Es kann einem schon aufs Gemüt schlagen, wenn man die Nachrichten aus dem stationären Einzelhandel hört. Zu P&C ist alles gesagt, und das so ziemlich von jedem. Die Insolvenz der TK Fashion Group mit 22 Filialen war dagegen nur eine Randnotiz, aber kaum weniger alarmierend für die 135 Beschäftigten.
Ein besonders katastrophales Bild gibt zurzeit der Schuhhandel ab. Jedes achte Schuhgeschäft hat im vergangenen Jahr geschlossen, verkündete der BTE neulich anlässlich der Messe in Düsseldorf. Diese Woche wurde die Insolvenz über Salamander und Klauser mit 95 Läden und 950 Mitarbeitern eröffnet. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, die Marke stehe zum Verkauf und lande möglicherweise bei Deichmann. Ebenfalls diese Woche: die Pleite von Shoepassion. Eine Nachricht, die sich einreiht in die Insolvenzen der vergangenen Monate: der Filialist Schuh Oase, der Camel Active-Lizenznehmer HS Footwear, der Versandhändler Gebr. Götz.
Und dann ist da natürlich noch Görtz. Das war mal der P&C der Schuhbranche, jetzt ist noch die Hälfte der zuletzt 160 Filialen übrig. Vor zehn Jahren waren es noch 250, die Zahl der Mitarbeiter schrumpfte seither von 3700 auf zuletzt 1800. Diese Woche wurde jetzt mit Fürderhin eine neue Gesellschafterin eingetragen, die sämtliche Anteile übernimmt. Hinter der Beteiligungsgesellschaft steht das Münchner Ehepaar von Wangenheim, das zuvor schon bei dem Hamburger Schuhhändler investiert war. Auch die Geschäftsführung bleibt dieselbe. Ob davon ein Aufbruchssignal ausgeht?
Last but not least wurde diese Woche der nächste Akt im Galeria-Drama eröffnet. Der Insolvenzplan sieht einen weitgehenden Forderungsverzicht der Gläubiger sowie die Schließung von 52 der 129 Filialen vor. Jetzt beginnt das Geschachere. Fünf Häuser wurden gestern schon mal "gerettet". Die Lust der Vermieter, sich ein weiteres Mal erpressen zu lassen, dürfte indes nicht allzu groß sein. Insbesondere dort, wo sich Alternativen anbieten. So will Friedrich-Wilhelm Göbel bis zu 25 Standorte für Aachener übernehmen. „Leipzig, Dortmund und Bremen zum Beispiel“, so der Unternehmer in der TW. "Es ist mir, ohne die exakten Details zu kennen, nicht ersichtlich, warum an diesen Standorten ein gut geführtes Kaufhaus nicht funktionieren sollte.“ Gerrit Heinemann sekundiert via Handelsblatt: „Die Listen, welche Häuser geschlossen werden und welche nicht, sind überhaupt nicht konsistent und nicht nachvollziehbar.“
Kunde: ‚Darf ich Sie was fragen?‘ Verkäufer (genervt): ‚Ick arbeite hier!‘
Nachdem die Schließungsliste nun öffentlich ist, ist der Aufschrei in den betroffenen Kommunen laut. Aber es hilft ja nichts. Man wird sich vielerorts damit abfinden müssen, dass es in der Fußgängerzone eben kein Warenhaus mehr gibt. Der Spiegel bringt aus diesem Anlass die unvermeidlichen Kaufhaus-Nachrufe und lässt die Mitarbeiter seines Kulturressorts (!) „Abschied von Konsum- und Kindheitserinnerungen und sozialen Utopieversprechen“ nehmen. Das klingt im Beitrag von Stefan Kuzmany über das Einkaufserlebnis bei Karstadt am Hermannplatz dann so: "Kunde: ‚Darf ich Sie was fragen?‘ Verkäufer (genervt): ‚Ick arbeite hier!‘" Eine Anekdote, die zugleich einen Teil des Problems beschreibt.
Die entscheidende Frage ist: Wie sieht das Warenhaus der Zukunft aus? In Interviews hatten die Warenhaus-CEOs darauf stets eine Antwort. Aber ganz offensichtlich hat in Essen und Köln am Ende niemand diesen heiligen Gral des Einzelhandels gefunden. Und der Insolvenzplan liefert dazu jetzt auch nicht mehr als die bekannten Allgemeinplätze, wie Hagen Seidel in der TW ausführt. Hat jemand was anderes erwartet?
Parallel dazu wurde diese Woche bekannt, dass René Benko die Hälfte der KadeWe-Immobilie an seinen thailändischen Joint-venture-Partner Centrum abgibt. Natürlich bemüht man sich, diese Transaktion als business as usual darzustellen. Aber der Erlös dürfte dem Galeria-Inhaber zurzeit sehr willkommen sein. Dass die KaDeWe Group ihre Frühjahrs-Kampagne mit „Symphonie der Euphorie“ betitelt, hat angesichts der Misere in den Fußgängerzonen freilich etwas von Pfeifen im Walde.
Wer in all dem Handels-Elend nach Lichtblicken sucht, dem sei die ebenfalls diese Woche vorgelegte Inditex-Bilanz empfohlen. 2022 verbuchten die Spanier Rekordergebnisse: 17,5% Umsatzzuwachs, ein um 29% gestiegenes EBIT, eine Nettoumsatzrendite von 12,6%. Die teure Verkaufsfläche schrumpfte um 6%, das besser skalierbare Onlinegeschäft wuchs dafür um 18%.
Ingredienzen dieses Erfolges sind: trendgerechte, sich ständig erneuernde Sortimente, die die qualitativen Ansprüche einer modeinteressierten Kundschaft treffen. Eine Markenpositionierung, die Mode in den Vordergrund stellt und nicht den Preis, weshalb Preiserhöhungen für Zara & Co leichter durchsetzbar sind als für andere. Eine vertikale Organisation, die Ware schnell und effizient beschafft und in den Verkauf bringt. Ein POS, der stationär wie online state of the art ist und der kanalübergreifendes Shopping sehr selbstverständlich ermöglicht. Dahinter stehen kompetente Teams, eine Kultur, die gleichermaßen offen für Kreativität und Technologie ist und eine Führung, die die Finanzkraft des Konzerns richtig einzusetzen versteht.
Schon klar, dass das alles schnell hingeschrieben ist. Es gibt auch nicht nur diesen einen Weg. Zugleich hat der Erfolg des einen immer auch mit der Schwäche des anderen zu tun. Und natürlich profitiert ein Inditex von seiner Internationalität und hat sich in Deutschland möglicherweise auch schwerer getan als anderswo. Aber die dynamische Entwicklung dieses Unternehmens zeigt, dass im Modehandel immer noch was geht und mitnichten der Untergang einer ganzen Branche bevorsteht.