Passiert large

„Mal kurz den Slip aufblitzen lassen, darum geht es“

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Jür­gen Mül­ler

Was ihr Lieb­lings­ac­ces­soire sei, wur­de Vivi­en­ne West­wood mal gefragt. Ihre Ant­wort: „Ein Buch“.

Wahr­schein­lich wür­den das nicht vie­le Mode­de­si­gner von sich sagen, und mög­li­cher­wei­se war der bil­dungs­bür­ger­li­che Hin­weis ja auch als Pro­vo­ka­ti­on gegen­über ihrer Pro­fes­si­on gemeint. Für West­wood war Punk schließ­lich nicht bloß eine Mode (die bis heu­te man­che auf den Sex Pis­tols-Look redu­zie­ren), son­dern eine Hal­tung: „Mal kurz den Slip auf­blit­zen las­sen, dar­um geht es.“ Am 29. Dezem­ber ist Vivi­en­ne West­wood mit 81 Jah­ren gestor­ben.

Was ist sonst noch pas­siert um den Jah­res­wech­sel?

Dani­el Grie­der ist neu­er Gesell­schaf­ter bei Strolz. Der Hugo Boss-CEO ver­schafft dem durch Coro­na in eine Schief­la­ge gera­te­nen öster­rei­chi­schen Tra­di­ti­ons­händ­ler gemein­sam mit Part­nern fri­sches Kapi­tal und wird jetzt mit dafür sor­gen, dass „Strol­zen“ in Lech und Zürs noch attrak­ti­ver wird. Was soll man bei den der­zei­ti­gen Schnee­ver­hält­nis­sen in den Alpen auch sonst tun.

Der­weil schau­en alle neid­voll nach Japan. Uni­q­lo-Inha­ber Tada­shi Yanai erhöht die Gehäl­ter von 8400 Fest­an­ge­stell­ten um bis zu 40%, im Sep­tem­ber hat­ten 41.000 Teil­zeit­mit­ar­bei­ter bereits durch­schnitt­lich 20% mehr bekom­men. Liest sich super, tat­säch­lich rech­net das Unter­neh­men mit ledig­lich 15% höhe­ren Per­so­nal­kos­ten. Dazu kommt, dass Arbeit in Japan immer noch ver­gleichs­wei­se bil­lig ist. Der Min­dest­lohn liegt je nach Regi­on zwi­schen bei 6 und 7,60 Euro. Da ist ein Infla­ti­ons­aus­gleich mög­li­cher­wei­se beson­ders dring­lich.

Im Spie­gel-Inter­view agi­tiert Rewe-Chef Lio­nel Sou­que gegen die Preis­trei­be­rei der Lebens­mit­tel­her­stel­ler und behaup­tet, dass ein Gut­teil der Infla­ti­on Gier­fla­ti­on sei. Und er warnt: „Die Kun­den haben eine Schmerz­gren­ze beim Preis, wenn die über­schrit­ten ist, lösen sie sich auch von lieb­ge­won­ne­nen Mar­ken.“ Men­schen, die vor­her höher­wer­ti­ge Pro­duk­te gekauft haben, grif­fen jetzt in die unte­re Preis­ka­te­go­rie. „Geiz ist wie­der da, aber geil fin­den die Leu­te es nicht.“ Vie­le Men­schen könn­ten es sich anders nicht mehr leis­ten. „Ande­re, wie ich, möch­ten ein­fach nicht abge­zockt wer­den.“

Schö­ne Grü­ße an die Mode-Kol­le­gen. Nach einer aktu­el­len ifo-Umfra­ge wol­len fast 80% der Mode­her­stel­ler Prei­se erhö­hen. Im Mode­han­del erwar­tet ledig­lich die Hälf­te der Anbie­ter, höhe­re Prei­se durch­set­zen zu kön­nen. Das dürf­ten inten­si­ve Gesprä­che in der anlau­fen­den Order­run­de wer­den.

Mit Kos­ten­stei­ge­run­gen müs­sen sich zur­zeit alle her­um­schla­gen, auch die Online Retail­er. Dies in Ver­bin­dung mit der nach Ende der Lock­downs nach­las­sen­den Wachs­tums­dy­na­mik hat zu dra­ma­ti­schen Kurs­ver­lus­ten geführt. Die pas­sen­de Tabel­le dazu lie­fert Exci­ting Com­mer­ce: Die im GLO­RE50-Fonds ver­tre­te­nen Online Retail­er lie­gen mitt­ler­wei­le wie­der auf dem Kurs­ni­veau von 2019 und damit rund 70% unter dem Höchst­wert. Die Unter­neh­men steu­ern mit Ent­las­sungs­wel­len gegen. Allein Ama­zon baut welt­weit 18.000 Stel­len ab. Mit­ar­bei­ter for­der­ten des­we­gen in inter­nen Chats die Rück­kehr von Jeff Bezos auf den Chef­ses­sel, berich­tet Busi­ness Insi­der. Als wür­de der Grün­der mehr Rück­sicht auf die Beleg­schaft neh­men als CEO Andy Jas­sy.

Aber auch im sta­tio­nä­ren Geschäft gibt es gewal­ti­ge Brems­spu­ren. 41.000 Läden haben seit 2019 geschlos­sen, sag­te HDE-Prä­si­dent Alex­an­der von Preen den Zei­tun­gen der Fun­ke Medi­en­grup­pe. Eine bru­ta­le Zahl, die durch die Schlie­ßungs­wel­len bei Gale­ria, Görtz, Pri­mark und C&A illus­triert wird. Vor Coro­na gab der Ein­zel­han­del im Jahr durch­schnitt­lich nur rund 5000 Stores auf. Der­zeit gibt es laut HDE bun­des­weit noch etwa 312.000 Läden in Deutsch­land.

Einer davon ist Egon Brand­stät­ter in Ber­lin, dem der Spie­gel ein lesens­wer­tes Por­trait wid­met. Der 46jährige, einer von Deutsch­lands letz­ten ech­ten Voll­maß­schnei­dern, trägt kurio­ser­wei­se selbst kaum Anzü­ge. Er defi­nie­re sich nicht über Äußer­lich­kei­ten. „Ande­re glück­lich machen ist mir viel wich­ti­ger, als dass ich gut vor dem Spie­gel aus­se­he.“

Am sel­ben Tag inter­viewt die SZ den Wie­ner Kul­tur­ma­na­ger und Mode­ra­tor Gerald Matt. Der ist in der Wie­ner Socie­ty für sei­ne extra­va­gan­te Erschei­nung bekannt und damit gleich­zei­tig sti­lis­ti­scher Anti­po­de wie poten­zi­el­ler Traum­kun­de von Maß­schnei­der Brand­stät­ter. „Die Leu­te haben ver­ges­sen, wie man sich respekt­voll klei­det“, so Matt. „Alles ist heu­te banal zweck­mä­ßig, man soll ein gut funk­tio­nie­ren­der Teil die­ser Effi­zi­enz­ge­sell­schaft wer­den. Das lernt man heu­te schon in der Schu­le, wo statt Tho­mas Manns ‚Zau­ber­berg‘ Bewer­bungs­schrei­ben Abitur­the­men sind.“ Was zu die­sem ‚Zweck­fe­ti­schis­mus‘ am wenigs­ten pas­se, sei die Kra­wat­te, sagt Matt. Kra­wat­ten­tra­gen bedeu­te heu­te eine Absa­ge an die mitt­ler­wei­le tota­li­tä­re Frei­zeit- und Bequem­lich­keits­ge­sell­schaft. „Mein Onkel hat, wenn er von der Bank nach Hau­se kam, immer die Kra­wat­te abge­legt, das war für ihn der Beginn der ‚gro­ßen Frei­heit‘. Ich habe ihm dann gesagt: Wenn du frei sein willst, muss du bei der Bank kün­di­gen! (…) Heu­te macht es gera­de­zu Spaß, die soge­nann­te Zwang­lo­sig­keit der Bos­se mit ele­gan­ter Kra­wat­te als plat­te Mas­ke­ra­de und popu­lis­ti­sche Anbie­de­rung zu kon­ter­ka­rie­ren.“

Apro­pos Traum­kun­de. In der DOB ist das defi­ni­tiv Char­lè­ne von Mona­co. Die Fürs­tin soll nach der Zäh­lung des Mode­blogs UFO No More im ver­gan­ge­nen Jahr 105 neue Klei­dungs­stü­cke getra­gen haben. Für 65 davon habe sich ein Preis ermit­teln las­sen, ins­ge­samt hat Char­lè­ne knapp 740.000 Euro dafür aus­ge­ge­ben. Macht im Schnitt mehr als 11.000 Euro! Fast schon beschei­den nimmt sich dage­gen die als unbe­schei­den ver­ru­fe­ne Meg­han aus: Har­rys bes­se­re Hälf­te wur­de in 97 neu­en Klei­dern gesich­tet, Durch­schnitts­preis der 70 iden­ti­fi­zier­ten Tei­le: 1527 Euro.

Doch wen­den wir uns den wich­ti­ge­ren Per­so­na­li­en zu.

Über den Jah­res­wech­sel wur­den etli­che Chef­ses­sel neu besetzt. Mit Son­ja Balo­dis kehrt eine alte Bekann­te nach Rot­ten­dorf zurück. Ex-Neonyt-Macher Thi­mo Schwenz­fei­er über­nimmt die Ver­ant­wor­tung für P&Cs ‚Sus­taina­bi­li­ty Fashion Hub‘ in Ber­lin. Der für März geplan­te 3500 m²-Store am Pots­da­mer Platz soll Test­la­bor und Schau­fens­ter für die Nach­hal­tig­keits­in­itia­ti­ven der Düs­sel­dor­fer wer­den. Arndt Brock­mann soll die von About You gestar­te­te Cele­bri­ty Brand LeGer zu neu­en Ufern füh­ren – defi­ni­tiv mehr als die Eltern­zeit­ver­tre­tung für Lena Ger­ke, die sie auf der K5-Kon­fe­renz im Juni vom Podi­um aus­ge­ru­fen hat­te. Björn Gul­den hat­te sei­nen ers­ten Arbeits­tag als neu­er Adi­das-Chef. Und bei LVMH hievt Ber­nard Arnault nach und nach sei­ne Kin­der in die Top-Posi­tio­nen: Nach­dem Antoine Arnault neu­lich stell­ver­tre­ten­der Chef der Hol­ding­ge­sell­schaft wur­de, über­nimmt die Erst­ge­bo­re­ne Del­phi­ne Arnault den Chef­ses­sel bei Chris­ti­an Dior, der bis­he­ri­gen CEO Pie­tro Bec­ca­ri wech­selt zum Kon­zern-Flagg­schiff Lou­is Vuit­ton. Auch die ande­ren drei Spröss­lin­ge sind im Kon­zern gut ver­sorgt: Sohn Alex­and­re Arnault ist EVP bei Tif­fa­ny, Fré­dé­ric CEO von Tag Heu­er und Jean küm­mert sich als Mar­ke­ting- und Ent­wick­lungs­lei­ter um die Lou­is Vuit­ton-Uhren.

In Deutsch­land ungleich publi­kums­wirk­sa­mer ver­läuft der sich anbah­nen­de Gene­ra­ti­ons­wech­sel im Hau­se Tri­gema. Seit Wochen han­gelt sich Wolf­gang Grupp von Inter­view zu Inter­view. Im Schwarz­wäl­der Boten for­dert er nied­ri­ge­re Steu­ern für arbei­ten­de Rent­ner. In der Main­post pran­gert er Gier und Grö­ßen­wahn von Mana­gern an. Dem Mer­kur erzählt er, wes­halb er nur das Nötigs­te kauft, wie zum Bei­spiel einen Hub­schrau­ber. Und schließ­lich ver­kün­det der 80jährige im Stern, dass er sich 2023 zurück­zie­hen wer­de und das Unter­neh­men sei­ner Frau über­schrei­ben wer­de. Inner­halb von sechs Mona­ten soll es dann auf eines der bei­den Kin­der über­ge­hen, das sei laut Grupp not­wen­dig, um nicht dop­pelt Erb­schaft­steu­er zah­len zu müs­sen.

Wer wird es sein? Weder Boni­ta noch Wolf­gang Jr., weiß die Tita­nic. Momen­tan ten­die­re Grupp zu einer künst­li­chen Intel­li­genz „aus der For­schung beim Daim­ler“, wel­che schon heu­te die Tri­gema-Tank­stel­len lei­te.