Seit Monaten lief in Metzingen die Suche nach einer Nachfolge für Jason Wu. Der US-Designer war 2013 vom damaligen CEO Claus Dietrich Lahrs installiert und in diesem Jahr von der neuen Führung mitsamt dessen Luxury-Kurs entsorgt worden. Seither rätselte die Branche, wie das Unternehmen das kreative Vakuum füllen würde. Jetzt hat Hugo Boss, wie Profashionals exklusiv erfahren hat, die Nachfolge geregelt: Mit 'Hugo' übernimmt erstmals ein Bot das Kreativteam einer Fashion Brand. In Metzingen wird Mode künftig von einer Maschine statt von Menschen gemacht. Algorithmen entscheiden über Reversbreiten und Rocklängen. Big Data ersetzt das Bauchgefühl der Designer. "Wir definieren KI neu", sagt Hugo Boss-CEO Mark Langer. "Als Kreative Intelligenz."
'Hugo' ist das Ergebnis eines Innovationsprojekts, das Boss vor einem knappen Jahr mit Google aufgesetzt hat. Gegen das "Project Jacket" sei das "Project Jacquard" mit Levi's Kindergarten gewesen, kommentiert Googles Head of Moonshot Projects, Ivan Poupyrev, die Zusammenarbeit. Die Partner aus dem Silicon Valley und von der Schwäbischen Alb haben zu diesem Zweck die Reutlinger Eissporthalle zum Rechenzentrum umgebaut. "Da gab es keine Probleme mit der Kühlung."
Dass man das System 'Hugo' genannt hat, sei eine Reminiszenz an den Firmengründer, erklärt Kreativ-Vorstand Ingo Wilts. "Unser CEO schlug zunächst 'Ingo' vor, um sich nicht ständig neue Namen merken zu müssen, wenn er sich mal in die Kreativabteilung verirrt", plaudert Wilts aus dem Nähkästchen, "aber ich hätte das doch ein wenig eitel gefunden." Diskutiert habe man auch 'Bruno', das sei jedoch in Metzingen heute keine Benchmark mehr. Und für eine Frau sei die Organisation definitiv noch nicht bereit gewesen.
Mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Kollektionsentwicklung betritt Hugo Boss Neuland. Ganz bewusst, wie Mark Langer betont. Der CEO widerspricht damit Gerüchten, es habe sich kein großer Name gefunden, der bereit gewesen wäre, Hugo Boss modischen Spin zu verpassen. "Ja klar, Jupp Heynkes hat uns abgesagt", scherzt Langer. "Doch im Ernst: Einen Virgil Abloh hatten wir definitiv nicht nötig." Die im Modebusiness weit verbreitete Praxis, Marken durch mehr oder weniger bekannte Designer wiederzubeleben, habe sich ohnehin totgelaufen, meint der CEO. "Diese Masche überlassen wir gerne Ikea und DHL."
Boss' Bot-Coup stößt erwartungsgemäß auf geteilte Resonanz in der Branche. "Kein Computer wäre auf meine Ideen gekommen", sagt Alessandro Michele (Gucci). "Die haben mit Intelligenz nämlich nur am Rande zu tun." Jason Wu meldet sich aus dem Schmollwinkel, er hatte Bot 'Hugo' kommen sehen: "Diese Schwaben haben das doch nur gemacht, um meine monatlichen First Class-Flüge von New York nicht mehr zahlen zu müssen. Ich hatte die Maultaschen im Schwanen eh schon lange satt." Auch Karl Lagerfeld kritisiert die Boss-Entscheidung: "Wer KI braucht, hat die Kontrolle über sein Leben verloren."
Die Börse reagiert auf die neue Berechenbarkeit bei Hugo Boss dagegen mit einem Kurssprung. Ein Amazon-Sprecher bestätigt eine Vereinbarung mit Metzingen über die gemeinsame Nutzung von Analytics Tools sowie die Integration der Logistiksysteme. Ziel sei es, Anzüge zu einem Zeitpunkt auszuliefern, an dem die Kunden noch gar nicht wissen, dass sie sie brauchen. Gerüchte, nach denen Facebook Cambridge Analytica beauftragt habe, Modetrends zu manipulieren, ließen sich hingegen nicht verifizieren.
Trendforscherin Gundel Ekeldoort rät der Branche zur Gelassenheit. Man solle sich dem Fortschritt nicht verweigern. Das Neue sei schließlich ein Wesenmerkmal der Mode. "Und Künstliche Intelligenz ist allemal besser als menschliche Dummheit."