Früher war es das Wetter, heute ist es das Internet. Wenn weniger Leute in die Läden kommen und sich die Kassenlage entsprechend entwickelt, trägt heutzutage nicht mehr Petrus die Schuld – zumindest nicht er allein – sondern immer häufiger Bezos. Und es ist ja tatsächlich so: Wenn einem Garhammer in Waldkirchen der Marktanteil von P&C bisher relativ schnuppe sein konnte, muss ihn das schnell wachsende Geschäft von Zalando heute sehr wohl kümmern. Es ist eine diffuse Bedrohung, allerdings eine mit sehr konkreten Folgen. Und ähnlich wie das Wetter kann man es nicht ändern. Sondern sich nur auf die Entwicklung einstellen.
Welches Ausmaß der Onlinehandel heute schon hat, wie stark das Wachstum und wie groß der Marktanteil irgendwann mal sein wird, darüber wird in den einschlägigen Kreisen eifrig diskutiert, und jeder, der sich berufen fühlt, lanciert eine Studie dazu. Das ist letztlich müßig. Statistiken sind ohnehin nur Erhebungen, die der Vertiefung bedürfen. Sie dienen vor allem dazu, ein Thema zu adressieren. Jüngstes Beispiel ist der in dieser Woche veröffentlichte Online-Monitor 2018 des Handelsverbands HDE, der einen sehr bündigen Überblick gibt, und dem wir jetzt einfach mal glauben wollen. Die wesentlichen Ergebnisse:
- Der deutsche Onlinehandel wuchs 2017 erneut zweistellig: um 10,5% bzw. 4,7 Milliarden auf 48,9 Milliarden Euro. Der Marktanteil des Vertriebskanals am Einzelhandel hat sich damit seit 2010 mehr als verdoppelt. Er liegt aktuell bei 9,5%. Für 2018 erwartet der HDE eine anhaltende Dynamik. Es sei keine Sättigungsgrenze in Sicht.
- 2017 wurde Mode für 12,3 Milliarden Euro übers Internet verkauft. Jeder vierte Euro für Bekleidung wird mittlerweile online ausgegeben. Während der stationäre Modehandel im vergangenen Jahr 1,5% Umsatz verloren hat, ist der Online-Kanal um 10,5% gewachsen. Fashion zählt nach wie vor zu den Wachstumstreibern im Internet.
- Der stärkste Wachstumsimpuls kommt von Amazon. Der US-Gigant konnte seinen Handelsumsatz um 1,1 Milliarden und das Marketplace-Geschäft um 2,1 Milliarden Euro ausbauen. Auf Amazon allein entfallen 2017 (inklusive Marketplace) bereits 46%, also fast die Hälfte des gesamten Onlineumsatzes in Deutschland.
- Über die Hälfte des über Amazon abgewickelten Volumens entfällt mittlerweile auf den Marketplace. Der HDE schätzt, dass davon wiederum die Hälfte von stationären Händlern generiert wird. Insbesondere für kleinere Mittelständler ist der Online-Marktplatz mittlerweile ein relevanter Vertriebskanal.
- Insgesamt holt der stationäre Handel im Internet auf und baut seinen Marktanteil aus. Im Modebereich liegt der Anteil der originär stationären Modehändler bei 25,3% gegenüber 27,4% der Pure Player. Jeder dritte Online-Euro (34%) landet in den Kassen der Versender, immerhin 13,4% entfallen auf den Online-Direktvertrieb der Industrie.
- Zwei von drei Deutschen (64,8%) kaufen mittlerweile im Internet, 7% mehr als noch vor einem Jahr. Im Schnitt gibt jeder 1227 Euro im Jahr für Nonfood-Artikel aus. Das stärkste Nachfragewachstum gibt es in der 60+ Generation (+44%). Die Onlineaffinität ist in Bayern und Baden-Württemberg am höchsten und in Ostdeutschland tendenziell am niedrigsten.
- Fast 30 Prozent des Onlineumsatzes werden heute via Smartphone erzielt, was weniger verwundert als die Tatsache, dass damit überwiegend von zuhause aus bestellt wird. Es erscheint zudem absurd, da diese Mobil-Kunden offenbar deutlich unzufriedener mit dem Kauferlebnis sind.
Noch dabei? Wer’s ganz genau wissen will, kann die Studie hier downloaden.
Die Online-Konkurrenz betrifft im Übrigen nicht nur den mittelständischen Multilabel-Fachhandel, sondern die rasant wachsenden Player wie Boohoo, Asos oder Zalando setzen auch Anbieter wie H&M und Zara unter Druck. Die Pure Player sind vielfach schneller und schlanker unterwegs als die vertikalen Formate, die den Modemarkt in den letzten 20 Jahren aufgemischt haben; sie zwingen deren Filialsysteme in eine komplexitäts- und kostentreibende Omnichannel-Struktur. Das kann der eine aufgrund seines organisatorischen Set-ups und der höheren Preis-Positionierung besser abfedern als der andere. Für einen Primark lohnt sich das Online-Geschäft gleich gar nicht, da liegen die Handlingskosten häufig über dem Preis der Ware. Player wie Boohoo setzen anders als die stationären Fast Fashion-Riesen auf absatzmarktnahe Beschaffung, auf maximale Automatisierung, KI und digitale Tools in der Supply Chain. Das ermöglicht nicht nur kürzere Leadtimes, sondern ersetzt Arbeitsplätze in der Lieferkette. Die größte Bedrohung für Fast Fashion ist Faster Fashion, hat BoF neulich sehr richtig getitelt, nicht etwa die zunehmenden Restriktionen aus der Sustainability-Ecke. Die Fashion Revolution passiert anders als die Initiatoren der Fashion Revolution Week sich das vorstellen.
Über die Fashion-Ambitionen von Amazon habe ich mich hinlänglich ausgelassen. Tatsächlich scheint das Modegeschäft für Amazon in Europa noch hinterherzuhinken, wie das Wall Street Journal dieser Tage berichtete. Während Amazons Anteil am Fashion Online-Umsatz in den USA bei sage und schreibe 35% liegt, sind es in Europa lediglich 8%.
Soll uns das beruhigen?
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