Donnerstag, 28. Oktober. Ist das der Peak? Manche Fachleute sprechen seit langem davon, dass Amazons Wachstumsstory ein Ende findet. Nun meldet der Online-Gigant fürs dritte Quartal ein Umsatzwachstum von 3 Prozent im eigenen Handelsgeschäft. Nur noch 3 Prozent!
Die Konkurrenz sollte sich nicht zu früh freuen. Zum einen sind die 3 Prozent immer noch mehr als eineinhalb Milliarden Dollar, die Amazon dem Markt in einem einzigen Quartal zusätzlich abgeknöpft hat. Hinzu kommt, dass man im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, als die Läden auf der halben Welt wegen Covid schließen mussten, um sage und schreibe 38 Prozent zugelegt hat, und dieses gewaltige Niveau von fast 50 Milliarden Dollar offensichtlich halten kann. Es sieht so aus, als ginge das Internet tatsächlich nicht mehr weg.
Im Übrigen sind die eigenen Onlineshops seit längerem nicht mehr im Fokus von Amazons Wachstumsstrategie. Anderswo lässt sich mehr Geld verdienen. Und dort konnte Amazon erneut massiv zulegen: Die Marketplace-Erlöse sind um 19 Prozent gewachsen, die extrem profitable Cloudsparte AWS um 39 Prozent und die sonstigen Umsätze (die man insbesondere mit Werbung erzielt) um 50 Prozent. Nach neun Monaten hat Amazon über 332 Milliarden US-Dollar eingenommen. Über 70 Milliarden mehr als im Vorjahr. Und das Weihnachtsgeschäft kommt noch.
4,269 Milliarden Dollar erlöste Amazon im dritten Quartal übrigens mit stationären Läden, ein Plus von 13 Prozent. So ein Wachstum hätten die meisten Einzelhändlern in diesem Sommer gerne gehabt.
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Freitag, 29. Oktober. Während sich die Feuilletons an den „Facebook Papers“ abarbeiten, und Gutfirmen wie Patagonia wegen Hatespeech und Fakenews zum Facebook-Boykott aufrufen, zündet Mark Zuckerberg eine neue Rakete. Anders als der Phallus von Jeff Bezos bringt diese uns nicht ins Weltall, das Ziel ist dennoch kaum weniger fantastisch: Was wir heute noch als Internet kennen, soll eines Tages durch das Metaversum abgelöst werden, den Zusammenschluss aller virtuellen Welten zu einer Art parallelen Realität, in der wir künftig arbeiten, spielen und konsumieren sollen. Und wo digitale Infrastrukturanbieter wie Facebook noch mehr Geld verdienen würden. Dass es Zuckerberg ernst mit dieser Vision ist, zeigt die Umbenennung seines Konzerns in „Meta“.
Die Idee des Metaversum erinnert an Second Life, jene bereits vor knapp 20 Jahren gestartete virtuelle Welt, in der man am Ende nicht allzu vielen Leuten begegnet ist. Aber wir sind inzwischen ja doch ein wenig weiter, technologisch wie mental. Als Second Life 2003 an den Start ging, war das iPhone noch nicht erfunden. Nach der rasanten Digitalisierung, die wir seither erlebt haben, hält man heute ja irgendwie alles für möglich. „Das Metaverse wird es uns ermöglichen, uns von der derzeitigen Form und Funktion physischer Geschäfte zu lösen und selbst die besten digitalen Einkaufserlebnisse von heute um Lichtjahre zu übertreffen“, schrieb Doug Stephens bereits diesen Juni in BoF. In seinem lesenswerten Beitrag setzt er die vielen bereits sichtbaren digitalen Trends in einen Kontext. „Warum um alles in der Welt sollten wir unsere Version des Einzelhandels aus der Industriezeit als Vorlage für die Zukunft verwenden? Marketeers, Ladendesigner, Merchandiser und andere werden anfangen müssen, ganz anders darüber zu denken, was ein ‚Geschäft‘ ist.“
Und die Designer, was ‚Fashion‘ ist, möchte man hinzufügen. Mit dem Hype um digitale Mode haben wir uns bereits beschäftigt. Auch Siems Luckwaldt hat zuletzt ordentlich Wasser in diesen digitalen Wein gegossen.
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Montag, 1. November. Matchesfashion meldet einen Umsatzeinbruch um fast 10 Prozent auf 392 Millionen Pfund und einen auf 36,6 Millionen Pfund gestiegenen Verlust. Für 2020! Dem Jahr, in dem die Onlineumsätze wegen des Lockdowns überall explodierten! In dem Mitbewerber wie Mytheresa und Farfetch abgingen wie Schmidts Katze! Wo Amazon und Zalando Allzeit-Hochs an der Börse erreichten!
Der Online Retailer wird für Inhaber Apax zum Millionengrab: im vergangenen und in diesem Jahr musste der Finanzinvestor bereits 85 Millionen Pfund nachschießen. Nicht nur die 2011 erworbene Tochter Takko entpuppt sich als Ladenhüter. Auch ein Online-Player im vermeintlich stabilen Luxury-Markt ist heute kein Selbstläufer mehr.
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Mittwoch, 3. November. Nach dem Corona-Boom sind die Bremsspuren auch bei Zalando nicht zu übersehen. Die Berliner können das Wachstumstempo nur mit Rabatten und hohen Werbekosten halten. Das Ebitda ist deshalb im dritten Quartal um über 100 Millionen Euro abgestürzt, netto steht ein Verlust von 8,4 Millionen Euro. Auf der Haben-Seite stehen mehr Traffic, mehr Kunden und ein leicht höherer Warenkorb. Das Management hält für das Gesamtjahr an seiner strammen Wachstumsprognose fest: ein bereinigtes Ebit zwischen 400 bis 475 Mio. Euro, ein Zuwachs beim GMV um 31 bis 36% auf 14 bis 14,6 Mrd. Euro, ein Umsatzplus zwischen 26 bis 31% auf 10,1 bis 10,5 Mrd. Euro.
Die Anleger reagierten dennoch nervös: Die Aktie verlor am Mittwoch über 8 Prozent. Anders als um Matchesfashion müssen wir uns um Zalando aber keine Sorgen machen.
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Donnerstag, 4. November. Die Deutschen verbrachten im Lockdown nicht nur mehr Zeit im Internet. Sondern auch ganz old school vor dem Fernseher. Davon profitierte neben Netflix auch Teleshopping. So hat HSE 2020 das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte verzeichnet: ein Umsatzplus von 4,4 Prozent auf 809 Millionen Euro und ein Ebitda von 160 Millionen – was einer Marge von 19,8 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Zalando brachte es im Corona-Boom-Jahr gerade mal auf 8 Prozent.
So konnte man es sich leisten, Thomas Rath vom Konkurrenten QVC abzuwerben. Der soll ab dem kommenden Jahr bis zu 100 Millionen Euro in die HSE-Kasse spülen. Thomas Rath wäre damit aktuell der kommerziell erfolgreichste deutsche Designer, der Mode unter seinem eigenen Namen verkauft. Nach Philipp Plein, aber der ist ja kein echter Designer.
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Das RKI meldet heute mit fast 34.000 Neuinfektionen den höchsten Tageswert seit Pandemiebeginn. Dass die Digitalmanager von einem erneuten Lockdown träumen, ist freilich eine böse Unterstellung.