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Der P&C‑Schock

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Jür­gen Mül­ler

Kaum ein Gespräch die­se Woche, in dem es nicht um P&C ging. Die Nach­richt am ver­gan­ge­nen Frei­tag war für die gesam­te Bran­che ein Schock, der immer noch anhält. Dass P&C unter den Schutz­schirm schlüp­fen wür­de, kam nicht nur über­ra­schend, es hat sich auch nie­mand vor­stel­len kön­nen, dass es jemals so weit kommt.

P&C ist seit Jahr­zehn­ten eine fes­te Grö­ße im deut­schen Tex­til­ein­zel­han­del. In den Füh­rungs­eta­gen von Han­del und Indus­trie sit­zen etli­che Mana­ger, die durch die P&C‑Schule gegan­gen sind, für die die­ses Unter­neh­men ein Teil ihres Lebens dar­stellt, mit dem sie nicht sel­ten gol­de­ne Zei­ten ver­bin­den. Und auch wenn der Nim­bus in den ver­gan­ge­nen Jah­ren am Ver­blas­sen war, galt P&C für den Fach­han­del immer noch als eine Bench­mark – ein Play­er, wo man hin­ge­schaut hat.

Man wuss­te, dass die Geschäf­te in Düs­sel­dorf zuletzt nicht gut lie­fen. Der Umsatz war mit Coro­na ein­ge­bro­chen und ein drei­stel­li­ger Mil­lio­nen­ver­lust auf­ge­lau­fen. Aber Lock­downs, Lie­fer­ket­ten­pro­ble­me und Infla­ti­on haben alle im Markt getrof­fen, und vie­le Händ­ler – gera­de im ger­ne tot­ge­sag­ten Mul­ti­la­bel-Seg­ment – haben sich in der Kri­se erstaun­lich resi­li­ent gezeigt. Dass aus­ge­rech­net der lang­jäh­ri­ge, meist hoch­pro­fi­ta­ble Bran­chen­pri­mus dem Bei­spiel der seit 30 Jah­ren tau­meln­den Waren­haus­kon­zer­ne fol­gen wür­de, schien undenk­bar.

Es ist ganz offen­sicht­lich ein von lan­ger Hand geplan­ter Schritt, der mit bemer­kens­wer­ter Kalt­blü­tig­keit aus­ge­führt wird. Dafür spricht auch das Timing. Zum Sai­son­start sind die Läger voll, wir sind in einer Full­pri­ce-Pha­se, gleich­zei­tig müs­sen Rech­nun­gen bezahlt wer­den. Per­so­nal­kos­ten wer­den nun für drei Mona­te vom Steu­er­zah­ler über­nom­men. In der Düs­sel­dor­fer Zen­tra­le dro­hen har­te Schnit­te. Dass am Diens­tag nahe­zu die kom­plet­te Füh­rungs­eta­ge raus­ge­schmis­sen wur­de, ist nicht nur ope­ra­tiv pro­ble­ma­tisch. Es ist auch ein angst­ein­flös­sen­des Signal an den Rest der Orga­ni­sa­ti­on, dass vor nie­man­dem Halt gemacht wird.

Die rabia­te Ent­schei­dung der Inha­ber betrifft die Mit­ar­bei­ter. Und sie trifft die Lie­fe­ran­ten, die jetzt noch mehr Umsatz im Feu­er ste­hen haben als nach Gale­ria ohne­hin schon. Angeb­lich sol­len sie ihr Geld bekom­men, das Ziel sei vor allem, sich der zuletzt mas­siv gestie­ge­nen Bank­schul­den zu ent­le­di­gen, will die TW erfah­ren haben. Es wird neben Cost Cut­ting aber auch um stra­te­gi­sche Anpas­sun­gen gehen. Ins­be­son­de­re die Rol­le des defi­zi­tä­ren Online-Kanals scheint neu bewer­tet zu wer­den, wenn man den Äuße­run­gen des erst im Janu­ar in Düs­sel­dorf ein­ge­stie­ge­nen Geschäfts­füh­rers Tho­mas Freu­de folgt.

Inwie­weit all dies in Zusam­men­hang mit der seit gerau­mer Zeit betrie­be­nen Neu­ord­nung von Gesell­schaf­ter­ver­hält­nis­sen und der Ver­la­ge­rung von Unter­neh­mens­tei­len in die Schweiz steht, dar­über lässt sich nur spe­ku­lie­ren. Eine schö­ne Recher­che-Auf­ga­be für Inves­ti­ga­tiv-Repor­ter.

Es wäre kein Wunder, wenn der Fall des stationären Branchenprimus im Multilabel-Fachhandel womöglich bestehende Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells schüren würde.

Die Clop­pen­burgs sind als Unter­neh­mer seit jeher mit har­ten Ban­da­gen unter­wegs. Mit der jetzt ange­sto­ße­nen Sanie­rung bestä­tigt sich zugleich der Ein­druck, dass an der Ber­li­ner Allee kein pas­sio­nier­ter Ein­zel­händ­ler, son­dern ein macht­be­wuss­ter Ver­mö­gens­ver­wal­ter resi­diert. Was man in Düs­sel­dorf mög­li­cher­wei­se unter­schätzt, sind der Repu­ta­ti­ons­scha­den und der Ver­trau­ens­ver­lust, der sich jetzt ein­stellt: Bei den Mit­ar­bei­tern, die an einen siche­ren Arbeits­platz glaub­ten. Bei den Part­nern, die auf die Soli­di­tät und Boni­tät ihres Groß­kun­den bau­ten. Bei den Ban­ken und Kre­dit­ge­bern, auf deren Good­will P&C auch künf­tig ange­wie­sen sein wird.

Die Geld­ge­ber agie­ren im Übri­gen zur­zeit auch in ande­ren Fäl­len restrik­tiv. Allein die­se Woche kün­dig­te die Otto Group die Abwick­lung des Omnich­an­nel-For­mats Mytoys und des Online-Schuh­händ­lers Mira­po­do an. Kel­ler Sports geht vom Netz. Die Non­food-Dis­coun­ter Mäc­geiz und Pfen­nig­pfeif­fer ste­hen Medi­en­be­rich­ten zufol­ge zum Ver­kauf und über 300 Stand­or­te in Deutsch­land damit zur Dis­po­si­ti­on. Alles Hin­wei­se, dass Inves­to­ren und Port­fo­lio­ma­na­ger im Ein­zel­han­del die Zeit zum Auf­räu­men gekom­men sehen.

Es wäre kein Wun­der, wenn der Fall des sta­tio­nä­ren Bran­chen­pri­mus im Mul­ti­la­bel-Fach­han­del womög­lich bestehen­de Zwei­fel an der Zukunfts­fä­hig­keit des eige­nen Geschäfts­mo­dells schü­ren wür­de. Die­se sind berech­tigt, soweit es um anony­me Fili­al­for­ma­te geht, die ihr Heil wie anno dazu­mal im Ein­kauf und in Ska­len­ef­fek­ten suchen und es an Schnel­lig­keit, Fle­xi­bi­li­tät und Kun­den­nä­he mis­sen las­sen. Das kön­nen Ama­zon oder Zara bes­ser. Inso­fern darf man gespannt sein, wie sich P&C nach der Sanie­rung auf­stellt.

Die Zwei­fel sind weni­ger berech­tigt, wo lokal ver­an­ker­te Unter­neh­mer kun­den­nah ope­rie­ren und in ihren Häu­sern span­nen­de Ange­bo­te und Ein­kaufs­er­leb­nis­se bie­ten, die man bei der ver­ti­ka­len oder digi­ta­len Kon­kur­renz so nicht fin­det.

Das muss man kön­nen. Und das muss man wol­len.

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4 Antworten zu “Der P&C‑Schock

  1. Wie soll ein Unter­neh­men erfolg­reich am Markt agie­ren, wenn sich die Kapi­tä­ne nicht über den Kurs einig sind?

    Da mag Coro­na, Lock Down und fal­sche Online­stra­te­gie sei­nen nicht uner­heb­li­chen Bei­trag leis­ten, Ursa­che der Mise­re sind aber ande­re The­men:

    Der eine Clop­pen­burg sucht sein Heil in der Unter­neh­mens­ver­la­ge­rung ( Stich­wort Schweiz ) und in der Kon­so­li­die­rung des Ver­mö­gens, ande­re Tei­le der Fami­lie beäu­gen dies mit Miss­trau­en.

    Letz­te Woche Moment­auf­nah­me in Wien: P&C Maria Hil­fer Stra­ße: Chrom­stän­der wie vor 25 Jah­ren, Ber­ge von Ware ohne zugäng­li­ches VM. Gar­niert von eini­gen Mar­ken­shops, die es auf die­ser Stra­ße in diver­sen Grö­ßen auch anders­wo zu sehen gibt.

    Durch­gän­gig Rot­prei­se, ist dies die rich­ti­ge Stra­te­gie um in die neue Sai­son ein­zu­stei­gen?

    Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter fokus­siert auf Rack Jobbing.…Kunde wird lie­ber “über­se­hen”.

    Hin­zu kommt: P&C mag in Deutsch­land ein Local Hero sein, in Süd­deutsch­land ist er nie gelan­det. Bei­spiel MünchenP&C POS? Fehl­an­zei­ge. Macht eine deutsch­land­wei­te Online­be­spie­lung halt auch nicht ein­fa­cher.

    Trau­rig wenn dann der/die Unter­neh­mer den Steu­er­zah­ler die Sup­pe aus­löf­feln las­sen oder wenigs­tens teil­wei­se.

    Span­nend wenn das Schutz­schirm­ver­fah­ren abge­schlos­sen ist: Lie­fe­ran­ten­kre­di­te ( Ware ), ope­ra­ti­ves Cash, Kre­dit­ver­si­che­rer?

    Mitarbeiter/Personal ?

    Hin­ter allem steckt die Ver­trau­ens­fra­ge, die mei­ner Mei­nung das Unter­neh­men in hohem Mas­se ver­spielt hat.

  2. Die letz­ten bei­den Sät­ze sind die bes­ten …. Brin­gen alles auf den Punkt!
    Das Wort zum Sonn­tag!

  3. Dein Kom­men­tar lässt an Klar­heit nicht zu Wün­schen übrig. In guten Zei­ten, die Erträ­ge mit­neh­men – in schlech­ten Zei­ten Ver­lus­te sozia­li­sie­ren. Das Strick­mus­ter kann­te man bis­her von run­ter­ge­wirt­schaf­te­ten und zu Las­ten der Mit­ar­bei­ter und Lie­fe­ran­ten aus­ge­plün­der­ten Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten. Jetzt neu auch Vor­bild, für Unter­neh­mer­fa­mi­li­en! Als jemand, der in har­ten Zei­ten, auch schon mal Haus (Pri­vat­haus) und Hof ver­pfän­det hat­te, kommt mir das Kot­zen. Wo bleibt die Hal­tung? Wo die Ver­ant­wor­tung für sein Manage­ment-Team, für sei­ne Mit­ar­bei­ter, für sei­ne Part­ner? Jetzt weiß zumin­dest jeder Part­ner und Mit­ar­bei­ter, mit wel­cher Kalt­blü­tig­keit er zu tun hat, und kann das ein­prei­sen. #Zei­ten­wen­de

  4. …auf den Punkt. Und end­lich mal kei­ne Feh­ler­ana­ly­se und Pole­mik basie­rend auf “rudi­men­tä­rem Halb­wis­sen” von außen. Denn wich­ti­ger ist in der Tat die Betrach­tung des Gesamt­kon­tex­tes und der Blick auf die Zukunft der Bran­che.

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