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Vom Warenhaus zum Warehouse

XSo drö­ge es klingt: Fie­ge X Log ist die Nach­richt, die die­se Woche die meis­te Fan­ta­sie frei­setzt. Gemeint ist das Joint-ven­ture von Kar­stadt und Logis­tik­dienst­leis­ter Fie­ge. Das neue Gemein­schafts­un­ter­neh­men soll ab 2020 nicht nur die gesam­te Waren­haus-Logis­tik über­neh­men, son­dern dar­über hin­aus auch als Dienst­leis­ter für ande­re Unter­neh­men fun­gie­ren. Es geht dar­um, die 79 Kar­stadt-Filia­len und – sofern die Fusi­on denn beim Kar­tell­amt durch­geht – auch die 136 Kauf­hof-Stand­or­te als poten­zi­el­le Ver­teil­kno­ten für Waren­aus­lie­fe­rung ein­zu­span­nen. Die eine oder ande­re Eta­ge lie­ße sich dafür bestimmt fin­den. Logis­ti­ker Fie­ge setzt damit einen star­ken Fuß in die City-Logis­tik – das Feld, wo die Schlacht im Online­han­del nicht unmaß­geb­lich mit­ent­schie­den wird.

Das viel­be­schrie­be­ne Waren­haus der Zukunft, es sieht womög­lich also sehr viel anders aus, als wir uns das heu­te vor­stel­len. Weni­ger Kulis­se für Erleb­nis­ein­kauf als Hub zu Dis­tri­bu­ti­ons­zwe­cken. För­der­bän­der und Kom­mis­sio­nier­an­la­gen statt Kreuz­win­kel­stän­dern und “Fasci­na­ti­on Points”. Vom Waren­haus zum Warehouse sozu­sa­gen.

Eine Ver­teil-Funk­ti­on haben Han­dels­ge­schäf­te seit jeher auch; wegen lah­mer LUGs dif­fa­mie­ren Bös­mei­nen­de den groß­flä­chi­gen City-Ein­zel­han­del des­we­gen auch ger­ne mal als teu­re Lager­hal­tung in Innen­stadt­la­gen. Den Kon­su­men­ten die Pro­duk­te der Indus­trie ver­füg­bar zu machen, ist jedoch bei­lei­be nicht die ein­zi­ge Funk­ti­on des Ein­zel­han­dels. Schon gar nicht darf es das im digi­ta­len Zeit­al­ter sein, wo „Alles unter einem Dach“ im Inter­net fir­miert. So kann man die Fie­ge X Log-Nach­richt wahl­wei­se als Kapi­tu­la­ti­on vor der Online-Kon­kur­renz oder auch als kon­se­quen­te Anpas­sung an eine unver­meid­li­che Markt­ent­wick­lung lesen. Auf jeden Fall kann auf so eine Idee nur jemand kom­men, des­sen ers­tes Inter­es­se nicht das Waren­ge­schäft, son­dern der Wert­erhalt sei­ner Immo­bi­li­en ist. Den Gewerk­schaf­ten, die, wenn es um Kar­stadt und Kauf­hof geht, sonst immer schnell mit Stel­lung­nah­men dabei sind, ist erst­mal nichts zum neu­en Joint-ven­ture ein­ge­fal­len. Wer­den die Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Waren­haus Hol­ding eines Tages womög­lich über­wie­gend nach Logis­tik­ta­ri­fen à la Ama­zon bezahlt?

Die Logis­tik ist seit jeher ein Schlüs­sel­fak­tor im Mode­busi­ness, und ein zuneh­mend wich­ti­ger. Der Auf­stieg von Fast Fashion wäre ohne glo­bal eng ver­zahn­te Logis­tik­ket­ten undenk­bar gewe­sen. An Zaras Welt­erfolg hat als kon­ge­nia­ler Part­ner von Indi­tex-Grün­der Aman­cio Orte­ga auch Ex-CEO José Maria Cas­tel­lano maß­geb­li­chen Anteil; der Logis­tik-Pro­fes­sor hat die Pro­zes­se und die Orga­ni­sa­ti­on ent­wi­ckelt, die es den Spa­ni­ern erlaubt, Trends schnel­ler als die Kon­kur­renz an den POS zu brin­gen. Mit der Digi­ta­li­sie­rung bekommt die Bran­che nun neue Instru­men­te an die Hand, die Fas­ter Fashion ermög­li­chen und der Ver­ti­ka­li­sie­rung des Mode­busi­ness einen wei­te­ren Schub geben wer­den. Die­se reicht nicht mehr nur bis in die Läden, son­dern bis in die Wohn­zim­mer. Online Retail­er und Platt­for­men haben ent­spre­chend nicht nur Markt­an­tei­le erobert, son­dern auch die Kun­den­er­war­tun­gen ver­än­dert. Es geht um maxi­ma­le Ver­füg­bar­keit, und es geht um sofor­ti­ge Ver­füg­bar­keit. Als Ama­zon Same Day Deli­very ins Spiel brach­te, hat man das noch für unrea­lis­tisch gehal­ten, heu­te arbei­ten alle dar­an, mor­gen wird das der Stan­dard sein.

Die soge­nann­te letz­te Mei­le ist zugleich die teu­ers­te Mei­le. Die Zustel­lung an die End­kun­den mög­lichst effi­zi­ent zu orga­ni­sie­ren ist die gro­ße Her­aus­for­de­rung, und das vor dem Hin­ter­grund zuneh­men­der Dis­kus­sio­nen um Ver­kehrs­kol­laps, Die­sel­fahr­ver­bo­te und E‑Mobilität. Logis­tik-Rie­sen wie DHL und Her­mes kämp­fen an die­ser Front, Ama­zon im Nacken. Der Online-Gigant expe­ri­men­tiert mit Droh­nen, stellt Abhol-Locker bei DM, Aldi und Shell auf und will ein Heer von Zustel­lern beschäf­ti­gen, die im Neben­er­werb Pake­te ver­tei­len. Uber lässt grü­ßen; der Taxi-Kil­ler arbei­tet natür­lich eben­falls an Belie­fe­rungs­kon­zep­ten. Zalan­do über­legt, Fahr­rad­bo­ten mit Las­ten­bikes aus­schwär­men zu las­sen. Start-ups wie Pic­nic und Tira­mi­zoo sam­meln Mil­lio­nen ein, um eine ent­spre­chen­de Infra­struk­tur auf­zu­bau­en. Und so wei­ter.

In ein paar Jah­ren wer­den womög­lich sie alle und auch die End­ver­brau­cher selbst zu Kar­stadt gehen, um Pake­te abzu­ho­len. Ist das dann die Renais­sance des Waren­hau­ses?

Und sonst?

… hat Snap­chat end­lich einen Weg gefun­den, Geld zu ver­die­nen. Als Auge für Ama­zon. Die bei­den Part­ner tes­ten gera­de die Ein­füh­rung eines Pro­dukt­er­ken­nungs­pro­gramms mit direk­ter Ver­lin­kung ins Online-Kauf­haus. Knapp 190 Mil­lio­nen Men­schen nut­zen die Snap­chat-App zur­zeit.

…müs­sen die Zalan­do-Grün­der zur­zeit bei jeder Gele­gen­heit demen­tie­ren, ver­kau­fen zu wol­len. So wie gera­de Robert Gentz im Focus. Das hängt womög­lich mit dem seit vie­len Wochen sin­ken­den Kurs zusam­men. Ist die Ver­kaufs­be­reit­schaft der Grün­der eine rele­van­te Fra­ge für einen poten­zi­el­len Über­neh­mer? Fast zwei Drit­tel der Zalan­do-Antei­le sind im Streu­be­sitz.

…ist der Kurs der Micha­el Kors-Hol­ding (die sich neu­er­dings Capri nennt) nach der Ver­sace-Über­nah­me erst­mal scharf ein­ge­bro­chen. Die Ame­ri­ka­ner haben mit 2,1 Mrd. Dol­lar einen Preis bezahlt, der sagen­haf­te 22 Mal dem aktu­el­len Ebit ent­spricht.

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