Der Einzelhandel müsste die Demos gegen Rechts eigentlich gut finden. So voll ist es in vielen Innenstädten lange nicht gewesen. An den Aktionstagen Ende vergangener Woche lagen die Frequenzen laut Hystreet-Index im Schnitt zweistellig über Vorjahr, am Sonntag waren es sogar 20%. Schade nur, dass da die Läden nicht auf hatten. T‑Shirts mit FCK AFD oder EkelhAFD-Aufdruck wären bestimmt der Renner gewesen.
Doch im Ernst: Die Leute kamen ja zum Demonstrieren und nicht zum Konsumieren. Wer vergleichsweise Profanes wie Shopping im Sinn hatte, wird das Verkehrschaos gemieden haben. Ohnehin hatten die TV-Wetterfrösche die Menschen wegen des erwarteten Blitzeises zum Daheimbleiben aufgefordert. So blieben die Umsätze des stationären Modehandels in der vergangenen Woche laut TW 6 Prozent unter Vorjahr.
Rückläufige Frequenzen sind seit der Corona-Krise ohnehin ein Riesen-Problem für den Innenstadt-Handel. Die Leute haben sich daran gewöhnt, dass vieles online vom heimischen Sofa aus geht. Mancherorts haben auch Stadtteillagen und Wohnorte im Speckgürtel der Großstädte profitiert – der vielbeschriebene Donut-Effekt. Der City-Einzelhandel muss zusehen, wie er mit weniger Kunden mehr Geschäft macht. Gleichzeitig wollen viele Läden mit weniger Ware mehr Umsatz machen. Der Spielraum für höhere Preise und Trading up ist indes begrenzt. Die Mode-Budgets der meisten Kunden sind kleiner geworden, und die Konkurrenz sitzt heutzutage in jeder Hosentasche und nur einen Klick entfernt.
Umso ärgerlicher ist es, wenn zusätzliche Hürden aufgebaut werden. Etwa durch eine allzu restriktive Verkehrspolitik. Oder Traktoren. Auch der Lokführer-Streik dürfte sich auf die Frequenzen auswirken. Man versteht die Leute nicht, die in Passantenbefragungen Verständnis für die GdL-Erpressung zeigen. Denn am Ende werden sie es sein, die höhere Ticketpreise bezahlen werden müssen. Aber sich über die Klimakleber aufregen. Dagegen verursachen die Lokführer einen volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe, und das alles für den Nachruhm eines Gewerkschaftsführers. Eine Arbeitszeitverkürzung zu fordern in einer Situation, wo Fachkräfte immer knapper werden, ist widersinnig. Man mag geteilter Meinung sein, ob ganz Deutschland sich in einer Krise befindet. Die Bahn ist es definitiv. Bislang ist aber noch keine Krise durch weniger Arbeiten bewältigt worden…
Jetzt ist die Tastatur aber mit mir durchgegangen. Wir sind hier ja nicht bei proschaffner.de, sondern bei profashionals.de.
Die selbsternannte Alternative für Deutschland ist keine. Nur eine Alternative für Dummköpfe.
Zurück also zum Thema. Die Demos gegen Rechts mag der eine oder andere Ladenbetreiber als geschäftsschädigend empfinden. Noch viel geschäftsschädigender wäre es indes, wenn in Deutschland Rechtsradikale und Populisten das Sagen hätten. Darauf hat Michael Hüter in einem viel kommentierten LinkedIn Post hingewiesen. „Wir brauchen Offenheit statt Abschottung“, so der DIW-Präsident, „auch ökonomisch. Nur wenn sich Menschen unabhängig von ihrer Herkunft hierzulande wohlfühlen, entstehen neue Ideen. Mehr als jede zehnte Patentanmeldung ging 2019 auf Menschen mit ausländischen Wurzeln zurück. Und nur offene Grenzen sichern unseren Wohlstand. Setzten die Populisten ihre Dexit- und Euro-Ausstiegs-Fantastereien um, werden uns die heutigen Herausforderungen noch klein vorkommen. Ohne die EU steht das deutsche Exportmodell unmittelbar vor dem Kollaps, wie wir angesichts unseres demografischen Problems ohne Zuwanderung auskommen, wird für immer Rätsel der AfD bleiben. Eine Partei, die das nicht versteht, verfügt nicht über Wirtschaftskompetenz.“
Man muss nicht befürworten, was die Ampel treibt. Deren Politik ist für den Aufstieg der AfD mit verantwortlich. Aber die selbsternannte Alternative für Deutschland ist keine. Nur eine Alternative für Dummköpfe. Es ist gut, wenn sich Unternehmer und Top-Manager jetzt entsprechend zu Wort melden. Traditionell scheut man in der Wirtschaft ja eine politische Positionierung, weil man Kunden und Mitarbeitende nicht verprellen möchte. Dafür hat man ja die Verbände. Gleichzeitig nutzt man jede Gelegenheit, sich öffentlich als sozial engagiert, liberal und divers in Szene zu setzen. Jetzt geht es darum, auch in einer wirklich entscheidenden Frage Haltung zu zeigen. Dass es für manchen LinkedIn-Poser dabei auch um personal branding geht – geschenkt.
Manche Ladenbetreiber hatten ihre Geschäfte an den Demo-Tagen übrigens vorzeitig geschlossen. Hoffentlich, weil sie selbst zur Demo wollten.