Womöglich lag es an den Tonnen von Fotos vom verpackten Arc de Triomphe, dass Instagram Anfang dieser Woche in die Knie ging. Gab es einen Influencer, der sich in Paris zwischen zwei Schauen nicht vor Christos Werk ablichten ließ? Der sechsstündige Shutdown von Facebook, Instagram und Whatsapp am Montag vermittelte den Werbetreibenden eine leise Ahnung davon, wie sich die Einzelhändler beim monatelangen Lockdown gefühlt haben mussten. No Business without Showbusiness. Oder auch „Hetzefrei“, wie einer auf Twitter fast erleichtert schrieb.
Die Funktionsfähigkeit war schnell wieder hergestellt. Mehr Kopfzerbrechen wird Mark Zuckerberg der seit Wochen anhaltende Kursverfall der Facebook-Aktie bereiten. Dazu kommen die aktuellen Enthüllungen der Ex-Insiderin Frances Haugen. Dabei belegt die Whistleblowerin bloß, was alle wissen: Facebook ist eine von Zauberlehrling Zuckerberg geschaffene, mittlerweile unkontrollierbare Höllenmaschine, die aus Profitsucht Gesellschaft und Demokratie gefährdet. Vielleicht schürt das bei der einen oder anderen Marke doch Zweifel, ob dies das beste Umfeld ist, seine Botschaften zu platzieren. Zumal den Marketeers das Wort ‚social responsibility‘ heute so locker über die Lippen kommt wie früher „Sommerschlussverkauf‘.
Aber weil die meisten Leute wahrscheinlich lieber „Emily in Paris“ gucken als sich auf Netflix mit „Social Dilemma“ die Laune verderben zu lassen, werden sie auch Facebook & Co. weiter nutzen. Nicht zuletzt gehören die sozialen Netzwerke für viele Menschen mittlerweile zur Infrastruktur ihres Lebens. Deshalb werden sie auch ein Must-be für Werbetreibende bleiben.
Die Modeleute tummeln sich vor allem auf Instagram. Der Bilderdienst ist das einflussreichste Modemedium aller Zeiten. Und demnächst vielleicht auch die frequenzstärkste Einkaufsmeile im Netz. Schon eine ganze Weile geht es auf Instagram nicht mehr nur ums Gucken, sondern auch ums Shoppen. Dass man die Plattform dazu verlassen muss, stört indes so manchen Kaufimpuls. Über kurz oder lang werden die Instagram-Macher deshalb für eine bessere Integration von Kaufangeboten sorgen (müssen).
Ein gewaltiger Hebel könnte Instagrams geplantes Affiliate-Programm werden, das in den USA derzeit als Beta-Test läuft. Business Insider enthüllte kürzlich Details dazu. Influencer sollen künftig Kommission über Instagram erhalten können für Produkte, die sie im Feed oder in ihren Stories getagt haben. Bis zu 20% vom VK-Preis sollen die Brands dafür rausrücken. Eine von mehreren Initiativen, die die Plattform attraktiver für sog. Content Creators machen soll. Und eine gewaltige Konkurrenz für Affiliate-Plattformen und Influencer-Agenturen. Inwieweit Instagram Kommission abzwackt, ist noch nicht klar. In jedem Fall ist das Netzwerk in der Lage, global jeden relevanten Influencer zu identifizieren und den Brands als potenzielle Schaufensterfigur anzubieten. Und wer weiß, ob wir uns damit eines Tages nicht alle etwas dazu verdienen können. Influencer, das sind wir schließlich ja alle irgendwie für irgendwen.
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Und sonst?
…hat das KadeWe seine spektakuläre Rem Koolhaas-Treppe eröffnet: eleganter wird man kaum irgendwo zum Geldausgeben gebracht.
…rätselt man in Gelsenkirchen-Buer, was es mit den Werbeplakaten in der Fußgängerzone auf sich hat: Chanel, Prada, Fendi – „Wir bauen für Sie um“. Wird Gelsenkirchen-Buer zur Designer-Hochburg?“, fragt sich die WAZ. Das Ganze ist wohl eher ein aufmerksamkeitsstarker Hinweis auf den massiven Leerstand in der Einkaufsstraße.
…haben wir gerade eine der größten Krisen dieser Generation erlebt. Die Zahl der Firmenpleiten wird in Deutschland nach Einschätzung des Kreditversicherers Euler Hermes dennoch auf den niedrigsten Stand seit etwa zehn Jahren sinken. Den staatlichen Corona-Hilfen sei Dank.
…gab Elizabeth Currid-Halkett der SZ ein sehr lesenswertes Interview (Paywall). Die Geldelite sei durch eine Tugendelite abgelöst worden, so die amerikanische Soziologin. „Wir bemessen gesellschaftliches Ansehen heute daran, wie gebildet jemand ist, wie achtsam und wie umweltbewusst er oder sie sich verhält.“ Die neue Oberklasse nutze ihr Wissen, ihre Bildung, ihr Umweltbewusstsein auch, um ihr Luxusgehabe zu bemänteln. "Ich glaube, dass wir uns manchmal einreden, dass wir Gutes für die Welt tun, obwohl wir in Wahrheit nur Gutes für uns selbst tun."