Spkatja

Die Krise der Großen…

…ist die Chance der Kleinen, meint Sabine Spieler. Wenn sie flexibel auf die Kundenbedürfnisse eingehen. Auch und gerade in modischer Hinsicht.
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Sabi­ne Spie­ler

Wenn wir über die Kri­sen bei P&C und Gale­ria spre­chen, geht es nicht nur um das The­ma E‑Commerce, in das bei­de Han­dels­un­ter­neh­men zu spät inves­tiert haben. Son­dern auch um Sor­ti­men­te und die Art und Wei­se, wie die­se den Kun­den nahe­ge­bracht wer­den. Es ist seit vie­len Jah­ren klar, dass die Zei­ten von Mas­sen­kon­sum mit aus­tausch­ba­ren Sta­peln von Meri­no Fein­strick-Pull­overn, Tischen mit geleg­ten Rund­hals-Shirts und Stan­gen mit schwar­zen Stepp­ja­cken defi­ni­tiv ihrem Ende ent­ge­gen gehen. Mode und Visu­al Mer­chan­di­sing müs­sen Hand in Hand gehen – und eine gemein­sa­me, kla­re Spra­che spre­chen. Nicht ohne Grund sind genau jene Unter­neh­men am Strau­cheln, die über Jahr­zehn­te mit ihrem Best­sel­ler­ma­nage­ment ihre Flä­chen Monat für Monat mit Rin­gel­shirts und ande­ren Basics voll­ge­stopft haben.

Die Ein­käu­fe­rin­nen und Ein­käu­fer von P&C waren bekannt dafür, dass sie mit ihren Abver­kaufs­lis­ten aus dem Vor­jahr bei ihren Lie­fe­ran­ten die Order für die neue Sai­son geschrie­ben haben. Die­ses Ver­fah­ren hat über Jah­re hin­weg her­vor­ra­gend funk­tio­niert. Ohne gro­ße Risi­ko­be­reit­schaft und Mode­mut wur­den gute Geschäf­te gemacht.

Doch in den letz­ten Jah­ren haben sich die Kun­din­nen und Kun­den ver­än­dert, sind muti­ger gewor­den, weni­ger bere­chen­bar. Die jun­ge Ziel­grup­pe hat die­se Kate­go­rie Ein­zel­han­del erst gar nicht für sich ent­deckt. Selbst im Base­ment von P&C, also dort, wo die „jun­gen“ Mar­ken sind, blie­ben die 50+ unter sich. Ein Pro­blem, mit dem P&C nicht allei­ne da steht, muss man fai­rer­wei­se sagen. Doch selbst bei der ange­stamm­ten Kli­en­tel wur­de das Prin­zip Abver­kaufs­lis­te mit­un­ter zum Fluch. In der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit wur­de so man­che Pla­nung über­rannt von der Spon­ta­nei­tät der End­ver­brau­che­rin­nen.

Gelb, die Feind­far­be des Ein­kaufs, wur­de plötz­lich zur Lieb­lings­far­be deut­scher Frau­en. Im vor­letz­ten Win­ter woll­ten plötz­lich alle die Boot­ies von Copen­ha­gen Stu­di­os in Weiß und nicht in Schwarz, genau­so wie Out­door­ja­cken in Off­white und Creme bes­ser lie­fen als die Klas­si­ker in Schwarz. Die Far­be Weiß wur­de zum deut­schen Win­ter­mär­chen und für man­chen Ein­käu­fer zum Alb­traum, weil er auf das fal­sche Pferd gesetzt hat. In Herbst letz­ten Jah­ren such­ten immer mehr Frau­en eine wei­te, flie­ßen­de Hose, und damit gemeint war kei­ne Culot­te, die bis dahin als ein­zi­ge wei­te Hosen­form ein­ge­kauft wur­de, weil ihr als eine der weni­gen wei­ten Hosen­for­men kom­mer­zi­el­ler Erfolg zuge­traut wur­de. Der Traum vom Puf­fer­ja­cket-Erfolg zum zwei­ten Mal in Fol­ge platz­te in die­sem Win­ter, weil über­ra­schend vie­le Frau­en lie­ber einen schi­cken Woll­man­tel haben woll­ten.

Künftig zählt das Erlebnis pro Quadratmeter – und nicht mehr allein die Flächenproduktivität.

Es sind nicht ohne Grund loka­le Fach­ge­schäf­te, die der­zeit viel­fach bes­se­re Umsät­ze erzie­len. Weil sie ihre Kun­den ken­nen und ihre Sor­ti­men­te ent­spre­chend emo­tio­na­li­sie­ren und fle­xi­bler agie­ren kön­nen. Sprach das Zukunfts­in­sti­tut vor zehn Jah­ren noch vom Trend zur Mass Cus­to­miza­ti­on, also vom Trend zur indi­vi­dua­li­sier­ten Mas­sen­fer­ti­gung, hat sich die­se Ent­wick­lung längst durch­ge­setzt. Der Trend zum Cura­ted Shop­ping ist Aus­druck des Wun­sches nach Indi­vi­dua­li­tät und Ver­ein­fa­chung in Zei­ten des Über­an­ge­bots. Das heißt: Künf­tig zählt das Erleb­nis pro Qua­drat­me­ter – und nicht mehr allein die Flä­chen­pro­duk­ti­vi­tät.

Eine Ent­wick­lung, mit der sich gera­de Beklei­dungs­fi­lia­lis­ten und gro­ße Häu­ser oft schwer­tun. Auf drei Rund­stän­der mit Ware zu ver­zich­ten zuguns­ten einer Chill-Zone mit Sitz­ecken und Sofa ist für tra­di­tio­nel­le Ein­käu­fer immer noch Platz­ver­schwen­dung. Klei­ne Fach­ge­schäf­te sind hier im Vor­teil. Wer sei­ne Kun­den kennt, kann auf kleins­ter Flä­che emo­tio­nal agie­ren und direkt mit sei­nen Kun­den kom­mu­ni­zie­ren. Doch auch Platz­hir­sche wie Loden­frey in Mün­chen, Gar­ham­mer in Wald­kir­chen oder L&T in Osna­brück ent­spre­chen dem Wunsch ihrer Kun­din­nen und Kun­den nach Indi­vi­dua­li­tät und Enter­tain­ment. Ganz egal, ob Pop-up-Shop, Desi­gner­talk, die Schnee­bar am Ein­gang an einem Advents­sams­tag oder Ker­zen­dre­hen in der Vor­weih­nachts­zeit, es geht dar­um, mit Aktio­nen und Events den Kun­den ein gutes Gefühl und eine Wert­schät­zung zu ver­mit­teln. Ein­zel­han­del als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­form und Begeg­nungs­stät­te. Denn eines ist klar: Wenn die Men­schen sich von der Coach in die City bege­ben, wol­len sie mehr als nur ein Beklei­dungs­stück kau­fen: Sie wol­len ent­de­cken, erle­ben. Klar: Events, Pop-ups und Aktio­nen als Unter­neh­men mit meh­re­ren Filia­len zu orga­ni­sie­ren und zu pla­nen, kos­tet Zeit und Geld. In her­aus­for­dern­den Zei­ten wie die­sen ein ech­tes Invest. Nur über Basic-Ange­bot und Preis zu ver­kau­fen, das wird in Zukunft nicht mehr funk­tio­nie­ren.

Die Fotos zei­gen ein Pop-up-Event  bei Mode­haus Sag­meis­ter in Bre­genz mit der Illus­tra­to­rin Kat­ja Foos.

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3 Antworten zu “Die Krise der Großen…

  1. Tol­ler Arti­kel, Sabi­ne, und auf den Punkt gebracht. Obwohl ich seit ewi­gen Zei­ten über Mode schrei­be, füh­le ich mich beim Ein­kau­fen als Kun­din in den Stamm­ab­tei­lun­gen über­for­dert. Die beschrie­be­ne Dau­nen­ja­cken­pa­ra­de seit Jah­ren im Fokus des Win­ter­sor­ti­ments, bringt mich zum Wahn­sinn. Im Novem­ber habe ich bei P&C end­lich eine Alter­na­ti­ve gefun­den – einen schi­cken Parka in Schwarz, modisch und funk­tio­nal zugleich. Die Ver­käu­fe­rin mein­te, da müs­sen sie schnell zugrei­fen, die sind im Nu aus­ver­kauft. War­um ein Beklei­dungs­haus trotz­dem zu 90% Dau­nen­män­tel (die meis­ten sind häss­lich) führt, ver­ste­he ich nicht. Bei Hosen und Strick gehe ich mög­lichst schleu­nig vor­bei, denn den 5. Rund­hals Cash­me­re Pull­over oder Straight leg Jeans brau­che ich nicht. Kauf­hof & Co. sind irgend­wann ste­hen­ge­blie­ben und haben die Kur­ve nicht mehr bekom­men. Zuviel Ange­bot ist halt oft zu viel. Oft fal­len die Kauf­ent­schei­dun­gen leich­ter, wenn eine Vor­auswahl getrof­fen wird und das Ambi­en­te stimmt.

  2. Sehr gut geschrie­ben Frau Spie­ler, und auf den Punkt gebracht. Glei­che Erfah­run­gen wie Herr Carts­burg habe ich auch gemacht. Den klei­ne­ren Geschäf­ten und akti­ven Platz­hir­schen gelingt es mit fri­schen, wech­seln­den Aktio­nen, Pop Ups, Ankün­di­gun­gen und Ein­la­dun­gen über Social Media, und vor allem freund­li­ches, geschul­tes, greif­ba­res Per­so­nal die von Ihnen sehr gut beschrie­be­nen Defi­zi­te der Filia­lis­ten auf­zu­fan­gen und die Kon­su­men­ten wie­der für den Shop­ping Trip im sta­tio­nä­ren Han­del zu gewin­nen.
    Ich wün­sche die­sen Akteu­ren, trotz hohem per­so­nel­len und finan­zi­el­len Auf­wand, genau den Erfolg, der so wich­tig nach Coro­na ist. Die Zei­ten sind schwie­rig, aber dem Muti­gen gehört der Erfolg! Und wie man sieht, ist es nicht ent­schei­dend für Lie­fe­ran­ten, wie groß die Kon­di­tio­nen für den Part­ner sind, son­dern wie eng die Kom­mu­ni­ka­ti­on und part­ner­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit mit dem Händ­ler ist. Ich freue mich für die Gewin­ner in der Kri­se.…

  3. Sehr gut geschrie­ben Arti­kel, der genau den Tat­sa­chen ent­spricht. Hier ein kur­zer Bericht: Kurz vor Weih­nach­ten kam mein 14-Jäh­ri­ger Sohn mit dem Bit­te, er benö­ti­ge nun eine “Bag­gy” Jeans auf mich zu. Sein Wunsch war es, erst ein­mal bei P+C im Base­ment zu schau­en, da er hier auch in der Ver­gan­gen­heit sei­ne Skin­ny- Jeans gefun­den hat. Ber­ge von Ware, ca. 20 Model­le, die mit “Bag­gy- Fit” aus­ge­zeich­net waren, aber auf kei­nen Fall einer “Bag­gy- Jeans” ent­spra­chen, maxi­mal einer Straight Cut.
    Trotz­dem mal anpro­bie­ren. In der Zeit kann der Vater ja mal sei­ne E- Mails che­cken und ver­sen­den. Im Base­ment hat­te ich natür­lich kei­nen Emp­fang. W‑Lan Fehl­an­zei­ge! Geträn­ke­au­to­mat war zwar kom­plett gefüllt, jedoch mit dem klas­si­schen weis­sen Blatt Papier “Defekt” ver­se­hen. Fazit: Modisch das fal­sche Ange­bot, die gewünsch­te Ziel­grup­pe wird sich nie­mals an die­sem P.O.S. auf­hal­ten, da es kein öffent­li­ches W‑Lan gibt und auch sonst nichts ani­mie­ren­des zum ver­wei­len ein­lädt. Eben­falls auf­fäl­lig ist, dass in die­sen Häu­sern die Füh­rungs­mann­schaft kaum noch im Geschäft gese­hen wird. Erfolg­rei­che gro­ße Depart­ment- Stores machen das deut­lich bes­ser. Bei denen wird mit dem Kun­den face to face kom­mu­ni­ziert. Dies ist manch­mal hilf­rei­cher als gros­se Online- Befra­gun­gen zur Zufrie­den­heit der Kund­schaft durch­zu­füh­ren.

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