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G‑Star, Pharrell und die neuen Modemacher

PhotoDas ist doch mal ein Coup! Phar­rell Wil­liams steigt bei G‑Star ein. Jos van Til­burg, der das Unter­neh­men vor 27 Jah­ren gegrün­det hat, ist lucky und hap­py zugleich, dass der Welt­star zu ihm an Bord kommt. Gar­niert wird die Pres­se­mit­tei­lung mit dem obli­ga­to­ri­schen Pathos. Er sei über­zeugt, dass G‑Star die Jeans-Mar­ke des 21. Jahr­hun­derts sein wird, lässt Wil­liams ver­brei­ten. “Ich freue mich dar­auf, Teil die­ser Mis­si­on zu sein.” Gemein­sam wol­len die neu­en Part­ner nicht nur Hosen machen, son­dern “die Zukunft der Jeans neu erfin­den”. Was man halt so raus­haut, wenn einem die Brust vor Stolz fast platzt.

G‑Star bringt der Move neu­en Glanz. Der droh­te in letz­ter Zeit doch ein wenig zu ver­blas­sen. Es ist eine Wei­le her, dass die Hol­län­der zu den Magne­ten auf der Bread & But­ter zähl­ten. Zuletzt sorg­te eine Rest­pos­ten­ak­ti­on in Rewe-Super­märk­ten für Schlag­zei­len. Mit mar­kan­ten Tes­ti­mo­ni­als wie dem Schach-Groß­meis­ter Magnus Carlsen oder Kas­a­bi­an-Gitar­rist Ser­gio Pizzor­no dürf­ten vie­le G‑Star-Kun­den nicht all­zu viel anzu­fan­gen gewußt haben. Das ist bei Phar­rell Wil­liams natür­lich ganz anders. Der ist welt­be­kannt und posi­tiv posi­tio­niert – läs­sig, sexy, inno­va­tiv und öko­lo­gisch enga­giert. So wie sich G‑Star selbst auch sieht.

Aus Jos van Til­burgs Sicht ist die Unter­neh­mens­be­tei­li­gung ein Weg, den Super­star lang­fris­tig an G‑Star zu bin­den. Das Enga­ge­ment wirkt glaub­wür­di­ger als eine gewöhn­li­che Tes­ti­mo­ni­al-Kam­pa­gne, und Authen­ti­zi­tät, nicht wahr, wird in Jeanser-Krei­sen ja hoch bewer­tet. Ver­mut­lich han­delt es sich auch um eine cle­ve­re Form der Finan­zie­rung; nach Phar­rells Tages­satz fra­gen wir lie­ber nicht.

Der 42jährige tut mit der Betei­li­gung was für sei­ne Alters­vor­sor­ge. G‑Star wird in den letz­ten Jah­ren schließ­lich auch schon kein schlech­tes Invest­ment gewe­sen sein. Nicht zuletzt gehört es in US-Pop­star-Krei­sen zum guten Ton, sich unter­neh­me­risch zu betä­ti­gen. Die Mode­indus­trie ist dabei aus nahe­lie­gen­den Grün­den ein bevor­zug­tes Spiel­feld. Die Labels von Hip Hop-Stars wie Jay Z (Roca­wear), Sean Combs (Sean John) und das von Rus­sell Sim­mons gegrün­de­te “Phat Farm” sind für drei­stel­li­ge Mil­lio­nen­um­sät­ze gut. Gwen Ste­fa­ni ver­kauft ihr Label LAMB seit 13 Jah­ren. Jus­tin Tim­ber­la­ke macht mit einem Jugend­freund zusam­men “Wil­liam Rast”. Rob­bie Wil­liams ist mit “Far­rell” zunächst Plei­te gegan­gen; heu­te wird die Lizen­z­wa­re bei Pri­mark ver­kauft. Bono will mit “Edun” auch die Mode­welt ver­bes­sern. John Mal­ko­vichs “Tech­n­obo­he­mi­an”  ist wohl eher Hob­by als Geschäft. In Fach­krei­sen defi­ni­tiv Aner­ken­nung als Desi­gne­rin hat Vic­to­ria Beck­ham gefun­den, ihre Ver­gan­gen­heit als Posh Spi­ce ist dage­gen weit­ge­hend ver­blasst. Die Olsen-Zwil­lin­ge haben als Teen­ager Wal-Mart sei­ner­zeit einen Mil­li­ar­den­um­satz beschert. Heu­te sind sie mit “The Row” und “Eli­sa­beth and James” ernst­zu­neh­men­de Play­er im Mode­ge­schäft.

Das kann man von den meis­ten Cele­bri­ty-Kol­lek­tio­nen aller­dings nicht sagen. Der Nor­mal­fall ist, dass ein Star einer Mar­ke sein Gesicht leiht. Die Desi­gner-Tätig­keit beschränkt sich in aller Regel auf die Wahr­neh­mung von PR-Ter­mi­nen. Das funk­tio­niert aber auch so. Es ist eine poten­zi­el­le Win-Win-Situa­ti­on: Die Stars schla­gen aus ihrer Pro­mi­nenz Kapi­tal. Die Indus­trie nutzt vor­han­de­ne Images und spart sich den lang­wie­ri­gen und teu­ren Auf­bau eige­ner Mar­ken. Und die Kun­den freu­en sich an der Illu­si­on, mit dem Kauf eines Pro­duk­tes ihrem Idol näher zu sein.

Mit Cele­bri­ty-Kol­lek­tio­nen lässt sich von daher schnel­les Geld ver­die­nen. Oder wenigs­tens Auf­merk­sam­keit erzie­len. Dafür gibt es mas­sen­haft Bele­ge. Da sind die frü­hen Koope­ra­tio­nen von H&M mit Madon­na und Kylie Mino­gue. Die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Kate Moss und Top Shop hielt immer­hin über 14 Sai­sons. Ex-Model und Schau­spie­le­rin Mil­la Jovo­vich und spä­ter Moni­ca  und Pene­lo­pe Cruz “ent­war­fen” für Man­go. Amy Wine­house mach­te eine Kol­lek­ti­on für Fred Per­ry. S.Oliver hat für ein paar Sai­sons Ana­sta­cia vor den Kar­ren gespannt. Deich­mann brach­te die bra­ve Yvonne Cat­ter­feld und spä­ter die Pus­sy­cat Dolls an den Start. Selbst Tri­gema hat­te mal was mit Clau­dia Effen­berg.

Neu­er­dings drän­gen auch Mode­blog­ger mit ihrer Social Media-Power auf die­sen Markt. So hat Jes­si­ca Weiß (Jour­nel­les) unlängst eine klei­ne Kol­lek­ti­on gelauncht, Sarah Eich­horn (Josie Loves) eine Kol­lek­ti­on für Pas­sig­at­ti ent­wi­ckelt und Elin Kling Cap­su­le Coll­ec­tions für Brands wie H&M oder Guess gestal­tet. Han­ne­li Mus­tapar­ta macht neu­er­dings Schu­he für Deich­mann, und Chia­ra Fer­rag­ni (The Blon­de Salad) ist neu­er­dings euro­päi­sche Mar­ken­bot­schaf­te­rin von Ama­zon. Es funk­tio­niert offen­bar auch ohne Kol­lek­ti­on. Im Mode­ge­schäft ver­su­chen sich nicht zuletzt medi­en­prä­sen­te Models wie Lily Cole oder Clau­dia Schif­fer und Sän­ge­rin­nen wie Bey­on­cé und Rihan­na. Und natür­lich die wofür auch immer berühm­ten IT-Girls wie Oli­via Paler­mo, Nicky Hil­ton, Ale­xa Chung oder Nico­le Rit­chie.

Dass Stars ihren guten Namen auch auf ande­ren Fel­dern zu Geld machen wol­len, ist übri­gens kein neu­es Phä­no­men. Twig­gy hat es in den 60ern mit einer eige­nen Kol­lek­ti­on ver­sucht. Paul New­mans Dosen­sup­pen hal­ten sich seit 20 Jah­ren in den Rega­len. Die “Jaclyn Smith Coll­ec­tion” der “Drei Engel für Charlie”-Darstellerin ist seit über 30 Jah­ren am Markt. Björn Borg ist heu­te ein bör­sen­no­tier­tes Unter­neh­men.

Die Wäh­rung in die­sem Geschäft ist Medi­en­prä­senz. Stern­chen wie Paris Hil­ton und all die ande­ren sai­so­nal ange­sag­ten IT-Girls bezie­hen dar­aus ihre Daseins­be­rech­ti­gung. Instyle & Co brei­ten die Pro­mi-Looks vor ihren Lese­rin­nen aus. Auf den Par­ty-Sei­ten von Gala und Bun­te steht nicht nur, wer mit wem geflir­tet hat, son­dern auch wor­in. Mit Pro­mi­fo­tos sam­meln Bild.de und selbst News­sei­ten wie Spie­gel Online die meis­ten Klicks. Die Mar­ken nut­zen Medi­en­events mit Pro­mi-Fak­tor, um sich zu posi­tio­nie­ren. Hugo Boss rich­tet seit Jah­ren die gla­mou­rö­ses­te Par­ty der Ber­li­na­le aus. Pra­da segelt beim America’s Cup mit. Bei der Fuß­ball-WM spie­len nicht nur Natio­nal­mann­schaf­ten, son­dern auch Nike, Adi­das und Puma gegen­ein­an­der. Die anste­hen­de Oscar-Ver­lei­hung ist auch ein Lauf­steg der Luxus-Aus­stat­ter. Die Medi­en­re­so­nanz der Aca­de­my Awards und damit deren Rele­vanz fürs Mode­mar­ke­ting über­trifft die der Pari­ser Hau­te Cou­ture-Schau­en bei wei­tem.

Wer mag es den Cele­bri­ties ver­den­ken, dass sie ihr Image nicht mehr nur ande­ren Mar­ken lei­hen, son­dern selbst ein Geschäft dar­aus machen wol­len? Es taugt nur nicht jeder zur Stil-Iko­ne. Figu­ren wie René Lacos­te und Fred Per­ry sind die Aus­nah­me. Boris Becker hat als Ein­zel­spie­ler häu­fi­ger Wim­ble­don gewon­nen, sei­ne Mode woll­te des­we­gen trotz­dem kei­ner kau­fen. Wer erin­nert sich noch an die Wäsche von Vero­na Feld­busch? Wer mag sich noch dar­an erin­nern? Wer heu­te in ist, kann mor­gen eben­so schnell wie­der out sein.

Idea­ler­wei­se sind Mode­ma­cher selbst Pop­stars. Der pro­fes­sio­nel­le Umgang mit den Medi­en gehört heu­te eben­so zum Geschäft wie der mit dem Zei­chen­stift. Karl Lager­feld und Wolf­gang Joop sind für ihre elo­quen­ten Auf­trit­te min­des­tens so bekannt wie für ihre Kol­lek­tio­nen. Tom Ford ist selbst sein bes­tes Model. Sei­ne Auf­trit­te bei Pro­ject Run­way haben das gran­dio­se Come­back von Micha­el Kors extrem beför­dert. Die­se Mode­ma­cher haben wegen ihres pro­fes­sio­nel­len Hin­ter­grun­des eine ganz ande­re Glaub­wür­dig­keit in Stil­fra­gen als Schau­spie­ler und Sän­ger. Auf­ge­klär­te Kun­den wer­den vie­le Cele­bri­ty-Pro­duk­te ohne­hin als Mar­ke­ting-Gags anse­hen, die meist ihren Preis nicht wert sind. Kurz­fris­tig lässt sich damit Geld machen. Und sicher Auf­merk­sam­keit erzie­len. Lang­fris­tig wer­den sich aber die wenigs­ten Kol­lek­tio­nen durch­set­zen. Ein berühm­ter Name reicht nicht aus, um Beklei­dung zu ver­kau­fen. Am Ende, im Laden, kommt es immer auf die Ware an.

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