…ist es soweit: In Mailand zeigt sich die Zukunft von Gucci. Das Debut des neuen Chefkreativen Sabato De Sarno wird mit Spannung erwartet. Ein einziger Instagram-Post hatte vor Wochen bereits die Spekulationen angeheizt. Das Model Daria Werbowy für die Jewelry-Kampagne im Gucci-Tanga am Pool – das sah eher nach Tom Ford als nach Alessandro Michele aus. Diese Woche heizte De Sarno mit Interviews in WWD und Vogue die Spannung zusätzlich an. Er wolle Italianity zeigen, so der Kreative, die unnachahmliche Kombination von Handwerkskunst und Geschmack. "Die Leute sollen sich wieder in Gucci verlieben."
In den vergangenen Tagen sah man das Gucci-Logo auf neuem Tiefrot auch im BoF-Newsletter (ein Ausgleich dafür, dass man WWD das erste Interview gewährte?), zusammen mit dem Motto des Relaunchs: ein irgendwie trotzig klingendes „Ancora“, was, so De Sarno in der Vogue, „für etwas stehe, was man hat, von dem man aber mehr haben möchte, weil es einen glücklich macht".
Glücklich machen sollte De Sarno auch Francois Henri Pinault. Der Kering-Chef dürfte so nervös sein wie sein Chefkreativer, auch wenn man es ihm in der Front Row, vermutlich neben seiner Ehefrau Salma Hayek sitzend, nicht anmerken wird. Gucci ist mit rund 10 Milliarden Euro Umsatz die Cash Cow des Konzerns, die zuletzt allerdings ziemlich lahmte und jetzt – um im Bild zu bleiben – vom Eis geholt werden muss. Dass ausgerechnet in dieser Situation Demna den Balenciaga-Aufstieg mit Pädo-Motiven abwürgte, erhöhte da nur den Handlungsdruck. Zumal es zu den ehernen Gesetzen des Modebusiness gehört, dass es mit einer Marke umso schneller bergab gehen kann, je größer zuvor der Hype war. Und der Hype um Gucci war gewaltig.
Alessandro Michele hatte im Gespann mit dem inzwischen ebenfalls geschassten CEO Marco Bizzarri eine unfassbare Erfolgsgeschichte geschrieben und den Umsatz in wenigen Jahren von unter 4 auf die besagten 10 Milliarden gehievt. Zuletzt hatte man sich an dem so prägnanten und instagramablen Look allerdings sattgesehen. Pinaults Forderung nach einem gemäßigteren Style wollte Michele nicht nachgeben. So musste er gehen.
Niemand sagt einem Designer backstage die Wahrheit
De Sarno, der zuvor 15 Jahre in den Diensten der neuen Konzernschwester Valentino stand, hat jetzt die Aufgabe, frische Akzente zu setzen. Und die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Gucci die von seinem Chef anvisierte 15 Milliarden-Hürde nimmt. Man wird sehen, ob und wie ihm das gelingt. Setzt er sich nicht deutlich von der Linie des Vorgängers ab, wird das Signal der Erneuerung nicht durchdringen. Setzt er sich zu weit ab, werden die Gucci-Fans ihre Marke nicht mehr wiedererkennen und sich womöglich abwenden.
Mit Sicherheit werden die geladenen Gäste und Medienvertreter De Sarno nach der Show beglückwünschen. Niemand sagt einem Designer backstage die Wahrheit. Und die schreibende Presse, von der man anders als von den lediglich posierenden Influencern eine Meinung erwartet, werden den Auftritt in ihren Wochenendausgaben mehr oder weniger wohlwollend würdigen. Am aufmerksamsten gelesen wird das für gewöhnlich von den PR-Leuten und Werbebudgetverwaltern.
Das alles wird aber nicht entscheidend sein. Am Ende hängt ein erfolgreicher Refresh nicht nur von der Kollektion ab, sondern auch davon, wie die Marke kommuniziert und verkauft wird. In diesem Zusammenhang ist die Verpflichtung von Alessio Vannetti als neuem Gucci Brand Director eine nicht zu unterschätzende Personalie. Bill Clinton würde sagen: It’s the marketing, stupid. Von Pharrells Louis Vuittons-Spektakel ist das Setting in guter Erinnerung, die Star-gespickte Front Row und der Auftritt von Jay‑Z. Erinnert sich noch einer an die Mode?