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Was bleibt von Mailand und Paris?

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Jür­gen Mül­ler

Erst­mal eine Gigan­to­mie, die die Appel­le vie­ler Krea­ti­ver, die Pan­de­mie-Pau­se als Chan­ce für einen Reset im Mode­zir­kus zu sehen, als das Wunsch­den­ken ent­larvt, das es immer war.

So lud Die­sel 4500 Zuschau­er ins Sta­di­on, eine Show, so auf­ge­bla­sen wie die rie­si­gen Pup­pen, die im Mit­tel­punkt des Gesche­hens stan­den. Mon­cler ließ zu sei­nem 70jährigen Jubi­lä­um 1952 Sta­tis­ten in sei­nen iko­ni­schen Dau­nen­ja­cken vor dem Mai­län­der Dom auf­mar­schie­ren, eine mili­tä­risch anmu­ten­de Cho­reo­gra­phie, die am Vor­abend der Wahl der ita­lie­ni­schen Post­fa­schis­ten beklem­men­de Gefüh­le bei vie­len der 18.000 (!)  Zuschau­er aus­lös­te. Boss ließ sei­ne Models vor fünf rie­si­gen Kugeln auf­tre­ten, in denen Moto­cross-Biker äußerst effekt­voll ihre lau­ten Run­den dreh­ten.

Und dann waren da so vie­le Cele­bri­ties wie nie. Bei Phil­ipp Plein trom­mel­te Möt­ley Crüe-Drum­mer und Ex-Pame­la Ander­son-Lover Tom­my Lee sich die See­le aus dem Leib. Auf dem Bal­main-Lauf­steg zeig­te Cher (76) weni­ger Fal­ten als Oli­vi­er Rouste­ing (36). Donatel­la Ver­sace ließ Paris Hil­ton als Bar­bie auf­lau­fen. Bei Dol­ce & Gab­ba­na stand eine Spa­ghet­ti mamp­fen­de Kim Kar­da­shi­an im Mit­tel­punkt. Und Bel­la Hadid ließ sich ein wei­ßes Kleid auf den nack­ten Leib spray­en. Ein tol­ler Effekt, der tage­lang in den sozia­len Medi­en zu bewun­dern war. Aber muss man sich des­we­gen jetzt den Namen Coper­ni mer­ken?

Die hef­tigs­ten Reak­tio­nen lös­te erneut Dem­na mit sei­ner Balen­cia­ga-Schlamm­schlacht aus. Braucht es, wo die Medi­en zur­zeit voll von mie­sen Nach­rich­ten sind, wirk­lich noch eine Moden­schau, um die Mensch­heit auf Krieg und Kli­ma­wan­del auf­merk­sam zu machen? Oder wird hier aus durch­sich­ti­gen Moti­ven ver­sucht, einer Mar­ke einen apo­ka­lyp­ti­schen Thrill mit­zu­ge­ben, der die sol­ven­ten und des­we­gen höchst­wahr­schein­lich auch in die­sem Win­ter im War­men sit­zen­den Mode­op­fer sich wie Mad Max füh­len lässt?

“Wir ver­kau­fen Träu­me, kei­ne Rea­li­tät. Soll ich ein Defi­lee mit Bom­ben­an­schlä­gen machen?“

Natür­lich inter­pre­tie­ren Mode­schöp­fer immer auch den Zeit­geist. Dem­nas Ansatz wirkt dabei wie die dys­to­pi­sche Anti­the­se zu Karl Lager­felds Dik­tum: „Mein Leben besteht dar­aus, Rea­li­tät zu idea­li­sie­ren, zu ver­schö­nern, zu ver­klä­ren”, sag­te der ein­mal. “Wir ver­kau­fen Träu­me, kei­ne Rea­li­tät. Soll ich ein Defi­lee mit Bom­ben­an­schlä­gen machen?“

Doch wer weiß, was bei Dem­na als Nächs­tes kommt. Kom­mer­zi­ell funk­tio­niert die pro­vo­kan­te Masche jeden­falls sehr gut. Balen­cia­ga ist Fashion­Net­work zufol­ge im ver­gan­ge­nen Jahr um 44% auf 1,19 Mil­li­ar­den Euro Umsatz gewach­sen und hat stol­ze 222 Mil­lio­nen net­to ver­dient. Ales­san­dro Miche­les Guc­ci-Zwil­lin­ge waren trotz­dem der wesent­lich sym­pa­thi­sche­re Wow-Effekt.

Und schließ­lich sorg­te Kanye West in Paris für Kra­wall. Ye, wie der Hip­hop-Star sich jetzt nennt, mach­te den Ope­ner bei Balen­cia­ga. Bei sei­ner eige­nen Show tat ihm Anna Win­tour dann den Gefal­len, die Front­row demons­tra­tiv zu ver­las­sen, weil sie nicht wie alle ande­ren Zuschau­er die mehr als ein­stün­di­ge Ver­spä­tung abwar­ten woll­te. Der ande­re Höhe­punkt der YZY­SZN9-Schau war ein T‑Shirt mit „White Lives matter“-Print, ein Slo­gan, den die Rech­te in den USA pro­pa­giert, was prompt zu der beab­sich­tig­ten Kon­tro­ver­se führ­te, die Ye mit pam­pi­gen Insta­gram-Posts zusätz­lich anheiz­te. Nach dem vor­zei­ti­gen Ende der Gap-Koope­ra­ti­on und sei­nen Aus­fäl­len gegen Yee­zy-Part­ner Adi­das gibt Kanye West den irr­lich­tern­den Bor­der­li­ner. Und zeigt, wo die Stol­per­fal­len bei Cele­bri­ty-Kol­lek­tio­nen lie­gen.

Natür­lich weckt die Reich­wei­te man­cher Pop­stars, Schau­spie­ler und Influen­cer kom­mer­zi­el­le Phan­ta­sien bei Mode­un­ter­neh­men. Aber nicht ohne Grund ver­zich­ten die risi­ko­aver­sen bör­sen­no­tier­ten Luxus­kon­zer­ne weit­ge­hend dar­auf, neue Mar­ken auf­zu­bau­en, die mit einem noch leben­den, poten­zi­ell unbe­re­chen­ba­ren Namens­ge­ber ver­bun­den sind. Statt des­sen pfle­gen sie lie­ber eta­blier­te Brands, die sie von wech­seln­den Desi­gnern neu inter­pre­tie­ren und aktu­ell auf­la­den las­sen.

Was also bleibt von Mai­land und Paris?

Es waren mehr denn je Mar­ken­schau­en – und weni­ger die Moden­schau­en, als die sich die Prä­sen­ta­tio­nen aus­ga­ben. Die Pre­mie­ren von Maxi­mi­li­an Davis bei Fer­ra­ga­mo, Mar­co De Vin­cen­zo bei Etro und Filip­po Gra­zio­li bei Mis­so­ni wur­den von Fach­leu­ten freund­lich zur Kennt­nis genom­men. Aber den Buzz erzeug­ten ande­re.