Voll war's. Insbesondere an den Auftakttagen Dienstag und Mittwoch schoben sich die Massen durch die Gänge von Panorama und Premium wie nach dem Krieg bei Karstadt am langen Samstag. Wenn Frequenz allein ein Gradmesser fürs Geschäft sein sollte, dann war von Krise in Berlin wenig zu spüren. Erst am Donnerstag und Freitag verlief es sich. Auch die Stimmung war gut. Aber hey – man trifft sich auf Messen schließlich nicht, um gemeinsam Trübsal zu blasen. Es mag geholfen haben, dass die Umsätze in den letzten Wochen so schlecht nicht waren. So kann und wird es im Herbst hoffentlich weitergehen. Schwache Vorlagen und im Zweifel der Rotstift werden beim Plusmachen helfen.
Die Bread & Butter war nur noch ein Schatten ihrer selbst und doch in aller Munde. Was Zalando mit Tempelhof anstellen wird, bleibt unklar. Auch das Zalando Fashion House im Kaufhaus Jandorf gab keine rechte Antwort. Mittwochmittag war es dort leise wie in der Kirche. Wer da war, war online. Ein Hochamt der Mode stellt man sich anders vor.
Vielleicht so wie der Berliner Modesalon? Im Kronprinzenpalais inszenierte die Vogue zum zweiten Mal eine Werkschau deutschen Modedesigns. Dort konnte man auf Tuchfühlung mit den Machern und ihren Produkten gehen. Was den Profis mehr entgegenkommt als der Zirkus am Brandenburger Tor. Schade nur, dass viele Topfashion-Einkäufer diese Woche nach Düsseldorf mussten, um Precollections zu sichten.
Die Berliner Bühne wird längst nicht mehr nur als Ausstellungsfläche für Kollektionen, sondern auch als Kommunikationsplattform für Ideen genutzt. Die Premium propagiert mit FashionTech ein wichtiges Zukunftsthema. Auf der Veranstaltung am Mittwoch gab es früh keine Sitzplätze mehr. Microsoft blies mit der Ausstellung IT Couture ins selbe Horn. Das Zeitmagazin und Vogue lieferten mit der Mode + Stil-Konferenz Denknahrung und empfahlen sich als die intelligente Alternative zu anderen Hochglanztiteln. P&C kürte mit Mareike Massing die Designerin for Tomorrow und bot internationalen Nachwuchsdesignern erneut eine Plattform und Chance. Und Vogue-Chefredakteurin Christiane Arp und ihre Mitstreiterinnen vom Fashion Council Germany positionieren sich als Mode-Lobbyisten. Obwohl erst spät aus Paris angereist, war Medienprofi Arp in Berlin omnipräsent – auf dem Cover der "Style in Progress" und gestern in einem großen Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Dass solche Initiativen selten uneigennützig sind, werden nur die Einfallslosen und Neider kritisieren. Zumindest jenseits von Düsseldorf und München dürfte Einigkeit darin bestehen, dass Berlin als einzige deutsche Metropole mit wirklich internationaler Strahlkraft für die hiesige Modewirtschaft ein Glücksfall ist. Insofern ist jede Initiative, die diese Strahlkraft unterstützt, zu begrüßen.
Berlin, so der Fashion Director des Zeitmagazin, Tillmann Prüfer auf der Konferenz am Donnerstag, Berlin ist die Stadt der verziehenen Fehler. Was bleibt der Stadt auch anderes übrig?