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Intelligent Retail: Fünf Kernthemen für den Handel der Zukunft

Wenn die Kunden sich gegen das Einkaufen in Läden entscheiden, dann hat das Gründe. Aber völlig abgeschrieben werden sollte der stationäre Einzelhandel keinesfalls, meint Gerrit Heinemann. Er muss sich nur neu erfinden.
Heinemann ebay de team day
Ger­rit Hei­ne­mann

Zuneh­mend wird deut­lich, dass die Pro­gno­sen für die nächs­ten zehn Jah­re Ende 2021 bereits ein­ge­tre­ten sein wer­den – sofern die Pan­de­mie nicht wei­ter­geht. Nie­mand will, dass der sta­tio­nä­re Ein­zel­han­del ver­schwin­det und die Innen­städ­te ver­öden. Aller­dings stim­men die Bür­ger mit den Füßen und zuneh­mend mit dem Dau­men ab. Wenn die Kun­den sich gegen den inner­städ­ti­schen Ein­zel­han­del ent­schei­den, dann gibt es dafür Grün­de.

Aber völ­lig abge­schrie­ben wer­den soll­te der sta­tio­nä­re Ein­zel­han­del kei­nes­falls. Er muss sich nur neu erfin­den. Was er dafür tun kann, zeigt prä­gnant der Begriff des „Intel­li­gent Retail“ auf. Es geht dar­in um die fünf zen­tra­len The­men, die den Han­del der Zukunft prä­gen. Zunächst sind (1.) die Basis­vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, die ein daten­ba­sier­tes Arbei­ten ermög­li­chen. Die­ses wie­der­um ermög­licht (2.) den Ein­satz von künst­li­cher Intel­li­genz (KI) und damit kun­den­da­ten­ba­sier­tes One-to-One-Mar­ke­ting. Um damit über­haupt arbei­ten zu kön­nen, bedarf es (3.) einer intel­li­gen­ten Mit­ar­bei­ter-Qua­li­fi­zie­rung und ‑Rekru­tie­rung. Qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­ter wer­den auch für (4.) eine digi­ta­le Sup­p­ly Chain sowie (5.) die zukunfts­fä­hi­ge Geschäfts­mo­del­lie­rung inklu­si­ve Ent­wick­lung von Smart Stores benö­tigt.

Basis­vor­aus­set­zung für intel­li­gen­ten Ein­zel­han­del sind vor allem sys­tem­tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Aspek­te. Ohne leis­tungs­fä­hi­ge Waren­wirt­schafts- und Kas­sen­sys­te­me, die es eigent­lich schon seit den 60er Jah­ren gibt, kön­nen kei­ne gül­ti­gen Pro­dukt­ver­füg­bar­kei­ten ange­zeigt und auch kei­ne effi­zi­en­te Bestands­füh­rung ermög­licht wer­den. Sind per­for­man­te Sys­te­me im Ein­satz und kön­nen Daten gene­riert wer­den, heißt das noch lan­ge nicht, dass intel­li­gen­te Kun­den­da­ten erho­ben wer­den. Was im Online-Han­del schon Gang und Gäbe ist, stellt sich im sta­tio­nä­ren Ein­zel­han­del als das wohl größ­te Hin­der­nis dar. Doch nur mit eige­nen und iden­ti­fi­zier­ba­ren Kun­den­in­for­ma­tio­nen lässt sich künst­li­che Intel­li­genz sinn­voll an der Kun­den­front ein­set­zen.

Der Einsatz künstlicher Intelligenz erfordert den Einsatz intelligenter und hochqualifizierter Mitarbeiter. Der Handel hat gute Chancen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, wenn er durch geschicktes Employer Branding seinen digitalen Bedarf sichtbar macht.

Der Ein­satz künst­li­cher Intel­li­genz erfor­dert den Ein­satz intel­li­gen­ter und hoch­qua­li­fi­zier­ter Mit­ar­bei­ter. Von der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on ist der Han­del an eini­gen sei­ner heu­ti­gen Kern­kom­pe­ten­zen beson­ders stark betrof­fen. Zu den wich­tigs­ten Schwach­stel­len gehört sei­ne gerin­ge Attrak­ti­vi­tät als Arbeit­ge­ber für qua­li­fi­zier­te Arbeits­kräf­te. Gleich­zei­tig hat der Han­del aber sehr gute Chan­cen, sich als attrak­ti­ver Arbeit­ge­ber zu posi­tio­nie­ren, wenn er durch geschick­tes Employ­er Bran­ding sei­nen digi­ta­len Bedarf sicht­bar macht. Digi­ta­le High-Poten­ti­als, die es ger­ne zu Zalan­do und Ama­zon zieht, wer­den auch für eine Digi­ta­li­sie­rung der Sup­p­ly Chain benö­tigt. Zukunfts­fä­hi­ge Geschäfts­mo­del­le bis hin zur Ent­wick­lung von intel­li­gent und durch­di­gi­ta­li­sier­ten Smart Stores bedeu­ten für sta­tio­nä­re Händ­ler viel­fach einen Kul­tur­schock.

Eines ist klar: Der sta­tio­nä­re Ein­zel­han­del hat eine Zukunfts­chan­ce, wenn er sich neu erfin­det. Im Han­del der Zukunft wer­den vor allem intel­li­gen­te Sys­tem benö­tigt, die er bis­her über­wie­gend nicht nutz­te. Auch loka­le Ein­zel­händ­ler müs­sen heu­te daten­ba­siert arbei­ten, was bis­her kein gro­ßes The­ma war. Sie müs­sen ihre Aus­rich­tung von pro­dukt­zen­tri­schen hin zu kon­su­men­ten­zen­tri­schen Geschäfts­mo­del­len ändern, bei denen das ulti­ma­ti­ve Kun­den­er­leb­nis im Vor­der­grund steht.

Unnamed fileProf. Dr. Ger­rit Hei­ne­mann ist Pro­fes­sor für Betriebs­wirt­schafts­leh­re, Manage­ment und Han­del und lei­tet das eWeb Rese­arch Cen­ter an der Hoch­schu­le Nie­der­rhein in Mön­chen­glad­bach. In sei­nem gera­de erschie­nen neu­en Buch erklärt er, wie intel­li­gen­tes Han­deln den sta­tio­nä­ren Ein­zel­han­del in den Innen­städ­ten und in Shop­ping-Cen­tern ret­ten kann.