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Befreiung von Benko

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Jür­gen Mül­ler

Mitt­ler­wei­le ist es fast lang­wei­lig gewor­den, schon wie­der über die Zukunft von Gale­ria spe­ku­lie­ren zu müs­sen. Zumal Exper­te Hinz und Bera­ter Kunz sich in den ver­gan­ge­nen Wochen medi­al breit­flä­chig dazu aus­ge­las­sen haben. Mög­li­cher­wei­se hat sich auch der eine oder ande­re Leser an die­ser Stel­le bereits ver­ab­schie­det. Aber es ist dann halt doch das Ereig­nis die­ser Woche, wenn­gleich nach dem Signa-Zusam­men­bruch kein über­ra­schen­des mehr.

Als lang­jäh­ri­ger Beob­ach­ter der Han­dels­sze­ne ist man geneigt, sich der „Deckel drauf“-Fraktion anzu­schlie­ßen. „Die Insol­venz wird bei Gale­ria offen­bar mitt­ler­wei­le als Geschäfts­mo­dell gese­hen“, läs­tert etwa Ger­rit Hei­ne­mann im Spie­gel. „Die­ses Geschäfts­mo­dell ist am Ende“, ver­kün­det der Han­dels­pro­fes­sor seit Wochen auf allen Kanä­len. Als Steu­er­zah­ler, des­sen Geld von Gale­ria in Form von hoch neun­stel­li­gen Über­brü­ckungs­hil­fen und Insol­venz­gel­dern ver­brannt wur­de, wird man ihm bei­pflich­ten und einen Schluss­strich befür­wor­ten. Eben­so als Ein­zel­händ­ler, der sich zu Recht dar­über ärgert, dass der Staat dem Kon­kur­ren­ten nun das drit­te Jahr in Fol­ge ein Vier­tel sei­ner Per­so­nal­kos­ten abnimmt und damit den Wett­be­werb ver­zerrt.

Ande­rer­seits ver­steht man die Gale­ria-Mit­ar­bei­ter, die um ihren Arbeits­platz ban­gen. Nur gut, dass die kei­ne Trak­to­ren und auch kein Inter­es­se haben, die Fuß­gän­ger­zo­ne zu blo­ckie­ren. Ver­ständ­lich sind auch die Leer­stands-Sor­gen der Kom­mu­nen. Die Gale­ria-Lie­fe­ran­ten sind teil­wei­se so ver­zwei­felt, dass sie sich sogar mit einem win­di­gen Part­ner wie Aache­ner ein­las­sen, um nicht den Zugang zu man­chen Stand­or­ten zu ver­lie­ren. Die anste­hen­de Order­run­de in Essen wird für die Ver­triebs­ver­ant­wort­li­chen in der Indus­trie eine Glei­chung mit extrem vie­len Unbe­kann­ten wer­den.

Dass das Gale­ria-Manage­ment mit dem Insol­venz­ver­wal­ter expli­zit eine Fort­füh­rung anpeilt, ist natür­lich eben­so zu ver­ste­hen. Es geht auch um die eige­nen Pfrün­de. So bemüht man sich, die Kri­se als Chan­ce zu ver­kau­fen und spricht von einer Befrei­ung von Ben­ko. Als sei­en Wucher­mie­ten das ein­zi­ge Pro­blem der Waren­häu­ser gewe­sen. Dabei gibt es Bele­ge dafür, dass die Betriebs­form – gut gemacht – sehr wohl eine Exis­tenz­be­rech­ti­gung hat. Nur eben nicht über­all mit dem­sel­ben Kon­zept, und womög­lich auch nicht mehr unter Gale­ria-Flag­ge.

Ob sich ein Inves­tor fin­det, der bereit ist, das gesam­te Unter­neh­men inklu­si­ve der zuneh­mend dys­funk­tio­na­len Zen­tra­le zu über­neh­men? Man wird sehen. Sehr wahr­schein­lich ist das bei der der­zei­ti­gen Markt­la­ge nicht. Man kann nur hof­fen, dass der Zuschlag nicht an einen der Lei­chen­fled­de­rer geht, die es in der Finanz­in­ves­to­ren­sze­ne ja eben­falls gibt.

Wahr­schein­li­cher ist, dass ein­zel­ne Häu­ser oder Fili­al­pa­ke­te an Mit­be­wer­ber gehen. Es gibt sta­tio­när ja nach wie vor vie­le expan­si­ve Play­er. Die­se wer­den aber kaum die schlech­tes­ten Stand­or­te über­neh­men wol­len (was die Basis von Gale­ria nur wei­ter ero­die­ren las­sen wür­de). Man darf davon aus­ge­hen, dass es bereits im Vor­feld des Insol­venz­an­trags ent­spre­chen­de Son­die­rungs­ge­sprä­che gege­ben hat. Wahr­schein­lich auch mit P&C, was eine Erklä­rung für die Über­nah­me-Ente sein könn­te, mit der BILD Ende Dezem­ber die Öffent­lich­keit über­rasch­te. Zumin­dest ein ganz klein wenig über­rasch­te. Denn mitt­ler­wei­le haben wir in die­ser Bran­che gelernt, grund­sätz­lich alles für mög­lich zu hal­ten.

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2 Antworten zu “Befreiung von Benko

  1. Als ich 1966 mei­ne Leh­re beim Kauf­hof in Frankfurt/Main auf der Zeil begann, war das ein erfolg­rei­ches Unter­neh­men. Die Aus­bil­dung war gut und umfas­send, 56 Lehr­lin­ge, wie man uns damals nann­te, waren wir in einer Aus­bil­dungs­stu­fe – ins­ge­samt gab es damals 143 Lehr­lin­ge die gleich­zei­tig ihre Aus­bil­dung zum Ein­zel­han­dels­kauf­mann gemacht haben. Der Ver­kaufs­flä­chen waren voll mit Ware und Kun­den. Den­noch zog es mich nach der Leh­re sofort in den Fach­han­del.
    Ich habe die Waren­häu­ser über Jahr­zehn­te als Mit­be­wer­ber beob­ach­tet und ana­ly­siert. Ich hat­te spä­ter diver­se Ange­bo­te vom Kauf­hof und Kar­stadt eine Auf­ga­be im Vor­stand zu über­neh­men – die auf­ge­ru­fe­nen Ver­dienst­mög­lich­kei­ten mit zusätz­li­chen Ren­ten­an­sprü­chen und wei­te­ren Leis­tun­gen wie einen per­sön­li­chen Fah­rer waren ver­lo­ckend – aber die Auf­ga­be hat mich nach reif­li­cher Über­le­gung nicht begeis­tert. Schon damals war abseh­bar, das die­ses Kon­zept kei­ne Zukunft hat­te. Zu unbe­weg­lich, schwer zu füh­ren und sehr in der ehe­mals erfolg­rei­chen Ver­gan­gen­heit ver­haf­tet war das Unter­neh­men und die Ent­schei­dungs­trä­ger. Alles was danach pas­sier­te hat­te nichts damit zu tuen das Geschäft, die Filia­len und Ver­kaufs­flä­chen dem Bedarf und sei­nen Kun­den anzu­pas­sen. Man kann die­ses Kon­zept in der jet­zi­gen Struk­tur nicht mehr so umbau­en das es erfolg­reich ist. So bit­ter es für die noch ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­ter ist, die sind an dem Desas­ter nicht schuld – es gibt kei­ne Hoff­nung mehr für die­ses Geschäfts­mo­dell. Das ist aber kei­ne neue Erkennt­nis, das ist allen Fach­leu­ten aus der Bran­che schon lan­ge klar. Bit­te kein Steu­er­geld mehr ver­bren­nen, es gibt sinn­vol­le­re Aus­ga­ben.

  2. ISCH OVER! .….… (unser bes­ter Herr Schäb­le)
    I’ve lived a life that’s full
    I tra­ve­led each and every high­way
    And more, much more
    I did it, I did it my way…

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