wie Kering es mit Guc­ci vor­ge­macht hat. Dafür muss man halt bis­wei­len sei­nen Fans den Mit­tel­fin­ger zei­gen. Wenn man LVMH etwas vor­wer­fen möch­te, dann, dass der Kon­zern mit Sli­ma­ne anders als Kering mit Miche­le modisch nichts Neu­es gewagt hat, son­dern auf Num­mer Sicher geht. Aber selbst die­ses Argu­ment ver­blasst vor den Mil­li­ar­den­sum­men, um die es in die­sem Busi­ness geht. Das ist in der Mode nicht anders als beim Fuß­ball. Wenn sich die Scheichs von Man­ches­ter City die Diens­te eines Pep Guar­dio­la sichern, wird kei­ner erwar­ten, dass er statt sei­nes lang­wei­li­gen Ball­be­sitz-Tiki-Taka nun plötz­lich rasan­ten Klopp­schen Über­fall-Fuß­ball zele­briert. Auch wenn letz­te­res dem Publi­kum bes­ser gefällt – die Pre­mier League hat in der ver­gan­ge­nen Sai­son Man City und nicht Liver­pool domi­niert.

War­um, so könn­te man fra­gen, spen­det Ber­nard Arnault Hedi Sli­ma­ne denn dann nicht sein eige­nes Mai­son? Da könn­te der sei­nen Fans doch genau das lie­fern, wofür er steht? Die Ant­wort ist ein­fach: Es ist zu teu­er, und das Risi­ko zu groß. Die Zei­ten, da ein Mode­de­si­gner mit dem eige­nen Namen zu einer wirk­lich glo­ba­len Mar­ke wird, sind vor­bei. Aus eige­ner Kraft und ohne die Mil­li­ar­den eines Kon­zerns im Rücken ist das heu­te nicht mehr mög­lich. Krea­ti­ve wie Vir­gil Abloh und Dem­na Gva­sa­lia ver­die­nen das meis­te Geld mit Koope­ra­tio­nen, ihre eige­nen Pro­jek­te haben sie neu­tral Off White und Vete­ments genannt. Ob man auf die­se Brands in 50 Jah­ren wie auf Cha­nel und Dior schau­en wird? Statt mit Mil­li­ar­den­in­vests neue Mar­ken auf­zu­bau­en, die dazu den Lau­nen noch leben­der Krea­ti­ver aus­ge­setzt sind, beu­ten Luxus­kon­zer­ne wie LVMH und Kering da lie­ber den Mythos eines eta­blier­ten Namens aus, den sie durch eine öffent­lich­keits­wirk­sa­me Per­so­nal­po­li­tik modern auf­la­den.

Der Tag wird kom­men, an dem nie­mand mehr Hedi Sli­ma­nes Rock­star-Look mehr sehen mag. Dann über­nimmt eben ein ande­rer. So wie die Trai­ner beim Fuß­ball. Und Phoe­be Phi­lo fin­det bestimmt auch einen neu­en Ver­ein.

Und sonst?

… machen wir uns Sor­gen um Karl Lager­feld. Von sei­ner Pari­ser Show blieb vor allem der ange­schla­gen und gebrech­lich wir­ken­de Meis­ter in Erin­ne­rung.

… neh­men Susan­ne und Chris­toph Bot­schen Mart­ha­Loui­sa nach einem hal­ben Jahr wie­der vom Netz. Mit Mythe­re­sa waren sie ear­ly mover, jetzt me-too.

… ist Ger­ry ohne Weber den Anle­gern lie­ber. Nach dem Rück­zug von Vater und Sohn von ihren Pos­ten leg­te der Kurs der Ger­ry Weber-Aktie um mehr als 20% zu.

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