„Ein bisschen Diktatur hat der Textilbranche noch nie geschadet“, zitiert die TW diese Woche einen Gesprächspartner in ihrem Rückblick auf das türkische Referendum. Das mag politisch inkorrekt sein, weshalb der Experte namentlich nicht genannt werden wollte. Abgesehen davon hat er recht. Erdogan hin oder her – Hauptsache, die Rahmenbedingungen sind verlässlich stabil. Das werden sie eher früher als später wieder sein, allein schon, weil alle Beteiligten – Produzenten und Abnehmer – ein hohes wirtschaftliches Interesse daran haben. Nicht auszudenken, wenn die NGOs demnächst demokratische Verhältnisse in ihre CSR-Forderungskataloge aufnehmen würden. Der mit knapp 175 Milliarden US-Dollar mit weitem Abstand weltgrößte Bekleidungsexporteur China ist zwar eine Volksrepublik, das Volk hat dort indes nicht viel zu melden. Auch Vietnam wird von einer kommunistischen Einheitspartei regiert. Und Bangladesch ist zwar formal eine Demokratie, das hindert die Regierung trotzdem nicht daran, Arbeitnehmerrechte mit Füßen zu treten.
Ab kommenden Montag ist übrigens wieder Fashion Revolution Week. Die Initiative wurde als Reaktion auf die Rana Plaza-Katastrophe vor vier Jahren gegründet und setzt sich für mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Ethik im Modebusiness ein. Zum Jahrestag am 24. April sollen die sozialen Netzwerke geflutet werden mit Selfies von Menschen, die ihre Kleidung auf Links drehen und das „Made in…“-Etikett zeigen. #whomademyclothes. Aktionen und Events in über 90 Ländern sollen das Thema ins öffentliche Bewußtsein bringen. Da bleibt noch Einiges zu tun. Die Fashion Revolution Week hat 60.000 Fans auf Facebook, Primark bald 5 Millionen.
Die eigentliche Fashion Revolution findet denn auch woanders statt. Darüber habe ich mich vor zwei Jahren bereits ausgelassen. Es ist die Digitalisierung, die die Art und Weise verändert, wie Trends entstehen und kommuniziert werden. Die Digitalisierung verändert die Methoden, wie Mode entwickelt, vermarktet und vertrieben wird. Die digitale Revolution betrifft nicht zuletzt die Produkte selbst – sie bekommen als Wearables neue Funktionen.
Dazu passt die Nachricht dieser Woche, nach der Amazon nun ein Patent zur Fertigung von Mode auf Abruf erhalten hat – ein voll automatisiertes Produktionssystem, das die Fertigung von Bekleidung auf Bestellung ohne menschliches Zutun organisiert. Warum entwickelt eigentlich Amazon so etwas und nicht etwa Hugo Boss? Oder wenigstens Inditex?
Das eine oder andere Start-up wie beispielsweise Sewbo tummelt sich in diesem Bereich. Adidas gehört zu den wenigen etablierten Bekleidungsanbietern, die sich Gedanken über wirklich neue Produktionsmethoden gemacht haben. Sehr smart der "Knit for You"-Pop up Store, den die Herzogenauracher im Rahmen ihres Storefactory-Forschungsprojekts für ein paar Monate im Bikini Berlin eröffnet hatten. Die Kunden konnten dort Pullover designen und in wenigen Stunden vor Ort gleich produzieren lassen. Relevanter noch die Speedfactorys, die Adidas derzeit global ausrollt. Die Hightech-Fabriken sollen schneller, individueller und näher am Kunden produzieren. Der Pilot startete Ende 2015 im bayrischen Ansbach. In der für die zweite Jahreshälfte in Atlanta geplanten Speedfactory sollen mittelfristig eine halbe Million Paar Schuhe hergestellt werden.
Über diese Renaissance der hiesigen Produktion sollte man sich indes nicht zu früh freuen. Die Fabriken werden nur wenigen Spezialisten einen Arbeitsplatz bieten. In Atlanta sind es 160. Wieviele Stellen dafür mal in Asien einspart werden, ist nicht bekannt. Das dürfte den NGOs dann auch wieder nicht recht sein.
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Und sonst? Meldet die TW in ihrer Unternehmensberichterstattung überwiegend Pluszahlen. Bis man zur Umsatzberichterstattung aus dem Einzelhandel umblättert…
So legt Zalando im ersten Quartal um 22 bis 24 Prozent zu. Der Kurs bricht trotzdem ein. Die Analysten hatten mehr erwartet. Ja kriegen die den Hals denn nicht voll?
Puma wächst um 15 Prozent, was Björn Gulden zu einer Anhebung der Prognose für 2017 veranlasst. Da spielt gar keine Rolle, dass Rihanna keine Sportlerin ist.
Prada wächst um 13 Prozent. Aber leider nur im Wholesale. Der Retail brach um 14 Prozent ein, was die Umsätze insgesamt 10 Prozent unter Vorjahr fallen hat lassen. Patrizio Bertelli will nun das Geschäft mit Multilabel-Stores wieder forcieren. Vor allem mit denen im Internet.
Und schließlich steigert Ivanka Trump ihren Umsatz um 60%. Die Kollektion muss voll auf den Punkt gewesen sein.