China ist zurzeit ja so etwas wie das gelobte Land fürs Modebusiness. Der Riesen-Markt mit seinen fast 1,4 Milliarden Menschen und der dank des chinesischen Wirtschaftswunders rasant zunehmenden Kaufkraft ist für viele internationale Marken der Wachstumsmarkt Nummer 1. Wer an der Börse gut aussehen möchte, muss den Analysten eine möglichst dicke China-Wurst vor die Nase hängen.
Nun ist der chinesische Wachstumsmotor in diesem Jahr ins Stottern gekommen. Eine Folge der globalen Finanzkrise, aber auch der schwächeren Inlandsnachfrage. Die Inflation bereitet den Chinesen zusätzlich Probleme. So wird das Bruttosozialprodukt in diesem Jahr um "nur"7,5% steigen. Die Verlangsamung des Wachstums reicht schon aus, um den Geschäftsleuten Sorgenfalten in die Stirn zu treiben. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb massiv zugenommen hat. "Wer denkt, das ist ein offener Markt, verkennt die Realität", warnte Helmut Merkel gestern auf der von den Ex-Kollegen vom Deutschen Fachverlag organisierten 1st China Fashion Business Conference. In China seien mittlerweile 2203 internationale Marken allein für Womenswear registriert. Dazu kommen 8000 einheimische Brands. Auf einen Chinesen kommen 12,9 ft² Verkaufsfläche, das ist unwesentlich weniger als in Deutschland (14,6 ft²). Insgesamt sind im Reich der Mitte über 20.000 neue Einkaufszentren in Planung. Der Wettbewerb ist knallhart, so Merkel.
Der ehemalige Arcandor-Vorstand und Karstadt-Chef, der seine Geschäfte heute von Hongkong aus betreibt, ist ein ausgewiesener Kenner des chinesischen Marktes. In seinem Einführungsreferat zur China Fashion Business Conference zählte er ein paar spannende Fakten zum Konsum in China auf:
- Das Land hat einen atemberaubenden wirtschaftlichen Aufstieg hinter sich: Es gibt in China 1,2 Millionen Millionäre. Bei einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden sind das aber gar nicht mal so viele. Zum Vergleich: in Deutschland gibt es 2,5 Millionen Reiche und in den USA sogar 18 Millionen.
- 92 Prozent des Bruttosozialprodukts entfallen auf die 22 großen städtischen Agglomerationen.
- Die demographischen Besonderheiten in punkto Altersstruktur, 1‑Kind-Politik und Geschlechterverteilung wirken sich auf den Konsum in China aus. So spielen die Männer (Bevölkerungsanteil über 51%) als Zielgruppe eine ungleich größere Rolle für den Einzelhandel. Und weil durchschnittlich sechs Personen ein Kind umhegen, hat der Kids-Markt ebenfalls eine Riesen-Bedeutung. Wohnen ist wegen der hohen Mieten in den Ballungsräumen extrem teuer. Chinesen zahlen bevorzugt bar, sie leihen sich ungern Geld.
- Eine besondere Rolle kommt der Holiday Economy zu. Zwar haben die Chinesen durchschnittlich nicht mehr als 12 Tage Urlaub, dafür gibt es viele Feiertage wie das Neujahrsfest, den 1. Mai und den 1. Oktober, die jeweils mit mehreren freien Tagen verbunden sind. So geben die 34 Millionen Chinesen, die in der Goldenen Woche Anfang Oktober chinesische Sehenswürdigkeiten besichtigen, allein rund 800 Mrd. RMB (98 Mrd. Euro) aus. Bis zu 70.000 reisen in dieser Woche nach Paris, wo sie 2,55 Mrd. RMB (313 Mrd. Euro) lassen.
- Chinesische Kunden stehen für 20 Prozent des weltweiten Luxusgütermarktes von rund 200 Mrd. Euro. Trotzdem ist das Luxussegment mit einem Anteil von 1,26 Prozent am gesamten Konsum in China eine Nische. In Deutschland liegt der Anteil bei 1,39 Prozent. Die Chinesen schenken gerne. Ein Gutteil der Luxus-Ware wird für Geschäftspartner, Hochzeiten und andere Anlässe gekauft (20 Prozent des Umsatzes).
- Der diesjährige Einbruch der Luxusausgaben hängt für Merkel eng mit dem hohen Einfluss von social media zusammen. 538 Millionen Chinesen nutzen das Internet, es gibt eine Milliarde Handy-Nutzer. Blogs spielen eine wichtige Rolle als unabhängige Informationsmedien. Nachdem sich viele Blogger auf die luxusaffinen Bonzen und Funktionäre eingeschossen haben, ist allzu demonstrativer Luxus auch in China zunehmend verpönt.
- Online Retailing verzeichnet ein geradezu explosives Wachstum. 2011 wuchs das Geschäft um 68% auf 774 Mrd. RMB (ca. 95 Mrd. Euro). Für 2012 wird ein Plus von 53% erwartet. 2013 wird China mit einem prognostizierten Umsatz von 1,57 Billionen RMB (über 190 Mrd. Euro) die USA als größten Online-Markt der Welt überholen.
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Nach dem Burberry-Schock: Patzt die Luxus-Blase?
Und dann ist heute ja auch noch Halloween, vielleicht ein Anlass sich diesen Beitrag noch einmal anzuschauen.
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