Der Luxury Business Day, der dieser Tage zum zweiten Mal in München stattfand, ist der Versuch, der deutschen Luxus-Community eine Heimstatt zu geben. Das ist ambitioniert. Denn diese (branchenübergreifende) Community gibt es nicht. Noch nicht. So sieht es Initiatorin Petra-Anna Herhoffer durchaus als Mission an, das zu ändern. "Deutsche Unternehmen sehen sich lieber im Premium- und Upper Premium-Segment und verschenken damit das Qualitäts- und Kommunikationspotenzial, welches Luxus als Konzept und Strategie bietet", so die Inhaberin des Münchner Inlux-Instituts und Dozentin für "Luxury Brand Management" an der Munich Business School.
Der Punkt ist, dass viele deutsche Unternehmen Luxusprodukte anbieten, ohne sich als Luxus-Anbieter zu verstehen. "Wir haben in Deutschland ein Luxus-Problem", so Florian Kohler von der Büttenpapierfabrik Gmund. "Das heißt wir haben ein Problem mit dem Wort Luxus." Deswegen nimmt Kohler (Foto unten), dessen Unternehmen seit 1829 feinstes (und teuerstes) Papier produziert, das Wort auch nicht in den Mund. "Ich sage: Wir wollen das Beste machen!" Einfach nur großartige Produkte machen, das ist auch die Motivation von Wiebke Lehmann, die mit Hering Berlin den altbackenen Porzellanmarkt aufrollt. Sie begeisterte das Auditorium beim LBD mit ihrem Konzept, das zeitgemäßes Design mit handwerklichem Können auf allerhöchstem Niveau verbindet.
Gmund und Hering sind zwei Unternehmen aus Deutschland, die Luxusprodukte anbieten, ohne Luxusanbieter zu sein. Es gibt noch 85 weitere. Das hat Ernst & Young in einer auf dem LBD erstmals präsentierten Studie ermittelt. "Neben den klassischen Luxusgütersegmenten wie Mode, Schmuck, Autos, Chamagner, Kosmetik, Möbel und Uhren gibt es Luxusanbieter in ganz vielen anderen Wirtschaftszweigen", erklärte Florian Huber von Ernst & Young (Foto unten). Bei optischen Instrumenten (Leica), bei Haushaltsgeräten (Miele), bei Besteck (Robbe & Berking), bei Schreibwaren (Faber Castell). Insgesamt hat die Studie 177 deutsche Luxusanbieter erfasst. "Die klassische Definition von Luxus ist nur die halbe Wahrheit", so Huber. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil kleiner, mittelständischer Unternehmen, die lange am Markt sind, Manufakturen betreiben und zugleich sehr international verkaufen. Denn, so Huber, die Zielgruppe der Luxuskäufer in Deutschland sei mit 2,7 Prozent der Bevölkerung sehr kein. Die Studie gibt es hier.
Petra-Anna Herhoffer (Foto unten) taxiert den Luxus-Konsum in Deutschland nach einer Studie von Roland Berger für 2011auf 12,9 Mrd. Euro, ein Zuwachs von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sie sieht zugleich eine qualitative Veränderung in der Rezeption von Luxus: "Neuer Luxus ist weniger von Geld, als viel mehr vom Bedürfnis nach innerer Wertschöpfung getrieben. Er schafft sinnliches Erleben, an Stelle von kühler Distanz. Er ist ethisch korrekt, statt verschwenderisch. Sozial verantwortlich und nicht machtgetrieben. Und da wir, zumindest in der westlichen Welt, von allem genug haben, muss man gewisse Dinge nicht mehr besitzen, sondern manchmal genügt es, sie zu teilen. Dieses neue Verständnis trägt Luxus bis in die Mitte der Gesellschaft. Der Händler wird dabei zum Kurator des Besonderen, der Kaufakt zur Interaktion zwischen Gleichen. Damit sind auch die Zeiten vorbei, die etablierten Marken erlaubten, die Preise Jahr für Jahr anzuheben."
Für den Trendforscher Eike Wenzel steht die Luxusindustrie deshalb vor einem großen Umbruch. "Die Luxusindustrie muss begreifen, dass sie ein Kind des Industriezeitalters ist." Statusgetriebener Luxuskonsum ist nur noch dort ein Thema, wo die Wirtschaft industriell dominiert ist, in den Emerging Markets, wo Luxus ein Wohlstandssymbol ist. Die Inkarnation des alten Luxus ist für Wenzel Vertu: altbackene Technik im protzigen Gewand. Die Frage sei, so Wenzel, ob sich mit Luxus auch in den nächsten 50 Jahren noch das Geld verdienen lässt, das bisher verdient wurde. Oder ob Luxus nicht in dem Moment unzeitgemäß wird, wo wir Industrialisierung und Standardisierung hinter uns lassen. Und natürlich kennt Wenzel die Antwort: "Der Luxus der Zukunft heißt nicht Haben sondern Sein, heißt Genuss statt Verbrauch, Gemeinschaft statt Distinktion, Dezentralität statt Masse und Hierarchie, Erfahrung und Sinn statt Konsum."
Fotos: Daniel Delang
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Und hier noch ein paar Profashionals-Zitate zum Thema Luxus:
…von Francesco Pesci
…von Reinhard Mieck
…von Nikolaus Jagdfeld
…von Miguel Adrover
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