Das letzte Mal traf ich Stefan Asbrand-Eickhoff vor etwa einem halben Jahr, es war am Düsseldorfer Flughafen. Wir konnten nicht reden, uns nur zuwinken. Der Schwiegersohn von Albert Eickhoff stand – wie immer eine elegante Erscheinung – hinter der Glasscheibe an der Rolltreppe zur Gepäckausgabe und wartete augenscheinlich auf jemanden. Sein Fahrer hielt ein Schild hoch, darauf stand: “Mr. Toledano”.
Inzwischen ist klar, dass der Dior-Chef wohl nicht zum Kaffeekränzchen mit dem ehemaligen Dior-Mitarbeiter Stefan und seinem guten Kunden Albert nach Düsseldorf gekommen war. “Gehört Eickhoff an der Kö künftig zu Dior?” titelte RP Online am Samstag etwas unpräzise und noch mit Fragezeichen. “Eickhoff schließt” bestätigte kurz darauf die TW. Für den Abend hatte die Familie Freunde des Hauses in eines von Eickhoffs Lieblingsrestaurants eingeladen, um die Entscheidung zu erläutern, schreibt RP Online. Keine PK, ein Dinner. Very Eickhoff eben.
Es ist – das Pathos sei ausnahmsweise erlaubt – das Ende einer Ära. Ich kann mich da nur selbst zitieren: Eickhoff nimmt in Deutschland bis heute eine Sonderstellung unter den Luxus-Einzelhändlern ein. Die Größe des Unternehmens (zuletzt lag der Jahresumsatz nach eigenen Angaben bei 27 Mill. Euro) spiegelt jedenfalls nicht ansatzweise dessen Bedeutung wider. Eickhoff galt seit Jahrzehnten als Referenzadresse für internationale Luxusmarken. Was im schnelllebigen Modegeschäft eine enorme Leistung ist.
Eickhoff hat diese Stellung stets mit durchaus harten Bandagen verteidigt: machtbewußt im Einkauf, aggressiv gegenüber der Konkurrenz (die ja im Luxus-Genre immer auch ein Wettbewerb um die Marken ist) und druckvoll im Verkauf. Dabei wußte er immer um den Wert persönlicher Beziehungen fürs Geschäft. Diese hat Eickhoff auf allen Ebenen intensiv gepflegt. Legendär die Feste, auf denen sich die Familie als großzügige und perfekte Gastgeber zeigte. Für die Medien war Eickhoff immer ansprechbar. Der Vieltelefonierer gab ihnen Zuckerbrot und – wenn ihm etwas nicht gefiel – auch schon mal die Peitsche. Beides sollte man als Respektsbekundung sehen.
Medienliebling Eickhoff: “Neid müssen sie sich verdienen”
Die Branche blickte mit einer Mischung aus Missgunst und Bewunderung auf den “King of Kö”. Dessen häufige Präsenz in den Fachzeitschriften stieß vielen negativ auf; gelesen haben sie die Berichte immer. “Neid müssen sie sich verdienen”, sagte Albert Eickhoff einmal in einem Interview. “Nur Mitleid bekommen sie geschenkt.” In seligen Igedo-Zeiten pilgerte die Branche auf die Kö, um Eickhoffs Fenster zu besichtigen. Der dekorierte rechtzeitig vor dem Messe-Wochenende auf die neue Saison um. Da gab es Pelze zu sehen, während es draußen 30 Grad warm war. Das brachte ihm gelegentlich Kopfschütteln und nicht selten den Vorwurf ein, er trage Mitschuld an den perversen Saisonrythmen im Modehandel. Dabei hat Eickhoff nur modische Aktualität demonstriert und damit seinem Anspruch und Ruf (“first in fashion”) entsprochen.
Eickhoff hat sich als einer der ersten Einzelhändler als Marke inszeniert, wo andere sich bis heute als “Haus der Marken” verstehen. Er hat die großen Namen zur Mehrung des eigenen Ruhms benutzt, in der zweiten Saisonhälfte machte er sein Geschäft auch mit No-Name-Produkten und Kommissionsware deutscher Lieferanten. Große Bekleidungshäuser wie P&C verfahren mit ihren durch Premium-Etagen veredelten und zugleich Eigenmarken-starken Sortimenten nach demselben Prinzip, nur eben simultan und nicht seriell. Weil es bei nur 1100 m² auf hohe Lagerdrehung ankommt, hat Albert Eickhoff als guter Kaufmann konsequent darauf geachtet, keine Altwarenbestände aufzubauen. So war er auch bei den Preisreduzierungen der Erste.
Dreh- und Angelpunkt der Marke Eickhoff war die Familie. Brigitte und Albert Eickhoff, Tochter Susanne und Schwiegersohn Stefan Asbrand-Eickhoff verkörperten das Unternehmen. Das war eine naheliegende und zugleich absichtliche Positionierung, wie Albert Eickhoff vor Jahren in einem Interview zugab: “Wir zelebrieren das schon bewußt. Alles Private bleibt aber hinter der Tür.” Dass über die Eickhoffs über Düsseldorf hinaus Geschichten erzählt werden, verstärkt nur den schillernden Nimbus dieses Familienunternehmens.
In Lippstadt auf dem Sofa: Albert Eickhoff und Gianni Versace
Albert Eickhoff hatte in letzter Zeit zunehmend die Lust am Geschäft verloren. Bei unserem letzten Telefonat vor ein paar Wochen deutete er die jetzt offenbar getroffene Entscheidung an. Viele Gründe werden eine Rolle gespielt haben. Den Ausschlag dürfte indes nüchternes geschäftliches Kalkül gegeben haben:
Der Markt hat sich verändert. Und er verändert sich weiter.
Da sind zum einen die Kundinnen: Die traditionelle Industriellen-Gattin stirbt aus. Deren Tochter, die sich anderes leisten könnte, kauft trotzdem auch bei Zara und Cos, weil man dort die Trends zuerst bekommt. Sie fliegt zum Shoppen an die Fifth Avenue oder geht – einfacher noch – zu net-a-porter.com. Im Laden zieht sie das unverbindliche Stöbern der Mann- pardon – Fraudeckung des klassischen Fachgeschäfts vor. Sie ist modisch informierter als ihre Mutter und auf Beratung weniger angewiesen. Und sie mag die Entdecker-Sortimente der Concept-Stores. Was nicht unbedingt etwas über deren wirtschaftlichen Erfolg aussagt.
Und dann ist da der Wettbewerb: Auf der Luxus-Etage des Marktes sind die Lieferanten zu den schärfsten Konkurrenten ihrer Vertriebspartner geworden. Internationale Marken und solche, die es gerne wären, pflastern die Nobelmeilen der Republik mit ihren Flagship-Stores. Egal, ob am Hamburger Neuen Wall, an der Goethestraße, in Frankfurt, am Berliner Ku’damm oder eben an der Düsseldorfer Kö – überall dieselben Namen, die gleichen Läden, die identischen Schaufensterdekos. Den Jetsetter überkommt Langeweile, denn an der Madison Avenue in New York, der New Bond Street in London oder der Rue St. Honoré in Paris sieht’s nicht viel anders aus.
Eine wirkliche Weltmarke kann es sich eben nicht leisten, an den Marktstraßen der Modewelt nicht mit einem Stand vertreten zu sein. Das ist ein bisschen so wie eine Anzeige in der Vogue, wo allein das Umfeld den einzelnen Inserenten adelt. Freilich ist ein Laden ein wenig teurer. Und hier liegt die Crux. Da werden mit Millionenaufwand Marken-Monumente errichtet und nicht selten Mieten in Kauf genommen, die bei realistischer Kalkulation nicht zu erwirtschaften sind. Die meisten Flagship-Stores dürften deshalb Zuschussgeschäfte sein, teure Werbeflächen, die Marken sichtbar und attraktiv machen sollen. Das zieht vor allem Araber, Chinesen und Russen an, in deren Länder westliche Luxusprodukte noch teurer sind. Das Geld muss letztlich aber nicht vor Ort verdient werden, dafür hat man ja die Outlets. Und natürlich Lizenzprodukte wie Parfums, Sonnenbrillen und Schlüsselanhänger.
Über diese Entwicklung kann man sich als Einzelhändler aufregen. Marken, die man selbst mit großgemacht hat, treten plötzlich als Konkurrenten auf. Es nutzt nichts: Gegen die globalen Luxus-Konzerne haben die lokalen Einzelkämpfer keine Chance. Das gilt zumindest für den Luxus-Mainstream in exponierten Lagen. In der Nische können leidenschaftlich komponierte Multilabel-Sortimente auch künftig funktionieren. Hoffentlich, denn neue Labels brauchen dieses Tor zum Markt.
Filetstück an der Kö: Im Frühjahr kommt Dior
Albert Eickhoff hat sich seinen klaren Blick für die Marktentwicklung bewahrt. Er weiß, dass sein Geschäftsmodell es künftig nicht leichter haben wird und zieht die Konsequenz. Angebote, das Filetstück an der Königsallee zu übernehmen, wird es regelmäßig gegeben haben. Jetzt zieht die Familie diese Option. Die Ankunft von Breuninger, der mit seinem Luxus- und Premium-Sortiment auf 15.000 m² mehr eine Konkurrenz für die Königsallee als für die Schadowstraße bedeutet, wird ebenso eine Rolle gespielt haben.
Vor 30 Jahren wagten Brigitte und Albert Eickhoff den Sprung aus der lippischen Provinz nach Düsseldorf. Nur auf der Kö konnten sie werden, was sie heute sind. Die Kö ist es auch, die sie jetzt zur Aufgabe bewegt.