Es ist Fashion Revolution Week. Wer hat’s gemerkt? Es ist merkwürdig still geblieben in der diesjährigen Aktionswoche. Das mag damit zusammenhängen, dass die Menschen zurzeit anderes umtreibt: die iranische Attacke auf Israel, der Krieg in Gaza, Putins Überfall auf die Ukraine. Deutschland ist international Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum. Die Ampel streitet übers Geld und was auch immer. Bayern verbietet das Gendern und Cannabis in Biergärten. Trump und Höcke stehen vor Gericht. Und dann war auch noch Champions League. Wenigstens da gab es gute Nachrichten.
Vielleicht erklärt sich die schwache Resonanz aber auch so, dass sich die Konsumpräferenzen bei vielen Menschen verschoben haben. Die Lebenshaltungskosten sind rasant gestiegen. Und wer zusehen muss, wie er selbst über die Runden kommt, kann sich um das Schicksal asiatischer Näherinnen nicht allzu viele Gedanken machen.
Die Fashion Revolution Week erinnert bekanntlich an die Rana Plaza-Katastrophe in Bangladesch. Elf Jahre ist das inzwischen her. Es war der Weckruf für das Bekleidungsbusiness, dass in der Supply Chain auch Sozial- und Umweltstandards einzuhalten sind. Seither haben wir uns auf unzähligen Branchenpodien gegenseitig erzählt, wie furchtbar alles ist. Mode gilt heute vielen nicht mehr als glamouröses, sondern auch als schmutziges Geschäft. Insofern haben die Aktivisten im Verbund mit den Medien einiges erreicht. Weil die Öffentlichkeit mittlerweile für das Thema sensibilisiert ist, reagiert die Politik. Deutschland und die EU greifen immer stärker ein und zwingen die Unternehmen zu kostentreibenden Dokumentationen und Kontrollen.
Bisweilen treibt die Reglementierung aber auch arge Blüten. Wie etwa die Fast Fashion-Sondersteuer, die zurzeit in Frankreich diskutiert wird – Populismus meets Protektionismus. Es würde schon reichen, wenn Zollbestimmungen geändert würden und die chinesische Konkurrenz sich an dieselben Standards wie die hiesigen Importeure halten müssten. „Die Politik macht sich bei dem Thema einen extrem schlanken Fuß“, kritisierte Kik-Chef Patrick Zahn neulich bei Markus Lanz.
Nachhaltigkeit wird über kurz oder lang zu einem Hygienefaktor im Modebusiness, der von den Unternehmen buchstäblich einzukalkulieren ist.
Trotzdem ist in Sachen Sustainability in den vergangenen Jahren viel passiert. Vielleicht keine Revolution, wohl aber eine Evolution. Natürlich gibt es in der Branche immer noch diejenigen, die das Thema negieren. Weil es den meisten Kunden herzlich egal sei, unter welchen Bedingungen Ware produziert wurde, sie schon gar nicht höhere Preise bezahlen wollen und stattdessen lieber Schrott bei Shein kaufen. So in etwa die Argumentation.
Die Progressiven haben sich indes längst auf den Weg gemacht. Sei es, um sich zu profilieren, oder auch nur, weil es das Risikomanagement heutzutage verlangt. Wir sind in Sachen Sustainability freilich längst nicht am Ende. Das werden wir nie sein, so lange wir globale Lieferketten haben und 'Mode' – also die gefühlte Alterung eigentlich noch tragbarer Bekleidung durch sich verändernde Trends und Geschmacksmuster – der Treiber dieses Geschäfts ist. So gesehen ist so etwas wie 'nachhaltige Mode' ein Widerspruch in sich. Vielleicht sollten wir besser von 'verantwortungsbewusster Mode' sprechen.
Fest steht: Der sozial und ökologisch verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen wird über kurz oder lang zu einem Hygienefaktor im Modebusiness, der von den Unternehmen buchstäblich einzukalkulieren ist. Vielleicht braucht diese Erkenntnis dann auch keine Erinnerung durch eine Fashion Revolution Week mehr.
+++++
Und sonst?
….. hebt Adidas seine Prognose fürs Geschäftsjahr an. Das rosa Auswärtstrikot entpuppt sich offenbar als Renner. Gut, dass der DFB seine Entscheidung, das umstrittene Leibchen vom Markt zu nehmen, dann doch revidiert hat.
….. „Ich habe keine Angst, eine Party zu verpassen. Ich bin die Party“, sagte Roberto Cavalli einst. Seit vergangenem Freitag feiert der Designer im Himmel.
….. „Ich kann bestätigen, dass es für das nordamerikanische Geschäft keine Pläne gibt, Insolvenz anzumelden", so Esprit-CEO William Pak in WWD. Die Formulierung ist möglicherweise der Übersetzung geschuldet. Andererseits: Dass Insolvenzen geplant werden, ist neuerdings bekanntlich nicht mehr unüblich. Die Schließungen in der Schweiz und in Belgien sind womöglich Vorbereitungen einer größeren Veränderung. Laut TW gibt es Übernahmegespräche für das europäische Esprit-Business.