Passiert large

Kanzlertreffen in Berlin. Luxushandel in Mailand. Shein in Valencia.

Img
Jür­gen Mül­ler

Mon­tag, 21. Juli. Otto, Zalan­do und Deich­mann sind beim Tref­fen der Initia­ti­ve "Made for Ger­ma­ny" im Kanz­ler­amt mit dabei. Dass unter den 61 Spit­zen­ver­tre­tern der deut­schen Wirt­schaft ledig­lich drei Ein­zel­händ­ler ver­tre­ten sind, ist ange­sichts der volks­wirt­schaft­li­chen Bedeu­tung die­ser Bran­che trau­rig genug. Über­dies hat es neben Wirt­schafts­mi­nis­te­rin Kathe­ri­na Rei­che nur eine ein­zi­ge Frau auf das Grup­pen­bild geschafft (Bet­ti­na Orlopp von der Com­merz­bank). Drei wei­te­re weib­li­che CEOs, die eben­falls ein­ge­la­den waren, konn­ten nicht kom­men. Die Arbeit geht halt vor.

Doch im Ernst: Man­gel­haf­te Diver­si­tät ist zur­zeit nicht das Haupt­pro­blem der deut­schen Wirt­schaft. Hof­fen wir, dass von den gigan­ti­schen Inves­ti­ti­ons­zu­sa­gen der Unter­neh­men das erhoff­te Auf­bruch­si­gnal aus­geht.

+++++

Diens­tag, 22. Juli. „Reinven­ting mul­ti-brand retail“ haben die Ana­lys­ten von Bern­stein die Stu­die getauft, die sie kürz­lich mit Altag­am­ma in Mai­land vor­ge­stellt haben. Der Titel ist Wunsch­den­ken, tat­säch­lich ent­hält der Report wenig Greif­ba­res, wie sich der Mul­ti­la­bel­han­del neu erfin­den könn­te. Der Befund ist zunächst ein ande­rer: Wäh­rend die Luxus­mar­ken vor 20 Jah­ren knapp die Hälf­te (49%) ihres Umsat­zes in eige­nen Stores erwirt­schaf­tet haben, ist die­ser Anteil 2024 auf 86% ange­stie­gen. Das klas­si­sche Who­le­sa­le-Busi­ness spielt für die Kon­zer­ne längst nur noch eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Ein kohä­ren­ter Mar­ken­auf­tritt, den das High End-Seg­ment zwin­gend erfor­dert, ist nur in geschlos­se­nen Sys­te­men mög­lich. Die teu­re Dis­tri­bu­ti­on wird im Zwei­fel aus dem Mar­ke­ting­e­tat quer­sub­ven­tio­niert.

So haben die Luxus­mar­ken ihren Han­dels­part­nern Zug um Zug das Was­ser abge­gra­ben. Ein Albert Eick­hoff hat die­sen Struk­tur­wan­del vor Jah­ren anti­zi­piert. Von der Ent­wick­lung sind nicht nur die Pre­mi­um-Fach­händ­ler und die Depart­ment Stores in der Bel­eta­ge des Mark­tes betrof­fen, son­dern auch die Onli­ner, wes­we­gen sich auch im Luxu­ry E‑Commerce die Rei­hen lich­ten. Leid­tra­gen­de sind neue und klei­ne­re Mar­ken, für die der Mul­ti­la­bel­han­del tra­di­tio­nell der Weg zum Kun­den ist und die sich eine eige­ne Prä­senz in den Fuß­gän­ger­zo­nen nicht leis­ten kön­nen. Leid­tra­gen­de sind damit am Ende auch die Ver­brau­cher, die mit weni­ger Inno­va­ti­on und weni­ger Aus­wahl leben müs­sen.

+++++

Mitt­woch, 23. Juli. „Neu­es Mul­ti­la­bel-Kon­zept: UNIQS von Shein eröff­net in Valen­cia“, mel­det Retail News. Shein expan­diert sta­tio­när? Und dann auch noch mit Fremd­mar­ken der pol­ni­schen LPP Group (Reser­ved u.a.). Das klingt einer­seits unsin­nig, da unfle­xi­ble Läden das nach­fra­ge­ge­trie­be­ne Geschäfts­mo­dell des Manu­fac­tu­rin­g2­Con­su­mer-Pio­niers kon­ter­ka­rie­ren wür­den. Ande­rer­seits: Wer weiß schon, was dem Unter­neh­men im Vor­feld des Bör­sen­gangs so alles ein­fällt, was die doo­fen Ana­lys­ten von einer Wachs­tums­sto­ry über­zeu­gen könn­te. Omnich­an­nel ist ja angeb­lich das gro­ße Ding.

Und expe­ri­men­tiert Shein nicht seit einer Wei­le mit Popup-Stores? Vor­letz­ten Sep­tem­ber ver­kauf­ten die Chi­ne­sen zum Bei­spiel Dirndl im Münch­ner Glo­cken­bach­vier­tel, nächs­te Woche eröff­net eine tem­po­rä­re Flä­che in Mont­re­al. Die­se Popups die­nen in ers­ter Linie der Publi­ci­ty. Das Geld wird in der App ver­dient.

So kann es sich bei der Retail News-News eigent­lich nur um eine Ente han­deln, zumal auch auf der Inves­tor Rela­ti­ons-Web­site von Shein nichts zu UNIQS zu fin­den ist.

Wenn die Chi­ne­sen nicht hin­ter dem Laden in dem frisch reno­vier­ten Ein­kaufs­zen­trum MN4 in Alfa­far ste­cken – will da jemand gezielt Shein-Kun­din­nen locken? Oder hat der Betrei­ber sein Sor­ti­ment bei dem Online-Retail­er geor­dert? Ein fet­ter Kal­ku­la­ti­ons­auf­schlag ist bei den nied­ri­gen Shein-Prei­sen alle­mal drin.

+++++

Frei­tag, 25. Juli. Eben mel­det sich ein Shein-Unter­neh­mens­spre­cher dazu und bit­tet um fol­gen­de Ergän­zung, der wir ger­ne nach­kom­men:

"Die Pro­duk­te von SHEIN sind nur online über unse­re offi­zi­el­le Web­site und App erhält­lich. Alle Läden in Spa­ni­en, die behaup­ten, SHEIN-Läden zu sein, sind nicht von SHEIN auto­ri­siert oder in irgend­ei­ner Wei­se mit uns ver­bun­den. Wir kön­nen die Authen­ti­zi­tät oder Qua­li­tät der ange­bo­te­nen Pro­duk­te nicht garan­tie­ren. Von Zeit zu Zeit ver­an­stal­ten wir tem­po­rä­re Off­line-Ein­kaufs­er­leb­nis­se in Form von „Pop-ups", über die unse­re Kun­den jedoch immer direkt von uns über unse­re Social Media Kanä­le infor­miert wer­den. Wir ergrei­fen die ent­spre­chen­den Maß­nah­men, um gegen die­sen nicht geneh­mig­ten Laden vor­zu­ge­hen und unse­re Kun­den in Spa­ni­en zu schüt­zen."

+++++

profashionals schaltet jetzt auf Ferienprogramm. PASSIERT pausiert ein paar Wochen und meldet sich Ende August mit frischer Energie zurück.

Schlagworte: