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Nach dem Burberry-Schock: Platzt die Luxus-Blase?

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Die­se Woche gab es ein paar alar­mie­ren­de Nach­rich­ten aus der Luxus­bran­che: Gabrie­le Streh­le ver­lässt Stre­nes­se. Möl­ler & Schaar die Goe­the­stra­ße. Und Ber­nard Arnault Frank­reich, zumin­dest als Staats­bür­ger. Okay… der Zusam­men­hang ist jetzt eini­ger­ma­ßen kon­stru­iert. Was die Luxus-Bran­che tat­säch­lich erschüt­tert hat, war Bur­ber­ry. Der Karo-Kon­zern, ein Dar­ling der Mode­pres­se, mel­de­te erneut her­vor­ra­gen­de Ergeb­nis­se: Der Gewinn vor Steu­ern wird in die­sem Jahr bei über 400 Mill. Pfund lie­gen. Nicht schlecht bei einem Umsatz von vor­aus­sicht­lich nicht ein­mal 2 Mil­li­ar­den. Aber auf ver­gleich­ba­rer Flä­che sta­gniert das Geschäft. Ein skep­ti­scher Aus­blick von Bur­ber­ry-Che­fin Ange­la Ahrendts reich­te da, um den Akti­en­kurs um fast 19% ein­bre­chen zu las­sen. Mit Bur­ber­ry gin­gen auch die Akti­en von Hugo Boss, LVMH, Her­mès und Riche­mont auf Tal­fahrt. Ein Vor­zei­chen, dass der Luxus-Boom sich dem Ende nähert?

Seit Jah­ren geht es mit dem Luxus-Busi­ness rasant berg­auf. Die Luxus-Mar­ken fah­ren von Quar­tal zu Quar­tal stramm zwei­stel­li­ge Wachs­tums­ra­ten ein, die Ren­di­ten sind es sowie­so. Die Ana­lys­ten schrei­en Hur­ra. Die LVMH-Aktie hat ihren Wert in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren mehr als ver­dop­pelt. Pra­da und Bru­nel­lo Cuci­n­el­li nutz­ten die Gunst der Stun­de, um an der Bör­se Kas­se zu machen. Der tra­di­tio­nel­le Luxus-Markt wird die­ses Jahr Stu­di­en zufol­ge die 200-Mil­li­ar­den-Euro-Schwel­le über­schrei­ten; 2005 waren es noch 146 Mrd. Euro.

Meh­re­re Fak­to­ren haben die­ses Wachs­tum ermög­licht. Da ist einer­seits die zuneh­men­de Diver­si­fi­ka­ti­on von Luxus-Labels in ande­re Pro­dukt­ka­te­go­rien: Leder­wa­ren-Spe­zia­lis­ten, die in Beklei­dung oder Uhren machen. Jacken-Anbie­ter, die Bril­len unter ihrem Namen ver­trei­ben. Und Düf­te machen sowie­so alle. All das war nicht nur gut für die Kas­se, son­dern auch für die Prä­senz etli­cher Mar­ken in allen mög­li­chen Ver­triebs­ka­nä­len.

Aktu­ell spielt gewiss auch die Euro-Schwä­che eine Rol­le: Es war sel­ten so bil­lig für chi­ne­si­sche, rus­si­sche und ara­bi­sche Tou­ris­ten, in Mai­land, Paris oder Mün­chen shop­pen zu gehen. Eine aktu­el­le LBE-Stu­die ergab, dass in der bay­ri­schen Lan­des­haupt­stadt allein die Ara­ber jähr­lich 220 Mil­lio­nen Euro las­sen. Ver­gan­ge­nen Sams­tag bei Lou­is Vuit­ton in Mün­chen war ich so ziem­lich der ein­zi­ge Deutsch spre­chen­de Kun­de. Und auch einer der weni­gen, die nichts gekauft haben. Viel­leicht soll­te ich künf­tig in Ren­min­bi abrech­nen…

Der ent­schei­den­de Trei­ber des Luxus-Booms ist aber natür­lich die wach­sen­de Nach­fra­ge in auf­stre­ben­den Märk­ten wie Russ­land und Indi­en. Und natür­lich ins­be­son­de­re Chi­na. Für die auf­kei­men­de chi­ne­si­sche Mit­tel­klas­se sind west­li­che Luxus­pro­duk­te Sta­tus­aus­weis. Die High End-Ein­kaufs­zen­tren in Peking, Shang­hai und in den vie­len unbe­kann­ten Mil­lio­nen­städ­ten sind gepflas­tert mit den Stores ita­lie­ni­scher, fran­zö­si­scher und ame­ri­ka­ni­scher Luxus­an­bie­ter. Wer die­se Zen­tren besucht, wun­dert sich zwar bis­wei­len schon dar­über, wie so wenig Fre­quenz so hohe Umsät­ze gene­rie­ren kann. Womög­lich ist ein Gut­teil des Umsatz­wachs­tums schlicht Flä­chen­ex­pan­si­on. Die irgend­wann an Gren­zen sto­ßen muss.

Dass das Wachs­tum jetzt abbricht, ist nicht zu erwar­ten. Aber ver­lang­sa­men könn­te es sich schon. Ein wenig drängt sich einem schon der Ver­dacht auf, dass da eine Luxus-Bla­se ent­stan­den ist, aus der jetzt lang­sam aber sicher die Luft ent­weicht. Das hat zum einen hand­fes­te wirt­schaft­li­che Grün­de: Die Wachs­tums­ra­ten in Chi­na erlah­men, der anste­hen­de Regie­rungs­wech­sel sorgt für Atten­tis­mus, Indi­en und Bra­si­li­en sind für aus­län­di­sche Anbie­ter immer noch schwer zu erobern­de Märk­te, und in Russ­land hängt alles von einem vola­ti­len Ölpreis ab. In den rei­fen Märk­ten, in Euro­pa und den USA, dürf­te die Ubi­qui­tät von Luxus­pro­duk­ten zudem zu einer gewis­sen Bana­li­sie­rung geführt haben. “Ist es noch Luxus, wenn die Leu­te vor Lou­is Vuit­ton Schlan­ge ste­hen, mit Base­ball Caps und Ham­bur­ger essend?“, frag­te ein Refe­rent neu­lich bei der FT-Luxus-Kon­fe­renz in Mar­ra­kesch. „Bei McDo­nalds ste­hen sie auch Schlan­ge. Wo ist da noch der Unter­schied?”

Einen inter­es­san­ten Gedan­ken zum The­ma äußer­te auch Eike Wen­zel auf dem Luxu­ry Busi­ness Day die­ses Jahr in Mün­chen. Der Trend­for­scher sieht die Luxus­in­dus­trie vor einem gro­ßen Umbruch. “Die Luxus­in­dus­trie muss begrei­fen, dass sie ein Kind des Indus­trie­zeit­al­ters ist.“ Sta­tus­ge­trie­be­ner Luxus­kon­sum ist nur noch dort ein The­ma, wo die Wirt­schaft indus­tri­ell domi­niert ist, in den Emer­ging Mar­kets, wo Luxus ein Wohl­stands­sym­bol ist. In den ent­wi­ckel­ten Märk­ten dage­gen bekommt Luxus­kon­sum einen ande­ren Stel­len­wert. Hier befrie­di­gen Luxus­ar­ti­kel indi­vi­du­el­le Ver­wöhn-Bedürf­nis­se. Dis­kre­te und authen­ti­sche Mar­ken dürf­ten davon pro­fi­tie­ren, dass Bling Bling-Sym­bo­le als exzes­siv und sozi­al unver­träg­lich emp­fun­den wer­den. Die Inkar­na­ti­on des alten Luxus ist für Eike Wen­zel Ver­tu: alt­ba­cke­ne Tech­nik im prot­zi­gen Gewand. Die Fra­ge sei, so Wen­zel, ob sich mit Luxus auch in den nächs­ten 50 Jah­ren noch so viel Geld ver­die­nen lässt. Oder ob Luxus nicht in dem Moment unzeit­ge­mäß wird, wo wir Indus­tria­li­sie­rung und Stan­dar­di­sie­rung hin­ter uns las­sen. Für Wen­zel ist die Ant­wort klar: “Der Luxus der Zukunft heißt nicht Haben son­dern Sein, heißt Genuss statt Ver­brauch, Gemein­schaft statt Distink­ti­on, Dezen­tra­li­tät statt Mas­se und Hier­ar­chie, Erfah­rung und Sinn statt Kon­sum.”

Ein wenig schwingt in die­ser Sicht natür­lich der Kon­sum-Über­druss mit, den man­che in unse­rer satu­rier­ten Wohl­stands­ge­sell­schaft emp­fin­den mögen. Aber auch hier­zu­lan­de ist längst noch nicht jeder im Post­ma­te­ria­lis­mus ange­kom­men. Und bis der Inha­ber der Tex­til-Fabrik in Guang­zhou und der Geschäfts­füh­rer der Soft­ware­schmie­de in Banga­lo­re zu sol­chen Ein­sich­ten gelan­gen, wird noch viel Was­ser den Yang­tse und den Gan­ges her­un­ter­flie­ßen.

Zugleich ist offen­kun­dig, dass mas­sen­kom­pa­ti­ble Grö­ße und eli­tä­rer Luxus sich ten­den­zi­ell aus­schlie­ßen. Dass die bör­sen­no­tier­ten Luxus­kon­glo­me­ra­te die Wachs­tums­fan­ta­sien ihrer Share­hol­der bedie­nen müs­sen, wird lang­fris­tig ihren Abstieg beför­dern. Was nicht heißt, dass sie wirt­schaft­lich nicht erfolg­reich sein wer­den. Aber was heu­te als Luxus gilt, wird zwangs­läu­fig in Rich­tung Pre­mi­um abdrif­ten. Mar­ken wie Lou­is Vuit­ton sind immer noch teu­er, aber sie sind heu­te schon für die Mas­se kei­nes­falls mehr uner­schwing­lich. Die heu­ti­gen Luxus-Brands sind häu­fig nur noch Mar­ke­ting­ve­hi­kel. Das spü­ren die Men­schen. Das wird Raum für neue Mar­ken las­sen, die ande­re Wer­te ver­mit­teln. Für exzel­len­te Pro­duk­te, für die eine infor­mier­te Kund­schaft auch künf­tig Unsum­men aus­zu­ge­ben bereit sein wird.

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