Diese Woche gab es gleich zwei Top-Personalien: Die Chefsessel bei der Otto Group und bei Hugo Boss werden bzw. sind neu besetzt. In beiden Fällen entschied sich der Aufsichtsrat für eine interne Lösung, und das ist gut so.
Nach dem Abgang von Claus-Dietrich Lahrs ist die neue Chefetage in Metzingen komplett mit alten Bekannten besetzt. Mark Langer, Bernd Hake und Ingo Wilts bringen zusammen mehr als 44 Jahre Hugo Boss auf die Waage. Dass Aufsichtsratschef Michel Perraudin sich für altgediente Kräfte entschied, ist auch ein inhaltliches Signal: wahrscheinlich bedeutet dies die Abkehr von Lahrs investorengetriebener Retail-Expansion und zugleich eine Korrektur des Luxuspositionierungskurses.
Mit Bernd Hake übernimmt ein erfahrener Sales-Profi den Vertriebs-Vorstand. Ein Wholesaler, kein Retailer. Ingo Wilts war unter Bruno Sälzer und Werner Baldessarini für die Menswear verantwortlich, von letzterem hat er seine Produktexpertise und ‑verliebtheit. Wilts hatte Metzingen 2009 den Rücken gekehrt und war nach New York gezogen. Mental war er nie ganz weg. Sein letzter Comeback-Versuch vor zwei Jahren scheiterte an Unstimmigkeiten mit Jason Wu. Man darf gespannt sein, was jetzt aus der von Claus-Dietrich Lahrs eingetüteten Zusammenarbeit mit dem US-Designer wird.
Und schließlich darf Mark Langer auf dem CEO-Sessel sitzenbleiben, den er nach Lahrs Abgang interimistisch eingenommen hat. Langer kennt die Organisation, und die kennt ihn. Der Betriebsratsvorsitzende Antonio Simina hat die Berufung des ehemaligen McKinsey-Beraters denn auch begrüßt, und das, obwohl der von Langer angekündigte Sparkurs sicher auch der Belegschaft Opfer abverlangen wird.
Es wird allerdings nicht nur darauf ankommen, die Profitabilität von Hugo Boss wieder herzustellen. Entscheidend wird vielmehr sein, dass die alten Bekannten neue Antworten auf den sich verändernden Markt finden. Antworten, die die Markenwerte von Hugo Boss zeitgemäß interpretieren.
Ein großes Stühlerücken steht auch in Hamburg an. Alexander Birken übernimmt den Chefsessel der Otto Group von Hans Otto Schrader (hos). Das war zu erwarten, auch wenn zuletzt immer mal wieder spekuliert wurde, dass Schrader seinen Vertrag über die konzerninterne Altersgrenze von 60 hinaus verlängert. Mit Interviews in den Medien und einem Auftritt beim Deutschen Handelskongress in Berlin hatte man Birken sachte ins Rampenlicht geschoben. Jetzt feixen manche über den von Otto verkündeten Generationswechsel. Das ist bei der Stabübergabe von einem 59jährigen zu einem 51jährigen in der Tat ein großes Wort.
Es ist dennoch eine Otto-typische Lösung. Der Konzern setzt in solchen entscheidenden Fragen seit jeher auf Kontinuität und einen geordneten Übergang. Birken, der wie Schrader seine Karriere bei Otto verbracht hat, kennt den Konzern nicht nur wie seine Westentasche. Er hat auch die Werte internalisiert, die der Familie wichtig sind und die ein externer Manager womöglich nicht so uneingeschränkt und verlässlich teilt. Birken hat sich überdies das Vertrauen der Familie erarbeitet, was eine wichtige Grundlage ist, wenn es darum geht, den Konzern weiterzuentwickeln.
Dass eine Weiterentwicklung notwendig ist, ist den Verantwortlichen in Hamburg klar. Wenn zurzeit die gesamte Handelswelt von digitaler Transformation spricht, dann steht das bei Otto seit Jahren auf dem Programm. Das war elementar und zugleich besonders schwierig. Denn die Katalogversender waren die ersten, die vom aufkommenden Onlinehandel getroffen wurden, und sie taten sich mit dem neuen Medium besonders schwer. Traditionsunternehmen wie Quelle und Neckermann hat es nicht ohne Grund als erste getroffen. Das Online Retailing hat mit dem Katalogversand die Datenbasiertheit und die Logistik gemeinsam, aber von den Entscheidungsprozessen und der Reaktionsgeschwindigkeit ist es dem stationären Geschäft viel näher.
Der Otto-Versand macht heute 90 Prozent seines Geschäfts online und heißt deswegen auch Otto.de. Anders als bei Neckermann.de lacht darüber keiner, wenngleich Kommunikationschef Thomas Voigt gelegentlich lamentiert, dass alle über Zalando und Amazon reden, aber keiner über Otto. Der Versender ist in Deutschland mit fast zwei Milliarden Euro Umsatz immer noch mehr als doppelt so groß wie Zalando. Bei Töchtern wie Sport Scheck, Bonprix, myToys oder Manufaktum verfügt man zudem über stationäre Standbeine und eine Basis für zukunftsträchtigen Omnichannel-Vertrieb.
All das ist unter Heinz Otto Schrader passiert, der vom Temperament her ein ziemlicher Anti-Samwer ist. Es scheint auch so zu gehen. Nach seiner 10jährigen Ära als Vorstandschef ist der Konzern nicht nur im Handels- und Finanzdienstleistungsgeschäft sowie in der Logistik aktiv, sondern betätigt sich mit e.Ventures und Projekt A als Inkubator. Mit About You hat man selbst ein innovatives Start-up etabliert, das zuletzt für einen dreistelligen Millionenumsatz gut war. Der Konzern hat zweifellos Federn gelassen, der Umsatz lag vor zehn Jahren zwei Milliarden Euro höher, man erlebte Pleiten wie jüngst das Bezahlsystem Yapital, und auch jetzt gibt es immer noch etliche Baustellen. Um die wird sich ab 2017 Alexander Birken kümmern.
Birken wird verinnerlicht haben, das Stillstand heute mehr denn je Rückschritt bedeutet. Und wer weiß, ob Benjamin Otto in neun Jahren, wenn Birken die Altersgrenze erreicht, nicht doch noch mehr als ein „gestaltender Gesellschafer“ sein will. Otto ist dann 50.
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