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“Natürlich wünscht man sich als Eltern, dass die Kinder die Firma weiterführen”

David und Tobias Schellenberger haben sich entschieden, das von ihren Eltern gegründete Unternehmen zu übernehmen. Seit vier Jahren arbeiten sie bei Schera Seite an Seite mit Brigitte und Ralf Schellenberger. Sabine Spieler hat mit der Familie über ihre Motivation, ihre Pläne und die Herausforderungen gesprochen. "Es geht ja nicht nur darum, ob die Kinder es tatsächlich auch wollen – sondern auch darum, ob sie es auch können."

Tobi­as, David: Stand für Euch bei­de immer schon fest, dass Ihr irgend­wann das elter­li­che Unter­neh­men über­neh­men wer­det?

Tobi­as: Bei mir ja. Ich war schon früh auf den Mes­sen dabei und habe oft auch mit­ge­hol­fen. Mir war klar, dass ich was mit Mode machen möch­te und habe dann ja auch in Nagold stu­diert.

David: Ich habe es mir eher offen­ge­hal­ten. Ich war natür­lich auch auf Mes­sen dabei, aber ich habe mich dann erst­mal für ein BWL- und IT-Stu­di­um ent­schie­den und anschlie­ßend noch einen Mas­ter in Wirt­schaft und Recht drauf­ge­setzt. Mei­ne ers­ten Berufs­er­fah­run­gen habe ich trotz­dem in Mode­un­ter­neh­men gemacht, erst bei Eti­en­ne Aigner und danach bei Marc O’Polo und Mythe­re­sa.

Habt ihr die Ent­schei­dung Euren Kin­dern über­las­sen? Oder war das schon so, dass ihr ein biss­chen dar­auf hin­ge­wirkt habt?

Ralf Schel­len­ber­ger: Natür­lich wünscht man sich als Eltern, dass die Kin­der wei­ter­füh­ren, was man auf­ge­baut hat. Wir haben aller­dings nie Druck aus­ge­übt. Erst vor sie­ben Jah­ren, als es dar­um ging, dass wir auf­grund unse­res Wachs­tums in ein neu­es Fir­men­ge­bäu­de inves­tie­ren, haben wir gesagt, dass wir das nur machen,

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Raf­fa­el­lo Ros­si

wenn die Jungs kom­men.

Bri­git­te Schel­len­ber­ger: Tobi­as hat schon immer gesagt, wenn er es macht, dann nur zusam­men mit sei­nem Bru­der. Die zwei sind mit dem Unter­neh­men groß gewor­den. Unser Wohn­haus war zehn Meter von der Fir­ma ent­fernt. Wenn es irgend­wo gebrannt hat, muss­ten die Kin­der mit­hel­fen.

Ihr macht einen sof­ten Über­gang, das heißt, bei­de Gene­ra­tio­nen sind aktiv im Unter­neh­men. Wie lan­ge macht ihr das in die­ser Kon­stel­la­ti­on?

Ralf: Fast vier Jah­re.

Was sind die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen beim Los­las­sen?

Ralf: Es ist tat­säch­lich nicht so ein­fach wie es sich anhört. Wir sind alle vier ziem­lich beschäf­tigt. Es ist noch nicht so, dass wir jetzt sagen wür­den, wir kön­nen uns jetzt mal zwei, drei Mona­te aus­klin­ken.

Bri­git­te: Man muss ler­nen los­zu­las­sen und auch zulas­sen, dass Din­ge ver­än­dert oder anders gemacht wer­den. Das ist das Schö­ne, dass durch Tobi­as und David neu­er Input ins Unter­neh­men kommt, den es bis­lang in der Form gar nicht gege­ben hat. David zum Bei­spiel hat unse­re EDV kom­plett anders orga­ni­siert, das Unter­neh­men ist heu­te sehr viel digi­ta­ler auf­ge­stellt als es ohne ihn ver­mut­lich je gewe­sen wäre.

Ist es nicht beson­ders schwie­rig mit dem Abge­ben, wenn man noch aktiv ein­ge­bun­den ist?

Bri­git­te: Das ist natür­lich ein Pro­zess. Aber ich sehe schon, mehr viel­leicht noch als mein Mann, dass es wich­tig ist, dass wir auch mal für einen län­ge­ren Zeit­raum nicht da sind, damit sich die Jungs frei­schwim­men kön­nen – und auch die Mit­ar­bei­ter sich an die Situa­ti­on gewöh­nen.

Wie siehst Du das, Ralf?

Ralf: Ich sehe das ähn­lich wie Bri­git­te, aber so eine Über­ga­be ist nicht zu unter­schät­zen. Wir machen heu­te 40 Pro­zent mehr Umsatz als 2018, haben 40 Pro­zent mehr Mit­ar­bei­ter, haben B2C neu ent­wi­ckelt und noch dazu eine neue Mar­ke ins Leben geru­fen. Wir haben ange­fan­gen, das gan­ze Unter­neh­men zu digi­ta­li­sie­ren. Wir haben das The­ma Lohn­buch­hal­tung aus­ge­la­gert, nach­dem mei­ne Schwes­ter, die Pro­ku­ra hat­te und die gesam­te Ver­wal­tung gema­nagt hat, aus dem Unter­neh­men aus­ge­schie­den ist. Die­sen Part hat David zum Groß­teil über­nom­men. Was ich sagen möch­te: Wir haben neue Fel­der und auch eine Lücke: das ist die Pro­duk­ti­on, die ich aktu­ell noch kom­plett aus­fül­le. Da arbei­ten wir im Moment auf Hoch­tou­ren dran.

“Wir haben tatsächlich diskutiert, ob unsere Kinder überhaupt in der Lage sind, die Firma zu führen. Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir sie auch einstellen würden, wenn sie nicht Familienmitglieder wären.”

Ver­ste­he ich das rich­tig, dass die der­zei­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen eine Über­ga­be erschwe­ren?

Ralf: Die Her­aus­for­de­run­gen sind viel­schich­ti­ger gewor­den, die Auf­ga­ben­fel­der kom­ple­xer. Es fehlt aktu­ell nicht an Kön­nen oder Wis­sen, son­dern schlicht­weg an Res­sour­cen. Klar ist aber auch, dass eine Über­ga­be an die nächs­te Gene­ra­ti­on nur Hand in Hand geht und nur dann gelingt, wenn wir auch ein ver­nünf­ti­ges mitt­le­res Manage­ment auf­bau­en.

Gibt es einen Zeit­plan, bis wann der Gene­ra­ti­ons­wech­sel über die Büh­ne gehen soll­te?

Ralf: Wir waren mal bei einem Plan von fünf Jah­ren, dann wäre Ende Dezem­ber Schluss. Das wird lei­der nicht funk­tio­nie­ren.

Was ist das Pro­blem?

Ralf: Als wir den Plan gemacht haben, war die Welt noch eine ande­re. Durch Coro­na und den Ukrai­ne­krieg steht die gesam­te Mode­bran­che und Lie­fer­ket­te vor gra­vie­ren­den Ein­schnit­ten, die nicht vor­her­seh­bar waren.

Ist es in der aktu­el­len Situa­ti­on nicht viel­leicht sogar beru­hi­gend, die erfah­re­nen Eltern noch an der Sei­te zu haben?

Tobi­as: Abso­lut. Wenn man bald jeden Tag von Insol­ven­zen liest, kön­nen wir uns glück­lich schät­zen, dass es bei uns so gut läuft und wir noch die Eltern mit an Bord haben, die so ein extre­mes Know-how besit­zen und dabei noch so offen und auf­ge­schlos­sen sind. Als ich mit der Idee einer Gen­der-Kol­lek­ti­on um die Ecke kam, hät­ten wahr­schein­lich die meis­ten in der Gene­ra­ti­on mei­ner Eltern gesagt: was soll das denn jetzt? Aber mei­ne Eltern stan­den von Anfang an voll hin­ter dem The­ma. Das zeigt auch, wie modern unser Unter­neh­men tickt.

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Ros­si

Tobi­as, also bist du schon voll und ganz in Pro­dukt­fra­gen invol­viert. Was sind dei­ne Auf­ga­ben, David? 

David: Ich sage immer, mei­ne Ver­ant­wort­lich­keit hört da auf, wenn es ums Pro­dukt geht. (lacht). …im Ernst, ich bin für die Berei­che Per­so­nal, Ver­wal­tung und IT & Ope­ra­ti­ons zustän­dig,

Ent­spricht die Arbeits­ver­tei­lung auch ein biss­chen euren Cha­rak­te­ren?

David und Tobi­as: (gleich­zei­tig) Defi­ni­tiv.

Ralf Schel­len­ber­ger, was sind denn aktu­ell die größ­ten Bau­stel­len, die Euch dar­an hin­dern, Euch zurück­zu­zie­hen?

Ralf: Im Moment arbei­te ich extrem stark an der Umstruk­tu­rie­rung der Beschaf­fung. Da bleibt kein Stein mehr auf dem ande­ren. Durch die Explo­si­on der Prei­se in Ost­eu­ro­pa sind wir gezwun­gen, uns anders auf­zu­stel­len, das gilt auch für Mate­ria­li­en und Dis­po­si­ti­on. Zusam­men ist das ein Rie­sen­pro­jekt, das ich ope­ra­tiv betreue. Nicht zu ver­ges­sen unser neu­es Logis­tik­zen­trum, ein wei­te­res Pro­jekt, das in mei­ne Ver­ant­wort­lich­keit fällt.

Das klingt so, als sei es doch nicht so leicht los­zu­las­sen?

Ralf: Na ja, wir brau­chen ja noch eine Auf­ga­be, so alt sind wir ja noch nicht (lacht). Wei­ter­hin Pro­jek­te zu beglei­ten, aber nicht per­ma­nent in der Fir­ma anwe­send oder ope­ra­tiv ein­ge­bun­den zu sein, das ist eigent­lich mein Ziel.

Habt Ihr Euch im Vor­feld Gedan­ken dar­über gemacht, ob Eure Kin­der über­haupt die Fähig­keit haben, die­ses Unter­neh­men zu füh­ren?

Ralf: Auf jeden Fall. Gera­de in unse­rer Bran­che gibt es so vie­le Nega­tiv­bei­spie­le, wo Patri­ar­chen ihre Kin­der gezwun­gen haben, ins Unter­neh­men ein­zu­stei­gen. Wir haben tat­säch­lich dis­ku­tiert, ob unse­re Kin­der über­haupt in der Lage sind, die Fir­ma zu füh­ren und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Wir haben uns die Fra­ge gestellt, ob wir sie auch ein­stel­len wür­den, wenn sie nicht Fami­li­en­mit­glie­der wären.

Bri­git­te: …und das haben wir mit Ja beant­wor­tet. Aber das war tat­säch­lich ein wich­ti­ger Schritt in der Fin­dungs­pha­se. Es geht ja nicht nur dar­um, ob die Kin­der es tat­säch­lich auch wol­len – son­dern auch dar­um, ob sie es auch kön­nen.

David: Da haben wir ja Glück gehabt. (lachen bei­de).

Ralf: Es gibt ja zahl­rei­che Fir­men­bei­spie­le, wo die Grün­der irgend­wann über­for­dert sind und ihr Unter­neh­men dann an die Wand fah­ren. Ich glau­be, die größ­te Her­aus­for­de­rung und viel­leicht auch die ent­schei­den­de Ver­ant­wor­tung als Inha­ber besteht dar­in, sich in dem Moment der Zukunfts­ent­schei­dung klar­zu­ma­chen, dass es hier ums Unter­neh­men und nicht um das eige­ne Ego geht – und es mög­li­cher­wei­se dann auch in ande­re Hän­de zu geben, weil Exter­ne es bes­ser machen. Das ist doch eigent­lich die Unter­neh­mer­auf­ga­be Num­mer eins, eine Fir­ma lang­fris­tig pro­fi­ta­bel auf­zu­set­zen. Dazu gehört auch eine intel­li­gen­te Nach­fol­ge­re­ge­lung, unab­hän­gig der eige­nen Per­son oder von Fami­li­en­mit­glie­dern.

Wie schafft man es, als Juni­or-Chef sich bei lang­jäh­ri­gen Mit­ar­bei­ten­den Respekt zu ver­schaf­fen?

David: Als ich ange­fan­gen habe, habe ich mit jedem Mit­ar­bei­ter Ein­zel­ge­sprä­che geführt, um mir des­sen Erwar­tungs­hal­tun­gen, Hoff­nun­gen, aber auch Beden­ken anzu­hö­ren. Ich glau­be, das hat mir einen rela­tiv guten Start ver­schafft.

“Die Ansage des Coachs war: Ihr könnt nicht das, was ihr macht, auf eure Söhne übertragen. Das geht nicht, weil die Jungs ihren eigenen Stil haben. Die zweite Ansage lautete: Ihr müsst akzeptieren, dass ihr über Kompetenzen verfügt, die dem Unternehmen verlorengehen. weil sie eure Söhne nicht erfüllen können.”

Trotz­dem heißt das nicht, dass man damit auto­ma­tisch die Akzep­tanz der Mit­ar­bei­ten­den hat.

David: Das ist rich­tig, Man muss sich die­se Rol­le auch ein Stück weit erar­bei­ten. Wor­te kann man vie­le ver­lie­ren, aber wenn man dann Din­ge ver­än­dert und es dann funk­tio­niert, aner­ken­nen die Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen das dann auch. Und fin­den das ein oder ande­re viel­leicht sogar bes­ser. Ein Posi­tiv­bei­spiel ist, dass wir von einer Siez- auf eine Duz-Kul­tur umge­stellt haben. Das war einer mei­ner ers­ten Schrit­te, den mitt­ler­wei­le auch jeder im Unter­neh­men gut fin­det.

Ralf: So gut, dass mitt­ler­wei­le bestimmt 80 Pro­zent der Mit­ar­bei­ten­den zu David gehen, wenn es um die Belan­ge Per­so­nal, Urlaub, Geld oder Abrech­nung geht – und nicht mehr zu mir (lacht). David ist sehr ruhig und sach­lich, nimmt sich Zeit für Gesprä­che und ist damit sehr wert­schät­zend. Ich bin emo­tio­na­ler. Da füh­len sich vie­le wahr­schein­lich bei David bes­ser auf­ge­ho­ben als bei mir

Und wie sieht es auf Kun­den­sei­te aus? Gibt es da Ein­zel­händ­ler, die viel­leicht ins­ge­heim den­ken, jetzt kommt da der jun­ge Schel­len­ber­ger und will mir einen erzäh­len. Wie sind dei­ne Erfah­run­gen in die­ser Hin­sicht?

Tobi­as: Ich muss sagen, dass unse­re Kun­den mich wirk­lich mit offe­nen Armen emp­fan­gen haben. Da, wo mein Vater ein sehr enges Ver­hält­nis zu Kun­den gepflegt hat, haben wir die Ter­mi­ne am Anfang immer zusam­men gemacht, bis er sich dann Schritt für Schritt aus­ge­klinkt hat.

Ergibt es für Euch in jedem Fall Sinn, dass man schon mal in einem ande­ren Unter­neh­men Erfah­run­gen gesam­melt hat, bevor man ins elter­li­che Unter­neh­men ein­steigt?

Tobi­as: Defi­ni­tiv. Also mir hat es mir extrem viel gebracht. Ich habe ja eine Zeit lang in Chi­na für eine Agen­tur gear­bei­tet, die die Pro­duk­ti­on für euro­päi­sche Mar­ken betreut hat. Anschlie­ßend war ich im Ein­zel­han­del bei Mode­haus Kuhn in Bad Mer­gen­theim, erst als Trai­nee, spä­ter als Bereichs­lei­ter DOB mit der Ver­ant­wor­tung für mehr als 100 Brands. Das war eine tol­le Zeit, in der ich auch im Bereich Mit­ar­bei­ter­füh­rung extrem viel gelernt habe.

Und wie läuft es jetzt ope­ra­tiv? Habt ihr dann jede Woche so einen Jour Fix oder irgend­wie ein fes­tes Mee­ting? Wie ist da das Pro­ze­de­re?

Birigt­te: Ja, also wir im Krea­tiv­team haben jetzt rela­tiv neu mit Tobi­as eine wöchent­li­che Bespre­chung.

Ralf: Und David und ich für Per­so­nal, Logis­tik und Beschaf­fung. Und dann haben wir ja noch alle zwei Wochen ein Mee­ting ange­setzt für Per­so­nal und Pro­zes­se, das wir lei­der oft nicht ein­hal­ten. Das ist defi­ni­tiv ein Punkt, den wir noch ver­bes­sern kön­nen.

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Seduc­ti­ve

Wor­an hapert’s?

David: Ehr­li­cher­wei­se meist, weil wir sel­ten alle vier da sind. Gefühlt ist immer einer weg.

Was sind im Unstruk­tu­rie­rungs­pro­zess jetzt die nächs­ten wich­ti­gen Steps?

Ralf: Wir haben in den letz­ten Jah­ren durch das schnel­le Wachs­tum und die Expan­si­on gemerkt, dass wir eine mitt­le­re Füh­rungs­ebe­ne im Unter­neh­men ein­zie­hen müs­sen. In die­sem Punkt enga­giert sich David jetzt stark. Das haben Bri­git­te und ich ehr­li­cher­wei­se ver­nach­läs­sigt. Wir haben die Fir­ma – sagen wir mal – eher hemds­är­me­lig geführt, aus dem Bauch her­aus Ent­schei­dun­gen getrof­fen, die in der Regel auch von uns gefällt wur­den. Mitt­ler­wei­le hat das Unter­neh­men eine Grö­ßen­ord­nung, in der man so nicht mehr arbei­ten kann und möch­te.

Ihr arbei­tet mit einem exter­nen Coach, der euch durch die­se Pha­se beglei­tet. Was ist des­sen Auf­ga­ben­schwer­punkt?

Ralf: Das Wich­tigs­te ist, eine neu­tra­le Per­son zu haben, die ganz nüch­tern von außen drauf­schaut. Die ers­te Ansa­ge kam gleich zu Beginn: Ihr könnt nicht das, was ihr macht, auf eure Söh­ne über­tra­gen. Das geht nicht, weil die Jungs ihren eige­nen Stil haben. Weil sie nicht eure Hand­lan­ger sind, son­dern eigen­stän­di­ge Per­sön­lich­kei­ten, die es anders machen wer­den. Die zwei­te Ansa­ge lau­te­te: Ihr müsst akzep­tie­ren, dass ihr über Kom­pe­ten­zen ver­fügt, die dem Unter­neh­men ver­lo­ren­ge­hen. weil sie eure Söh­ne nicht erfül­len kön­nen. Um ein bana­les Bei­spiel zu nen­nen: Bri­git­te und ich könn­ten eine Hose nähen. Das kön­nen unse­re Kin­der nicht. Das heißt, wir haben eine extre­me Kom­pe­tenz im Pro­duk­ti­ons­be­reich, die ver­lo­ren geht, wenn wir das Unter­neh­men ver­las­sen. Also müs­sen wir gucken, wie wir die­se Kom­pe­tenz sub­sti­tu­ie­ren. Das ist mit ein Grund, war­um wir jetzt in vie­len Berei­chen in die mitt­le­re Füh­rungs­ebe­ne inves­tie­ren.

Bri­git­te: Durch die­sen Coach besteht auch kei­ne Gefahr, dass man sich ver­zet­telt oder in emo­tio­na­len Neben­schau­plät­zen ver­strickt.

Wür­det ihr es wie­der so machen?

Ralf: Ohne Beglei­tung hal­te ich so eine Über­ga­be für rich­tig gefähr­lich. Denn natür­lich besteht die Gefahr, dass man sich so in die Haa­re kriegt, dass irgend­wann einer sagt, er will nicht mehr.

Aber ganz ohne Streit geht es doch sicher auch trotz Coach nicht?

Ralf: Natür­lich nicht, das bleibt nicht aus. Da wird auch mal mit har­ten Ban­da­gen gekämpft. (lacht) Also ich sage immer, wenn jemand etwas anders machen will, dann muss er mich auch über­zeu­gen.

Ist das rea­lis­tisch? Es kann ja auch sein, dass eure Söh­ne wie eben gesagt einen ande­ren Füh­rungs­stil haben?

Ralf: Rich­tig. Unser Haupt­the­ma ist, dass wir uns in einer Über­gangs­pha­se befin­den. Bis­lang war es so, dass unse­re Mit­ar­bei­ter uns was fra­gen konn­ten und wir eine Ant­wort parat hat­ten. Meis­tens war sie rich­tig, sonst wären wir nicht da, wo wir heu­te sind. So funk­tio­niert das aber in Zukunft nicht mehr. Zum einen sind wir zu groß gewor­den, zum ande­ren ist das auch kein moder­ner Füh­rungs­stil.

Was ist dabei die größ­te Chall­enge?

David: Dass die Mit­ar­bei­ter die Ver­ant­wor­tung auch anneh­men und selbst­stän­dig Ent­schei­dun­gen tref­fen. Das wird wahr­schein­lich nicht jeder mit­ma­chen. Bei so einem Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess gibt es immer wel­che, die aus­stei­gen. Lei­der.

Tobi­as: Es ist heu­te auch wich­tig, dass man auch jun­ge Mit­ar­bei­ter machen lässt, die wol­len etwas bewe­gen und sind dann extrem demo­ti­viert, wenn man sie nicht lässt.

Ralf: Das Füh­rungs­ver­ständ­nis zu ver­än­dern, ist tat­säch­lich aus mei­ner Sicht die größ­te Her­aus­for­de­rung.

Inwie­fern?

Ralf:  Alle, die schon län­ger im Unter­neh­men sind, und ich mei­ne das jetzt unab­hän­gig vom Alter, haben eine Unter­neh­mens­kul­tur erlebt, in der man auf unkom­pli­zier­tem Weg den Chef fra­gen kann und der eine Ant­wort parat hat. Und jetzt sind die Jungs da, die dann anders reagie­ren und agie­ren als wir. Das ist auch für die Mit­ar­bei­ter eine Her­aus­for­de­rung.

Was schätzt ihr an euren Eltern am meis­ten?

Tobi­as: Die Wer­te, die sie uns mit­ge­ge­ben haben, von klein auf. Etwa, dass man jeden gleich behan­delt, egal ob das jetzt der Geschäfts­füh­rer von Breu­nin­ger ist oder eine Aus­hil­fe aus der Logis­tik. Außer­dem die Pro­ak­ti­vi­tät und die Hands-on-Men­ta­li­tät, Din­ge vor­an­zu­trei­ben.

David: Als Hosen­an­bie­ter zwei Mar­ken auf­zu­bau­en, die zu den Top-Labels im Damen­ho­sen-Bereich euro­pa­weit zäh­len, ist eine wahn­sin­ni­ge Leis­tung, und es ist toll, dass wir das jetzt über­neh­men und wei­ter­füh­ren dür­fen.

Tobi­as: Ja, und auch die Kon­se­quenz, sich in all den Jah­ren immer treu zu blei­ben und nie sei­nen Fokus zu ver­lie­ren. Das fin­de ich schon eine respek­ta­ble Leis­tung.

Gibt es etwas, womit eure Kin­der euch über­rascht haben?

Ralf: Bei Tobi­as hat mich tat­säch­lich über­rascht, wie über­zeugt er von Ros­si war und da kon­se­quent sei­nen Weg ver­folgt hat. Das hat mich wirk­lich beein­druckt.

Und bei David?

Ralf: Bei David bin ich immer wie­der beein­druckt, wie reflek­tiert und ruhig er im Umgang mit den Mit­ar­bei­tern ist. Wäh­rend ich manch­mal über das Ziel hin­aus­schie­ße und dann auch mal Leu­te vor den Kopf sto­ße, bleibt David immer ruhig und hat dann meis­tens in letz­ter Kon­se­quenz auch die bes­se­re Lösung. Das wird mir mehr und mehr gespie­gelt.

Du bist der Aus­glei­chen­de in der Fami­lie?

David: Es gibt ja schnel­le und lang­sa­me Ent­schei­der. Ich bin defi­ni­tiv ein lang­sa­mer Ent­schei­der, und ich glau­be, des­halb bin ich für die Berei­che Per­so­nal, Pro­zes­se und Logis­tik auch zustän­dig. Ich könn­te nie eine Kol­lek­ti­on ent­wi­ckeln, da wür­den zur Order zwei Tei­le auf der Stan­ge hän­gen.

Wo soll für euch das Unter­neh­men in fünf Jah­ren ste­hen?

Tobi­as: Ganz ein­fach. Wir set­zen wei­ter­hin alles dar­an, dass die Frau, wenn sie eine Hose von uns anpro­biert, ein Lächeln auf den Lip­pen hat, weil sie sich in unse­ren Hosen sicher fühlt. Schö­ne Mate­ria­li­en, per­fek­te Pass­form, hoch­wer­ti­ge Ver­ar­bei­tung, ein guter Mode­grad. Der Umsatz kommt von allein, wenn du gut genug bist.

David: Ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt für uns ist die Zufrie­den­heit unse­rer Mit­ar­bei­ter. Das ist ein Punkt, der in einem Arbeit­neh­mer­markt eine zuneh­mend wich­ti­ge­re Rol­le spie­len wird und für uns ein gro­ßes The­ma für die nächs­ten Jah­re sein wird.

Sche­ra in Groß­wall­stadt ist einer der füh­ren­den Hosen­her­stel­ler in Deutsch­land. Die Mar­ke Raf­fa­el­lo Ros­si wur­de 1996 von Ralf und Bri­git­te Schel­len­ber­ger gegrün­det. Seit 2007 gibt es die exklu­si­ve Hosen­li­nie Seduc­ti­ve in Zusam­men­ar­beit mit Schanz Con­sul­ting. 2022 hat Tobi­as Schel­len­ber­ger die gen­der­neu­tra­le Hosen­kol­lek­ti­on Ros­si ins Leben geru­fen, die eine jun­ge, pro­gres­si­ve Ziel­grup­pe bedient und im Sep­tem­ber die­sen Jah­res erst­mals in New York prä­sen­tiert wur­de.