Bislang hießen Frauenzeitschriften ‘Brigitte’ oder ‘Tina’, früher mal ‘Constanze’ oder – jenseits der Mauer – ‘Sibylle’. Seit dieser Woche gibt es ‘Guido’. Das ist nicht etwa ein Feldversuch der Genderforschung, sondern das jüngste Kind von Gruner+Jahr. Nach dem großen Erfolg von ‘Barbara’ (Schöneberger) setzen die Hamburger Magazinmacher jetzt auf ‘Guido’ (Maria Kretschmer). Der ist offiziell immer noch Modedesigner, für seine Fans ist er in erster Linie beste Freundin. ‘Guido’ ist entsprechend “ein Magazin, das die Frauen liebt”, so der Verlag. Für 3,80 Euro können die sich jetzt monatlich bestätigen lassen: “Du bist schön, so wie Du bist.”
Tja. Wer als Modedesigner in der Industrie sein Dasein fristet oder sich mit dem eigenen Label in einem Berliner Hinterhof selbst ausbeutet, wird einem wie Guido Maria Kretschmer die Legitimation als “echter” Designer absprechen. Da können auf der Fashion Week noch so viele B‑Promis seinen Laufsteg säumen. Was aber, wenn GMK lediglich begriffen haben sollte, dass Image und Massenwirkung heute wesentliche Voraussetzungen zum Geldverdienen sind? Liefert eine wie auch immer geartete Prominenz letztlich nicht auch die Anerkennung, die alle anstreben? Und ist es nicht so, dass es zu den vornehmsten Aufgaben eines Modemachers gehört, dazu beizutragen, dass die Kundinnen sich besser fühlen? Dieser Mission kommt Kretschmer als charmanter Stilratgeber in jedem Fall nach.
GMK reiht sich ein in eine Reihe von Designern, die Otto Normalverbraucher als Modemacher sieht, und die mit dem eigentlichen Modegeschäft doch nur am Rande zu tun haben: Rudolph Moshammer, Michael Michalsky, auch der späte Wolfgang Joop. Sie alle verdienen weniger Geld mit dem Verkauf von Kleidern als mit Unterhaltung. Der Designer als Entertainer. In Deutschland finden wir das irgendwie schräg. In den USA hat niemand etwas dabei, wenn sich ein Michael Kors in eine Sendung wie Project Runway setzt. Was der Marke und dem Abverkauf seinerzeit sehr gut getan hat.
Das wird sich ändern. Dafür sorgt das Internet, wo Content, Commerce und Community eins sind. Insofern haben die Hausfrauenzeitschrift ‘Guido’ und das Hipster-Medium Highsnobiety mehr gemeinsam als man meint. In dem einen Fall wird ein Modemacher zum Medium, im anderen wird ein Medium zum Modeanbieter. Beide nutzen ihre Reichweite und Glaubwürdigkeit bei einer Zielgruppe, um Geschäft zu generieren.
Die TW befasst sich in der aktuellen Ausgabe ausführlich mit den Plänen von Highsnobiety-Gründer David Fischer. Natürlich ist der nicht so verrückt, klassisch Einzelhandel zu betreiben, sondern Highsnobiety soll zur Plattform für Drops, exklusive Kooperationen und Events werden. “Nie on Stock” statt “Never Out of Stock”, wie mein Ex-Kollege Tim Dörpmund sehr schön schreibt. Aber bei den vergleichsweise mickrigen Affiliate-Provisionen soll es halt eben nicht bleiben.
Es ist kein Zufall, dass es neue Player sind, die die alten Branchen-Grenzen aufbrechen. Sie denken von den Möglichkeiten des digitalen Mediums her. Highsnobiety ist da nur das aktuellste Beispiel. Auch 032c hat eine Modelinie gelauncht. Internationale Influencer wie Chiara Ferragni oder deutsche Blogs wie SoSue versuchen sich schon länger mit dem Verkauf von Klamotten. Ob und wie lange das alles funktioniert, wird man sehen. Die klassischen Verlage haben jedenfalls zu lange geschlafen, nicht groß genug gedacht, sich an Print geklammert, wo die Leser längst online gingen, und – wo sie nicht das journalistische Ethos hochgehalten haben – doch die notwendigen Investitionen und das Risiko gescheut. Schließlich hat man früher auch nicht dem Otto-Katalog Konkurrenz gemacht. Das Internet hat diese Grenze nun eingerissen. Net-a-porter war die Chance, die die Vogue vergeben hat. Conde Nasts Versuch, Style.com zum Internet-Kaufhaus auszubauen, kam dann zu spät und ist krachend gescheitert.
Auf der anderen Seite gibt es weniger Berührungsängste. Content zu produzieren ist im Zweifel auch leichter als Commerce zu initiieren. Jeder zweite Online Shop reichert sein Angebot durch redaktionelle Inhalte an, meist mehr schlecht als recht. Aber das bindet Aufmerksamkeit, die den etablierten Medien abgeht.
‘Guido’ erscheint als Print-Titel, natürlich. Von Anzeigenverkauf versteht man bei Gruner+Jahr ja etwas.
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