Samstag, 1. Mai. Es ist kein Zufall, dass Galeria Karstadt Kaufhof diese Woche die Öffentlichkeit suchte. Ab sofort gilt die Insolvenzanzeigepflicht wieder, und damit tickt die Uhr für etliche vom Lockdown betroffenen Einzelhändler. GKK-CEO Miguel Müllenbach hatte am Mittwoch gegenüber der BILD-Zeitung angedeutet, dass man erneut nach staatlicher Unterstützung rufen wird müssen. Das Unternehmen hatte erst vor wenigen Monaten einen Rettungskredit von bis zu 460 Millionen Euro erhalten. Jetzt wird die Finanzierungslücke mit weiteren 200 Millionen taxiert. Das Manager-Magazin zitiert einen Brief Müllenbachs an die Mitarbeiter: „Es ist schon ausgesprochen paradox, dass wir zwar dankenswerterweise von der Bundesrepublik Deutschland einen verzinsten Kredit zur Überbrückung bekommen haben, wir aber gleichzeitig durch den fortgesetzten und aus meiner Sicht nicht mehr alternativlosen Lockdown daran gehindert werden, das notwendige Geld für Zins und Tilgung zu verdienen.“
Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, der bekanntlich nicht nur bei GKK involviert ist, schlägt im Interview mit dem Manager-Magazin ebenfalls Alarm: Mittelfristig seien mehr als die Hälfte aller Einzelhändler von einer Insolvenz bedroht. Die meisten überlebten die Krise nicht, ohne Fremdkapital aufzunehmen. Damit gingen sie geschwächt aus dieser Krise hervor. Der Staat müsse helfen, so Geiwitz: „Wenn der Bund einzelnen Branchen temporär Ihren Beruf verbietet, um die Allgemeinheit zu schützen, dann ist das natürlich völlig legitim. Nur ist es dann auch an der Politik und der Allgemeinheit, diese Branchen nicht mit einer erdrückenden Schuldenlast zurückzulassen.“
Da hat Geiwitz Recht. Im Fall von GKK melden sich freilich erneut kritische Stimmen. „Das wäre verbranntes Geld, das der Staat nie wiedersehen wird“, sagt etwa der BWL-Professor Martin Fassnacht im Gespräch mit Business Insider. „Das sind keine guten Nachrichten für die Beschäftigten und es tut mir leid, dies so drastisch sagen zu müssen, aber das Konzept GKK ist nicht mehr überlebensfähig.“
Die Antwort der Regierung steht noch aus. Im Wahljahr dürfte die Politik die 20.000 GKK-Mitarbeitenden jedoch kaum hängen lassen.
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Dienstag, 4. Mai. Um 3.200 Arbeitsplätze geht es bei Adler. Den 140 Filialen drohe das endgültige Aus, warnt das Management in einer dramatischen Pressekonferenz. Überbrückungshilfen seien nicht ausbezahlt worden, zudem bestehe ein Finanzierungsbedarf von weiteren 10 Millionen Euro. „Es fehlt am Wollen der Bundesregierung. Das führt dazu, dass Frau Merkel ihre persönlichen Arbeitslosen produziert“, so Insolvenzverwalter Christian Gerloff laut TW. Die Nerven liegen blank.
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Mittwoch, 5. Mai. Anita Tillmann verkündet die Absage der Frankfurt Fashion Week (FFW) für Juli. Es haben sich offensichtlich zu wenige Aussteller gefunden, die angesichts der ungewissen Pandemieentwicklung mit den Reise- und Kontaktbeschränkungen bei gleichzeitig extremem Kostendruck sich zur Messe-Premiere in Frankfurt committen wollten. "Es bricht mir das Herz. Machen wir uns nichts vor, für die Fashionbranche ist das dramatisch."
Es ist vor allem für Premium und Neonyt dramatisch. Es ist die dritte Absage in Folge, und das in dem extrem sensiblen Moment nach dem Frankfurt-Umzugsbeschluss. Wenn die neue Modemesse am Main im Januar 2022 das erste Mal stattfindet, werden wir zwei Jahre lang keine große deutsche Modemesse besucht haben. Wer weiß, ob die Branche sich bis dahin nicht mit den etablierten regionalen Orderveranstaltungen in Düsseldorf und München, mit internationalen Plattformen wie dem Pitti Uomo und digitalen Informations- und Ordermöglichkeiten arrangiert hat. Die Digital Fashion Week hat gerade ihren Termin nach hinten verlegt und überschneidet sich jetzt mit dem Online-Event FFW Studio der Frankfurter. Initiator Fashion Cloud hat zudem die Messeveranstalter CIFF aus Kopenhagen und Modefabriek aus Amsterdam mit an Bord genommen, was der Veranstaltung zusätzliche Schlagkraft geben wird.
Andererseits birgt der zeitliche Abstand der FFW zu Berlin die Chance, etwas wirklich Neues aus der Taufe zu heben. Warten wir ab, was die Frankfurter auf die Beine stellen werden.
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Donnerstag, 6. Mai. Inditex wurde wie viele andere internationale Retailer hart von der Pandemie getroffen. Es reicht für das Geschäftsjahr 2020 trotzdem für eine Ausschüttung von 646 Millionen Euro an Zara-Gründer Amancio Ortega. Vielleicht sollten GKK und Adler mal in Spanien vorsprechen.
Auch Jeff Bezos hat 2 Milliarden Dollar flüssig gemacht, mit Aktienverkäufen. Der Amazon-Kurs war während der Corona-Pandemie durch die Decke gegangen. Das Unternehmen verzeichnete vier Quartale hintereinander Rekordgewinne und stellte 500.000 neue Mitarbeitende ein. In Deutschland wuchs Amazon im vergangenen Jahr um 30% auf 25,9 Milliarden Euro. Und schaffte es, trotzdem Verlust zu machen, weshalb auch keine Körperschaftssteuer an den Staat überwiesen werden musste.
Steueroptimierung ist natürlich legitim. Aber Europa dermaßen die Arschkarte zu zeigen, ist dann doch eine Provokation, die nach einer Antwort schreit. Auch im Interesse vieler hiesiger Firmen, die nicht die Gewinnverlagerungsmöglichkeiten eines Global Players haben, ist es höchste Zeit, dass die Politik dieser Wettbewerbsverzerrung einen Riegel vorschiebt.