Der American Apparel-Gründer wird von einer Angestellten auf 250 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt. Die 20jährige Irene Morales wirft Charney vor, sie als Sex-Sklavin missbraucht zu haben. Charney soll sie unter anderem mehrere Stunden in seinem New Yorker Appartment festgehalten und zu sexuellen Diensten gezwungen haben. Die Anwälte von American Apparel weisen die Vorwürfe als komplett haltlos zurück und wehren sich mit einer Gegenklage. Charneys Celebrity-Status in der Modeindustrie werde öffentlich ausgebeutet.
An dieser Prominenz hat der 42jährige aber auch nach Kräften gearbeitet. Die expliziten American Apparel-Kampagnen sind nicht nur im prüden Amerika umstritten (siehe Slideshow). Ihm selbst wurde mehrfach sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen vorgeworfen. Die Presse ist voll von entsprechenden Geschichten. So soll er in der Firma gerne mal nur in Unterhosen herumlaufen. Eine Reporterin berichtete von einem Termin, bei dem er sich angeblich gleich mehrfach von einer Mitarbeiterin befriedigen ließ. Verurteilt wurde Charney indes bislang nicht. So dürften die Skandale um Charney das anrüchige, sexuell aufgeladene Markenímage von AA letztlich sogar gestärkt haben. Es ist eine Art perverser Authentizität, die auf kuriose Weise mit dem sozialen Image kontrastiert, das American Apparel gleichfalls pflegt. Man will dreckig und sauber zugleich sein. So wirbt das Unternehmen damit, seine Bekleidung "sweatshop-free", zu fairen Bedingungen ausschließlich in den USA zu produzieren. Dieses Image erhielt vor zwei Jahren allerdings Kratzer. Die US-Einwanderungsbehörde hatte festgestellt, dass das Unternehmen Immigranten ohne gültige Papiere beschäftigte, was zur Entlassung von 1500 Beschäftigten führte.
Überdies hat sich American Apparel bei der Expansion übernommen und ist tief verschuldet. Der Umsatz leidet, und unter dem Strich stehen rote Zahlen. In einer Börsenmitteilung warnte American Apparel zuletzt im November, dass es "bedeutende Zweifel" am Weiterbestehen des Unternehmens gebe. Seit 2008 hat die Aktie über 90% ihres Wertes verloren. Da kann Charney eine 250-Millionen-Klage gerade brauchen.
Ganz unabhängig von den angeblichen Eskapaden des Chefs wäre ein Aus für American Apparel schade. Denn die Marke hat bei allen Managementschwächen ihre Fans und sich als Hipster-Label klar positioniert. Charney ist es wie kaum einem anderen T‑Shirt-Produzenten gelungen, an sich langweilige Produkte sexy zu machen. Wie es aussieht, treibt ihn dabei nicht nur Profit-Gier an. Das könnte ihm nun gleichzeitig zum Verhängnis werden. Ohne ihren offensichtlich triebgesteuerten Gründer wäre die Marke aber wohl nicht mehr dieselbe.
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