Zalando übernimmt Highsnobiety. Ein wenig PR-Prosa ist in solchen Fällen unvermeidlich: „Wir teilen die Leidenschaft, starke Markenpartnerschaften aufzubauen und Menschen mit den Produkten und Geschichten einer Marke zu inspirieren“, lässt sich Zalando-Co-CEO David Schneider in der Pressemitteilung zitieren.
Was für den einen David ein aufsehenerregender, finanziell aber wahrscheinlich vergleichsweise überschaubarer Deal ist, ist für den anderen David ein riesiger Meilenstein. David Fischer hat in 17 Jahren aus seinem privaten Blog eine Digitalinstanz für die internationale Streetwearszene gemacht. Als die Digitalisierung in den Nullerjahren Fahrt aufnahm, wurde auf Branchenbühnen die große mediale Verbindung von Content, Commerce und Community ausgerufen. David Fischer gehört zu den wenigen, die diese Vision tatsächlich Realität werden lassen konnten. Auch Jörg und Maria Koch haben aus dem Fanzine 032c eine Modemarke machen können. Alteingesessene Medienmarken wie z.B. die Vogue sind indes daran gescheitert. Mit Highsnobiety verstand es Fischer, die Streetwear-Welle zu reiten, und er etablierte sich als einer der Protagonisten der Brand Collabs, die das Modemarketing seit Jahren prägen. 2019 dann der Einstieg in den E‑Commerce: Wo Online-Retailer wie Amazon mittlerweile höhere Werbeerlöse generieren als die meisten Medienunternehmen, hat sich das Medienhaus Highsnobiety zum Online Retailer entwickelt. Der in hohem Maße auf das Drop-Konzept setzt, mit speziellen Produkten und Capsule Collections angesagter Brands, flankiert um redaktionellen Content. „Wir beherrschen die Kunst, Geschichten in Produkte und Produkte in Geschichten zu verwandeln“, sagt Fischer.
Die größte Geschichte hat David Fischer mit Highsnobiety selbst erzählt. Die ihm Zalando nun buchstäblich abgekauft hat.
Die größte Geschichte hat er freilich mit Highsnobiety selbst erzählt. Die ihm Zalando nun buchstäblich abgekauft hat. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ist Highsnobiety in den vergangenen Jahren indes nicht wirklich gewesen, jedenfalls soweit es die Profitabilität angeht.
Der Bundesanzeiger weist für die Highsnobiety-Muttergesellschaft Titel Media GmbH für das Jahr 2020 Umsatzerlöse von nicht ganz 22 Millionen Euro aus. Das Betriebsergebnis war mit 127.000 Euro gerade so in den schwarzen Zahlen, unter dem Strich steht ein Fehlbetrag von rund 84k. Über zwei Millionen Euro Verlust waren es im Vorjahr und 1,1 Millionen in 2018. In jenem Jahr sammelte man auch Kapital zur Finanzierung der E‑Commerce-Pläne ein. So erhielt Highsnobiety 8,5 Millionen US-Dollar in einer Series‑A Runde von dem Londoner Venture Capital-Geber Felix Capital. 2020 führte man laut Bundesanzeiger eine weitere Finanzierungsrunde über 5,85 Millionen Euro durch. Zugleich trat man auf die Kostenbremse, Fischer leitete eine Restrukturierung ein, Stellen wurden abgebaut. Im Jahresschnitt beschäftigte die Firma 101 Mitarbeiter, nach 114 in 2019.
Das Unternehmen ist in den vergangenen fünf Jahren zwar stabil gewachsen. Der Umsatzzuwachs während des E‑Commerce-Booms im Corona-Jahr war mit ca. 10 Prozent aber vergleichsweise bescheiden. Das hängt damit zusammen, dass Highsnobiety 2020 nach wie vor 85% seines Geschäfts im Media/Advertising/Affiliate-Bereich erwirtschaftete. Der E‑Commerce wuchs zwar schwungvoll um 95 Prozent, trug aber lediglich 1,6 Millionen Euro zum Geschäft bei. Möglicherweise hat man eine andere Entwicklung erwartet bzw. den Aufwand unterschätzt, der mit dem Aufbau eines neuen Geschäftsfelds verbunden ist. Da ist Highsnobiety bekanntlich nicht der Einzige.
Mit Highsnobiety sichert sich Mainstream-Anbieter Zalando eine glaubwürdige Marke im wachstumsstarken Streetwear-Segment, mit Zugang zu den richtigen Brands und den hippen Kunden. Aber diese Glaubwürdigkeit ist schnell verspielt.
Die Vision bleibt dennoch richtig. Mit Zalando hat Highsnobiety nun einen Partner gefunden, der über die Ressourcen und die Expertise verfügt, dem E‑Commerce den nötigen Push zu geben. David Fischer bleibt an Bord und wird sich um das Mediengeschäft und die Kreativagentur kümmern. Zalando ist gut beraten, ihm möglichst freie Hand zu lassen. Mit Highsnobiety sichert sich der Mainstream-Anbieter eine glaubwürdige Marke im Streetwear-Segment, mit Zugang zu den richtigen Brands und den hippen Kunden. Aber diese Glaubwürdigkeit ist schnell verspielt. Die Zielgruppe ist da sehr speziell und hochsensibel. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Hamburger Konkurrenz diesen wachstumsstarken Markt nicht mit About You, sondern mit Why Not angeht.
Man wird sehen, was die neuen Partner daraus machen. Dass beide in Berlin sitzen, ist vielleicht nicht so relevant, schadet aber natürlich auch nicht. Der Verlust der Unabhängigkeit könnte sich für den Gründer Fischer ungewohnt anfühlen, zumal in einem börsennotierten Unternehmen andere Gesetze und besondere Zwänge gelten. Inwieweit das von Highsnobiety angeschobene stationäre Travel Retail Business unter Zalando-Ägide Bestand hat, bleibt abzuwarten. Mit der Kickz-Übernahme hatte der Online-Riese seinerzeit keine glückliche Hand gezeigt; im März 2020 haben sich die Berliner wieder von dem Sneaker-Format verabschiedet.
Wie sich Mainstream-Anbieter mit der Credibility von Szene-Brands vertragen, kann man zurzeit auch an weiteren Beispielen beobachten. So ist von Supreme seit der Übernahme durch VF nicht so richtig viel zu hören. Und was aus Asphaltgold unter Arklyz-Regie (The Athletes Foot mit 560 Läden in 30 Ländern) wird, wird man ebenso sehen.
Gut hat es seinerzeit Deichmann gemacht. Der Essener Schuhfilialist hat sich vor über zehn Jahren Snipes einverleibt. Seither expandiert Snipes-Gründer Sven Voth mit dem Unternehmen wie die Feuerwehr. Allein in den vergangenen Monaten hat er 250 Standorte übernommen und betreibt nun 680 Filialen in elf Ländern. Snipes ist vielleicht nicht mehr allererste Adresse für echte Sneakerheads, aber die Marke wird respektiert. Und für die Ultras hat die Deichmann-Tochter ja noch Solebox und MBCY im Portfolio.