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Das Drama im Handel

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Jür­gen Mül­ler

Es kann einem schon aufs Gemüt schla­gen, wenn man die Nach­rich­ten aus dem sta­tio­nä­ren Ein­zel­han­del hört. Zu P&C ist alles gesagt, und das so ziem­lich von jedem. Die Insol­venz der TK Fashion Group mit 22 Filia­len war dage­gen nur eine Rand­no­tiz, aber kaum weni­ger alar­mie­rend für die 135 Beschäf­tig­ten.

Ein beson­ders kata­stro­pha­les Bild gibt zur­zeit der Schuh­han­del ab. Jedes ach­te Schuh­ge­schäft hat im ver­gan­ge­nen Jahr geschlos­sen, ver­kün­de­te der BTE neu­lich anläss­lich der Mes­se in Düs­sel­dorf. Die­se Woche wur­de die Insol­venz über Sala­man­der und Klau­ser mit 95 Läden und 950 Mit­ar­bei­tern eröff­net. Es hält sich hart­nä­ckig das Gerücht, die Mar­ke ste­he zum Ver­kauf und lan­de mög­li­cher­wei­se bei Deich­mann. Eben­falls die­se Woche: die Plei­te von Shoe­pas­si­on. Eine Nach­richt, die sich ein­reiht in die Insol­ven­zen der ver­gan­ge­nen Mona­te: der Filia­list Schuh Oase, der Camel Acti­ve-Lizenz­neh­mer HS Foot­wear, der Ver­sand­händ­ler Gebr. Götz.

Und dann ist da natür­lich noch Görtz. Das war mal der P&C der Schuh­bran­che, jetzt ist noch die Hälf­te der zuletzt 160 Filia­len übrig. Vor zehn Jah­ren waren es noch 250, die Zahl der Mit­ar­bei­ter schrumpf­te seit­her von 3700 auf zuletzt 1800. Die­se Woche wur­de jetzt mit Für­der­hin eine neue Gesell­schaf­te­rin ein­ge­tra­gen, die sämt­li­che Antei­le über­nimmt. Hin­ter der Betei­li­gungs­ge­sell­schaft steht das Münch­ner Ehe­paar von Wan­gen­heim, das zuvor schon bei dem Ham­bur­ger Schuh­händ­ler inves­tiert war. Auch die Geschäfts­füh­rung bleibt die­sel­be. Ob davon ein Auf­bruchs­si­gnal aus­geht?

Last but not least wur­de die­se Woche der nächs­te Akt im Gale­ria-Dra­ma eröff­net. Der Insol­venz­plan sieht einen weit­ge­hen­den For­de­rungs­ver­zicht der Gläu­bi­ger sowie die Schlie­ßung von 52 der 129 Filia­len vor. Jetzt beginnt das Gescha­che­re. Fünf Häu­ser wur­den ges­tern schon mal “geret­tet”. Die Lust der Ver­mie­ter, sich ein wei­te­res Mal erpres­sen zu las­sen, dürf­te indes nicht all­zu groß sein. Ins­be­son­de­re dort, wo sich Alter­na­ti­ven anbie­ten. So will Fried­rich-Wil­helm Göbel bis zu 25 Stand­or­te für Aache­ner über­neh­men. „Leip­zig, Dort­mund und Bre­men zum Bei­spiel“, so der Unter­neh­mer in der TW. “Es ist mir, ohne die exak­ten Details zu ken­nen, nicht ersicht­lich, war­um an die­sen Stand­or­ten ein gut geführ­tes Kauf­haus nicht funk­tio­nie­ren soll­te.“ Ger­rit Hei­ne­mann sekun­diert via Han­dels­blatt: „Die Lis­ten, wel­che Häu­ser geschlos­sen wer­den und wel­che nicht, sind über­haupt nicht kon­sis­tent und nicht nach­voll­zieh­bar.“

Kunde: ‚Darf ich Sie was fragen?‘ Verkäufer (genervt): ‚Ick arbeite hier!‘

Nach­dem die Schlie­ßungs­lis­te nun öffent­lich ist, ist der Auf­schrei in den betrof­fe­nen Kom­mu­nen laut. Aber es hilft ja nichts. Man wird sich vie­ler­orts damit abfin­den müs­sen, dass es in der Fuß­gän­ger­zo­ne eben kein Waren­haus mehr gibt. Der Spie­gel bringt aus die­sem Anlass die unver­meid­li­chen Kauf­haus-Nach­ru­fe und lässt die Mit­ar­bei­ter sei­nes Kul­tur­res­sorts (!) „Abschied von Kon­sum- und Kind­heits­er­in­ne­run­gen und sozia­len Uto­pie­ver­spre­chen“ neh­men. Das klingt im Bei­trag von Ste­fan Kuz­ma­ny über das Ein­kaufs­er­leb­nis bei Kar­stadt am Her­mann­platz dann so: “Kun­de: ‚Darf ich Sie was fra­gen?‘ Ver­käu­fer (genervt): ‚Ick arbei­te hier!‘” Eine Anek­do­te, die zugleich einen Teil des Pro­blems beschreibt.

Die ent­schei­den­de Fra­ge ist: Wie sieht das Waren­haus der Zukunft aus? In Inter­views hat­ten die Waren­haus-CEOs dar­auf stets eine Ant­wort. Aber ganz offen­sicht­lich hat in Essen und Köln am Ende nie­mand die­sen hei­li­gen Gral des Ein­zel­han­dels gefun­den. Und der Insol­venz­plan lie­fert dazu jetzt auch nicht mehr als die bekann­ten All­ge­mein­plät­ze, wie Hagen Sei­del in der TW aus­führt. Hat jemand was ande­res erwar­tet?

Par­al­lel dazu wur­de die­se Woche bekannt, dass René Ben­ko die Hälf­te der Kade­We-Immo­bi­lie an sei­nen thai­län­di­schen Joint-ven­ture-Part­ner Cen­trum abgibt. Natür­lich bemüht man sich, die­se Trans­ak­ti­on als busi­ness as usu­al dar­zu­stel­len. Aber der Erlös dürf­te dem Gale­ria-Inha­ber zur­zeit sehr will­kom­men sein. Dass die KaDe­We Group ihre Früh­jahrs-Kam­pa­gne mit „Sym­pho­nie der Eupho­rie“ beti­telt, hat ange­sichts der Mise­re in den Fuß­gän­ger­zo­nen frei­lich etwas von Pfei­fen im Wal­de.

Wer in all dem Han­dels-Elend nach Licht­bli­cken sucht, dem sei die eben­falls die­se Woche vor­ge­leg­te Indi­tex-Bilanz emp­foh­len. 2022 ver­buch­ten die Spa­ni­er Rekord­ergeb­nis­se: 17,5% Umsatz­zu­wachs, ein um 29% gestie­ge­nes EBIT, eine Net­to­um­satz­ren­di­te von 12,6%. Die teu­re Ver­kaufs­flä­che schrumpf­te um 6%, das bes­ser ska­lier­ba­re Onlin­ege­schäft wuchs dafür um 18%.

Ingre­di­en­zen die­ses Erfol­ges sind: trend­ge­rech­te, sich stän­dig erneu­ern­de Sor­ti­men­te, die die qua­li­ta­ti­ven Ansprü­che einer mode­inter­es­sier­ten Kund­schaft tref­fen. Eine Mar­ken­po­si­tio­nie­rung, die Mode in den Vor­der­grund stellt und nicht den Preis, wes­halb Preis­er­hö­hun­gen für Zara & Co leich­ter durch­setz­bar sind als für ande­re. Eine ver­ti­ka­le Orga­ni­sa­ti­on, die Ware schnell und effi­zi­ent beschafft und in den Ver­kauf bringt. Ein POS, der sta­tio­när wie online sta­te of the art ist und der kanal­über­grei­fen­des Shop­ping sehr selbst­ver­ständ­lich ermög­licht. Dahin­ter ste­hen kom­pe­ten­te Teams, eine Kul­tur, die glei­cher­ma­ßen offen für Krea­ti­vi­tät und Tech­no­lo­gie ist und eine Füh­rung, die die Finanz­kraft des Kon­zerns rich­tig ein­zu­set­zen ver­steht.

Schon klar, dass das alles schnell hin­ge­schrie­ben ist. Es gibt auch nicht nur die­sen einen Weg. Zugleich hat der Erfolg des einen immer auch mit der Schwä­che des ande­ren zu tun. Und natür­lich pro­fi­tiert ein Indi­tex von sei­ner Inter­na­tio­na­li­tät und hat sich in Deutsch­land mög­li­cher­wei­se auch schwe­rer getan als anders­wo. Aber die dyna­mi­sche Ent­wick­lung die­ses Unter­neh­mens zeigt, dass im Mode­han­del immer noch was geht und mit­nich­ten der Unter­gang einer gan­zen Bran­che bevor­steht.

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4 Antworten zu “Das Drama im Handel

  1. Mann muß das Rad nicht neu erfin­den .Es gibt in Deutsch­land sehr Erfolg­rei­che Ein­zel­händ­ler in allen Umsatz­grö­ßen. Es steht jedem frei sich zu infor­mie­ren was da rich­tig läuft .

  2. Wir spre­chen ja nicht nur über Gale­ria – son­dern auch von Necker­mann, Quel­le, Her­tie, Hor­ten, Kar­stadt (Wer­ner Otto hat das Expe­ri­ment mit den sta­tio­nä­ren Häu­sern schon 19973 been­det).
    Neben dem Wan­del der Gesell­schaft und durch Online (hier muss man aller­dings die 7–10%, abzie­hen die der Ver­sand­han­del in Deutsch­land umsetz­te) liegt es wesent­lich am Miss­ma­nage­ment seit Wal­ter Deuss und Tho­mas Mid­del­hoff.
    Die waren mit ihrer Hybris beschäf­tigt, statt gute Kon­zep­te umzu­set­zen. Die­se lagen bereits in den 1990er Jah­ren reich­lich in den Schub­la­den oder wur­den wie IPURI (das sich P&C mit Gewalt ein­ver­leibt – sie­he http://www.ipuri.de) nur zag­haft umge­setzt.
    Und natür­lich an den Unter­neh­mern, die sich offen­sicht­lich berei­chern woll­ten wie Josef Anto­ni­us Esch, Nico­las Berg­grün oder jetzt Signa und ihre Aktio­nä­re.
    Etli­che Lie­fe­ran­ten sehen ja durch­aus Chan­cen: und zwar nicht nur für Wäsche und Arti­kel­be­rei­che, die sich für Online nicht loh­nen wie Kurz­wa­ren, son­dern auch für die unte­re Mit­tel­klas­se (man nann­te sie auch mal Säu­len der Gesell­schaft). Eine gro­ße Chan­ce wäre auch rund um das The­ma Resour­cing. Damit spre­chen wir über über hie­si­ge Mode­mar­ken. Die pro­du­zie­ren zwar kaum noch selbst und schon gar nicht hier­zu­lan­de, erwirt­schaf­ten aber den­noch Mil­li­ar­den. Aber auch sie sind durch Finan­cial Engi­nee­ring geschwächt wor­den. Ein Groß­teil der guten deut­schen Mode­mar­ken wur­de an Pri­va­te Equi­ty Unter­neh­men ver­kauft und muss­te den Kauf­preis zusätz­lich ver­die­nen. Geld, das für Pro­dukt­ent­wick­lung und Mar­ken­auf­bau fehlt. Und so schwä­chelt die Mode in Deutsch­land.
    Blei­ben bald nur noch Mil­li­ar­den-Kon­zer­ne übrig? Ob (Ultra)Fast-Fashion Anbie­ter oder Luxus-Mar­ken. Die immer wei­ter an der Preis­schrau­be dre­hen und so 2022 Ebit-Mar­gen von 42,1% (Her­mès), 41,4% (LVMH)) oder 36,5% (Guc­ci) erreich­ten.
    Als ich 1995 beim Beklei­dungs­haus Bruns anfing, wur­den Unter­neh­men mit 1,5 bis 3% Gewinn wohl­ha­bend gewor­den, heu­te wer­den Unter­neh­men „saniert“ weil sie „nur” 8 bis 9% erwirt­schaf­ten. Man will Ren­di­ten, wie die offen­bar Digi­tal mög­lich sind. Das ist auch einer der ent­schei­de­nen Grün­den, war­um die Digi­ta­li­sie­rung so stark vor­an­ge­trie­ben wird.

  3. Das Dra­ma im Han­del ist groß … aber war es nicht irgend­wie abzu­se­hen?
    Das Leben ist ein stän­di­ger Wan­del und eine stän­di­ge Wei­ter­ent­wick­lung, das liest man ja schon in den Geschichts­bü­chern.
    In unse­rer aktu­el­len Zeit ändert sich alles immer schnel­ler, da ist schnel­les Han­deln und das Ent­wi­ckeln und Umset­zen neu­er Ideen umso wich­ti­ger!
    Kon­zep­te, die da ein­fach nicht mit­ma­chen (kön­nen, wol­len oder aus wel­chem Grund auch immer) ver­lie­ren irgend­wann auto­ma­tisch an Rele­vanz. Das ist mei­ner Mei­nung nach eine Selbst­er­fül­len­de Pro­phe­zei­ung!!!
    … und mei­ner Mei­nung nach auch völ­lig in Ord­nung, denn so wird wie­der Platz für ganz neue Ideen und Kon­zep­te geschaf­fen, die jetzt genau rich­tig für den Markt und für uns alle sind :)!!!

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