Warum Claus-Dietrich Lahrs bei Hugo Boss ausscheidet, dazu wird in den nächsten Tagen viel zu lesen sein. Aktuell kann man darüber nur spekulieren und den naheliegenden Zusammenhang mit der Gewinnwarnung und dem darauf folgenden Kurseinbruch ziehen. Der hat die Aktionäre satte 1,2 Milliarden Euro gekostet, in sechs Monaten hat sich der Unternehmenswert mehr als halbiert. Lahrs' Abgang hat die Börse gestern mit einem Kursplus quittiert. Ein bitteres Zeugnis für den erfolgsverwöhnten 52jährigen.
Fakt ist, dass die Entscheidung überraschend kam. Entsprechend schlug die Nachricht in der Branche ein wie eine Bombe. Schließlich handelt es sich um den glamourösesten Posten, der im deutschen Modebusiness zu vergeben ist. Claus-Dietrich Lahrs hat nicht wenig dafür getan, diesen Nimbus zu steigern. Hugo Boss ist unter ihm ein anderes Unternehmen geworden: größer, internationaler, profitabler. Und weiblicher – Boss ist heute einer der größten deutschen Womenswear-Anbieter.
Die vielleicht entscheidendste Veränderung der Ära Lahrs ist der Wandel des Konfektionärs zum Einzelhändler. Hugo Boss betreibt heute weit über 1000 Läden, die den Löwenanteil des Umsatzes ausmachen. Der Ausbau der eigenen Flächen hat das schnelle Wachstum ermöglicht, das Finanzinvestor Permira für einen erfolgreichen Exit benötigte. Gleichzeitig scheinen hier jetzt die Probleme zu stecken. Es wiederholt sich das Muster, das man von vielen Private Equity-Engagements kennt. Dass Einzelhandel ein anderes und kein leichteres Business ist, mussten auch schon andere Lieferanten erfahren.
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Patrick Zahn auf allen Kanälen: Freundlich lächelt der neue Kik-Chef vom Cover der neuen TW. 5000 Läden will er bis in fünf Jahren betreiben, der neue, wertigere Filialauftritt kommt an, Online läuft, und CSR-seitig ist auch alles in Ordnung. In der SZ erzählt der 39jährige, dass er seinen einjährigen Sohn bei Kik ausstatte. Gegenüber dem Handelsblatt deutet er eine denkbare USA-Expansion an. In der Welt ist von notwendigen Preiserhöhungen ab 2017 die Rede. Die Wirtschaftswoche nutzt die Gelegenheit zum Vergleich mit dem ewigen Dauerrivalen Takko.
Mindestens so spannend, was Zahn mit den Journalisten redet, ist, dass er überhaupt mit Journalisten redet. Kik gehörte bislang zu den Unternehmen, die sich mit den Medien schwertaten. Darunter sind bekanntlich besonders viele Einzelhändler – C&A, Aldi usw. Es heißt nicht ohne Grund "Geheimniskrämer". Von Kik-Gründer Stefan Heinig gibt es nicht mehr als zwei, drei Interviews, sein Nachfolger als Kik-CEO Heinz Speet war kaum weniger zurückhaltend. Eine erste Glasnost-Welle gab es mit dem CSR-Geschäftsführer Michael Arretz, der musste sich u.a. zu Rana Plaza erklären.
Sicher ist, dass die bisherige Weigerung wirklich offen zu kommunizieren ein Grund für das schlechte Image von Kik ist. Was man sieht, sind die schäbigen Läden. Jeder kann hineingehen und sich ein Bild machen. Man hört und liest von Skandalen und Prozessen. Man kennt vielleicht jemanden, der dort arbeitet. So bildet man sich seine Meinung, und Kik hat die Chance verpasst, die Menschen für sich einzunehmen. Es ist halt ein Irrtum zu glauben, dass man sich als Unternehmen der Öffentlichkeit entziehen kann. Schon gar als Einzelhändler, der von dieser Öffentlichkeit lebt. Da sollte Sozialverträglichkeit eine Selbstverständlichkeit sein.
Schon möglich, dass den Kik-Kunden der Preis wichtiger als alles andere ist. Spätestens, wenn eine unvorbelastete Alternative auftaucht, werden aber auch die vermeintlich weichen Faktoren relevant. Mit Primark und TKMaxx sind mächtige neue Konkurrenten unterwegs. Nicht zuletzt arbeitet niemand gerne für eine Firma, über die nur Schlechtes geredet wird.
Unternehmer müssen sich nicht unbedingt persönlich exponieren, aber die Unternehmen – zumal die großen – können sich aus dem öffentlichen Diskurs nicht heraushalten. Das Vorbild der verschwiegenen Aldi-Brüder taugt da nicht. Mehr noch als für ihr Versteckspiel sind die Lebensmitteldiscounter für ihre kompromisslose Qualitätsorientierung bekannt. Ihr Preisdruck treibt gelegentlich die Milchbauern auf die Straße. Aber Sklaven- und Kinderarbeit sind bei der Joghurt-Produktion kein Thema.
Der Geheimniskrämer ist ein Auslaufmodell, erst recht heute, wo über das Internet und in sozialen Netzwerken jeder Einzelne eine breite Öffentlichkeit erreichen kann. Das macht die absolute Kontrolle und Steuerung des eigenen Images letztlich unmöglich. Anders als früher geht es in Marketing und PR heute nicht mehr nur darum mitzuteilen, was einem als Unternehmen wichtig ist. Sondern darum, mit den Fans, den Kunden, der Öffentlichkeit zu interagieren und auf Fragen, Kritik und Anregungen zu reagieren. Das bedingt eine ganz neue Qualität in der Öffentlichkeitsarbeit. Darauf sind nur wenige vorbereitet.
Deshalb ist Patrick Zahns Gang in die Öffentlichkeit richtig. "Make friends when you don't need them" ist eine alte PR-Weisheit. Früher oder später zahlt sich das aus.
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Für Schlagzeilen sorgte heute auch Hans-Otto Schrader. Der Otto-Boss hat allen 53.000 Mitarbeitern des Konzerns das Du angeboten. "Wer die Vorstände duzen will, kann das tun", zitiert ihn die Wirtschaftswoche. Das soll eine Art Startschuss für den angestrebten Kulturwandel bei Otto sein. Einen Duz-Zwang gebe es aber nicht. Statt "Hans-Otto" will Schrader lieber mit seinem internen Kürzel "hos" angesprochen werden.
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