Okay. Über die Relevanz dieser Laden-Eröffnungen für den hiesigen Einzelhandel kann man geteilter Meinung sein. Sie fanden in New York und Tokio statt. Weit weg. Und natürlich muss man an der Fifth Avenue und an der Ginza anders auftreten, als im Frankfurter Hessen-Center oder in der Fußgängerzone von Reutlingen. Die Controller können zudem Fünfe gerade sein lassen. Denn die Weltstadt-Flagships der internationalen Ketten sind meist auch Werbeflächen, bei denen es nur indirekt ums Geldverdienen geht. An diesen exponierten Standorten können sich eigentlich nur die Vermieter die Taschen richtig voll machen. Fürs Brand Building sind die Flagships dennoch wertvoll, wenn nicht unerlässlich. Und das nicht nur wegen der internationalen Frequenz, sondern auch wegen der medialen Strahlkraft. So finden sich im Internet massenweise Fotos des gerade neu eröffneten Uniqlo-Stores in Tokio.
Inditex hat dieser Tage Journalisten aus der ganzen Welt nach New York einfliegen lassen, um die Premiere des neuen Zara-Store Designs zu feiern. So etwas ist für die Presse außerhalb von Fachmedien und Blogosphäre eigentlich kein Thema, und viele Wirtschaftsjournalisten sind wahrscheinlich nur mitgereist in der Hoffnung, Inditex-CEO Pablo Isla bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte ein Wort zu entlocken. Vergeblich.
Dass Zara eine Store-Premiere so aufwändig zelebriert, zeigt aber den Stellenwert, den die Läden im Geschäftsmodell des spanischen Mode-Giganten haben: Ware und Preise sind sicher attraktiv, aber erst durch die Inszenierung am POS entfaltet die Marke Zara ihre volle Wirkung. Und weil Zara bekanntlich auf klassische Werbung verzichtet, sind die Läden das wichtigste, weil nahezu einzige Kommunikationsmedium.
Der Einsatz am Point of Sale steigt. Das ist kein neues Phänomen, aber künftig noch wichtiger – auch im Frankfurter Hessen-Center oder in der Fußgängerzone von Reutlingen: Der stationäre Einzelhandel kann gegenüber der zunehmenden Online-Konkurrenz insbesondere mit „Store Experience“ punkten, mit sozialen Kontakten, Unterhaltung und Aufenthaltsqualität. Aber auch ohne Amazon & Konsorten zwingt der Wettbewerb zu mehr Kreativität im Verkauf. Den Extrempunkt dieser Entwicklung markieren sicherlich Abercrombie und Hollister. Beispiele für die wachsende Bedeutung des POS-Auftritts finden sich aber viele. Ein Billigheimer wie Primark wird erst durch seine attraktiven Läden zum Value Retailer. Apple war schon Kult, bevor die Marke Retailer wurde. Aber erst die Läden machen das Apple-Universum für eine breite Kundengruppe begreifbar, und das im wahrsten Sinne des Wortes. J.Crew, Urban Outfitters, Anthopologie, Jack Wills, All Saints – jeder dieser Retailer verbindet auf seine Weise einen authentischen und individuell wirkenden Auftritt mit der skalierbaren Konzeption eines Filialsystems. Bezeichnenderweise stammen die meisten dieser Store-Formate aus dem angloamerikanischen Business. Die haben das Marketing halt erfunden.
Nicht nur Google profitiert von der Umschichtung der Marketing-Budgets. Wenn Ladenbauer börsennotiert wären, würden Analysten deren Aktien zurzeit wohl ebenso auf „Buy“ stellen.
Weitere Fotos der Zara- und Uniqlo-Flagships gibt es auf TextilWirtschaft.de.
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