Zu Rana Plaza ist alles gesagt. Ob alles getan wurde, dass sich so eine Katastrophe nicht wiederholt, ist indes fraglich. Den Druck aufrecht erhalten wollen Initiativen wie der "Fashion Revolution Day". Der findet heute, am Jahrestag des Fabrikeinsturzes in Dhaka, zum zweiten Mal statt.
Menschen in 68 Ländern sollen sich an Aktionen, Workshops und Flashmobs beteiligen. Und ein Selfie von sich posten mit auf links gedrehter Kleidung, sichtbarem "Made in"-Etikett und der Frage "Who made my clothes?". Es geht darum, alle zusammenzubringen, die an eine nachhaltige Modeindustrie glauben und das Bewußtsein für die wahren Kosten der Mode zu schärfen.
Das ist ehrenwert. Irgendetwas muss man schließlich tun angesichts des Elends. Was es bringt, ist eine andere Frage. Das Problembewußtsein mag durch solche Initiativen geschärft werden, zumindest für einen Moment. Aber was dann? Wer erinnert sich noch, worum es bei der Ice Bucket Challenge ging? Den Menschen in Bangladesch ist mit einem Tweet nicht geholfen. Dem eigenen Gewissen schon.
Es ist zudem eine Minderheit, die sich da zu Wort meldet. Für Stirnrunzeln beim Risikomanagement reicht es allemal. Der "Fashion Revolution Day" hat knapp 17.000 Freunde auf Facebook. Primark hat mehr als 4 Millionen.
Fällt die Fashion Revolution also aus?
Mitnichten. Wir stecken mitten drin. Nur sieht diese Revolution ganz anders aus, als sich das der Nachhaltigkeits-Revolutionsrat vorstellt.
Die Revolution betrifft die Art und Weise wie Mode und Trends entstehen. Die Digitalisierung sorgt für eine Demokratisierung dieses Prozesses. Das Modediktat liegt nicht mehr in der Hand weniger Modeschöpfer, sondern der modische Meinungsbildungsprozess verläuft multipolar, er verlagert sich von den Produzenten, Händlern und Modemedien immer stärker hin zu den Konsumenten. Jeder, der einen Internet-Zugang hat, kann dabei mitwirken. Die Forderung nach Sustainability ist da nur ein Aspekt, und leider nicht der wichtigste.
Über den globalen Laufsteg im Internet verbreiten sich Trends zudem heute schneller als früher, zugleich verkürzt sich deren Halbwertszeit, wahrscheinlich gibt es auch eine globale Angleichung von modischen Entwicklungen.
Die Revolution betrifft zweitens die Methoden, wie Mode vermarktet und vertrieben wird. Die Digitalisierung spielt eine disruptive Rolle in Marketing und Vertrieb. Das spüren die klassischen Medien. Und darunter leidet der stationäre Handel.
Online Einkaufen hat nicht nur mit Verfügbarkeit und Bequemlichkeit, sondern auch und vor allem mit niedrigen Preisen zu tun. Die absolute Preistransparenz im Netz sorgt für den größten anzunehmenden Wettbewerb. Als Folge steigt der Kostendruck in der Supply Chain und der Zwang zur Vertikalisierung. All das spricht nicht dafür, dass der Spielraum für soziale Wohltaten in den Beschaffungsländern morgen größer sein wird.
Im Internet sind mehr Quadratmeter dazugekommen, als die ECE jemals bauen wird können. Dieser Wettbewerb ist die Ursache für den seit Jahren zu beobachtenden Preisverfall bei Bekleidung, nicht etwa ein nachlassendes Interesse an Mode. Dass Mode nicht mehr den Stellenwert wie früher hat, ist ein Märchen. Die Leute kaufen billiger, weil es billiger geht.
Wahrscheinlich haben sich im Gegenteil noch nie zuvor so viele Menschen für Mode- und Lifestyle-Themen interessiert wie heute. Das Internet hat modische Informationen global verfügbarer und die Diskussion darüber leichter gemacht. Das ist nicht unbedingt eine gute Nachricht für alle, die damit Geld verdienen wollen. Das Bekenntnis zu Brands ist nicht mehr zwangsläufig an deren Besitz gekoppelt. Um sich in seiner Peer Group zu positionieren, muss man Produkte nicht mehr kaufen. Es reicht, Fotos in Instagram oder Pinterest zu posten oder Marken in Facebook zu liken.
Die Mode ist nicht tot, wie Li Edelkoort neulich publikumswirksam beklagt hat. Am Sterben sind die alten Mechanismen des Modesystems – die Art und Weise, wie Trends entstehen und kommuniziert werden. Es verändern sich die Methoden, wie Mode entwickelt, vermarktet und vertrieben wird. Die Revolution betrifft nicht zuletzt die Produkte selbst – sie bekommen als Wearables neue Funktionen.
Es wird Zufall sein: Aber heute – am Fashion Revolution Day – kommt auch die Apple Watch in den Verkauf.