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Was wird aus Berlin?

XDer Mythos lebt. Wenn die Berliner Messemacher Tempelhof ins Spiel bringen, aktiviert dies auch die nostalgischen Gefühle derer, die auf der Bread & Butter mit Chinesen, Brasilianern und Amerikanern am Kettenkarusell angestanden haben, sich bei der G‑Star-Show das Trommelfell ruinieren und im Gästeclub von Tim Raue bekochen haben lassen. Auf Karl-Heinz Müllers Bread & Butter wohlgemerkt, nicht auf der WKZ-Party von Zalando.

Es ist zunächst ein geschickter Schachzug Jörg Wichmanns, zum Abschluss der Winter-Ausgabe den Umzug der Panorama und eine mögliche Zusammenlegung der Berliner Messen auf dem Tempelhof-Gelände ins Spiel gebracht zu haben. So spricht die Branche über das, was kommt, und nicht so sehr über das, was war. Anita Tillmann hat dem Panorama-Macher erstmal die kalte Schulter gezeigt und nebenbei bestätigt, dass die Premium ebenfalls über einen Umzug ihrer diversen Messen nach Tempelhof nachdenke. Es würde einen nicht wundern, wenn es eines Tages zu einer großen Berliner Modemesse käme, in welcher Konstellation auch immer.

Interessanterweise scheint noch niemand Clarion Events gefragt zu haben, den britischen Messeveranstalter, zu dem die Premium seit 2017 gehört. Hinter Clarion steht wiederum der Finanzinvestor Blackstone, und der dürfte das Mode- und Messen-Business durch eine andere Brille betrachten als die Brancheninsider und leidenschaftlichen Community Organizer Tillmann und Wichmann.

Handel und Industrie haben die Tempelhof-Idee überwiegend begrüsst, teilweise mit dem rationalen Argument der Zeit- und Kostenersparnis, wenn man nicht mehr so viel im Taxi oder Shuttle sitzen müsse. Man könnte einwenden, dass der Reiz von Berlin gerade in den unterschiedlichen Schauplätzen bestehe, die jeder Veranstaltung ihren ganz besonderen Charakter geben. Und dass aus Industrie-Sicht um Aussteller konkurrierende Messeanbieter auch kein Nachteil sind.

Auf der anderen Seite könnte der Markt über kurz oder lang eine Konsolidierung befördern. Denn bei dem immer noch großen Auftrieb, den Berlin zweimal im Jahr erlebt, kann man leicht vergessen, dass sich dort nur ein Teil des Marktes trifft. Und zwar ein tendenziell immer noch schrumpfender. Auch wenn in der Industrie viele Retail-Blütenträume geplatzt sind und es zurzeit eine teilweise Rückbesinnung auf den klassischen Wholesale gibt, wird die Vertikalisierung weitergehen. Künftig verstärkt auf dem digitalen Kanal, über die eigenen Webshops und Online-Marktplätze. Und im Geschäftsmodell von Inditex, Primark und Amazon sind Modemessen sowieso nicht vorgesehen.

Zugleich bleibt das Modegeschäft – vielleicht mehr noch als andere Branchen – ein Face-to-Face-Business. Deswegen braucht es auch Face-to-Face-Plattformen. Es geht auf den Messen um Kommunikation, um Inspiration, um Motivation. Als potenziell internationaler Marktplatz in Deutschland ist Berlin alternativlos. Das sollten alle im Blick haben, wenn sie ihre Budgets und Reisen planen.

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