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Geld oder Leben

XMit Viren muss­te sich bis­lang allen­falls die IT-Abtei­lung her­um­schla­gen. Neu­er­dings ist die­ses The­ma, wie die Bera­ter so ger­ne zu allem sagen, Chef­sa­che.

Die Nach­rich­ten vom Coro­na-Aus­bruch in Chi­na nah­men wir beun­ru­higt zur Kennt­nis. Der vor­über­ge­hen­de Pro­duk­ti­ons­stopp und mög­li­che Lie­fer­pro­ble­me waren aber weit weg und schie­nen irgend­wie hän­del­bar. Rich­tig mul­mig wur­de einem erst, als in Ita­li­en die ers­ten Orte abge­rie­gelt wur­den. Das ist gera­de zwei Wochen her. Jetzt trifft die Coro­na-Kri­se uns mit vol­ler Wucht.

Ange­sichts der Anste­ckungs­ge­fahr ist sozia­le Distan­zie­rung zwin­gend. Die von den Behör­den ver­füg­te Laden­schlie­ßung ist für den Ein­zel­han­del zugleich der Super-GAU. Dass es alle gleich­zei­tig betrifft, ist kein Trost. Die Unter­neh­men sind unter­schied­lich für so einen Aus­nah­me­zu­stand gewapp­net. Mit der Boni­tät etli­cher Betrie­be war es schon vor der Kri­se nicht gut bestellt. Jetzt geht es für vie­le um die Exis­tenz.

Die Regie­rung hat schnell und rich­tig gehan­delt, um die wirt­schaft­li­chen Fol­gen abzu­fe­dern. Ohne staat­li­che Not­hil­fen gin­gen über­all sehr schnell die Lich­ter aus. „Wha­te­ver it takes“ ist indes leich­ter gesagt als getan. Die Dis­kus­si­on, wer unter wel­chen Umstän­den in wel­chem Aus­maß stüt­zungs­be­dürf­tig ist und war, wird frü­her oder spä­ter auf­kom­men. Bis dahin ist unbü­ro­kra­ti­sches Han­deln ent­schei­dend. Und dass nicht nur die Groß­be­trie­be Gehör fin­den. Die Mit­tel­ständ­ler haben Kon­zen­tra­ti­on, Ver­ti­ka­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung über­lebt und sich dem Markt ange­passt. Dank Unter­neh­mer­geist und har­ter Arbeit steht man­cher loka­le Play­er im Kern sogar gesün­der da als vie­le ver­meint­lich markt­star­ke Anbie­ter und etli­che Über­flie­ger, die nur durch Fremd­ka­pi­tal am Leben gehal­ten wer­den. Es wäre bit­ter, wenn die­se Bran­che jetzt von einem Virus dis­rupt­ed wird.

Aus der viel beschwo­re­nen Part­ner­schaft zwi­schen Indus­trie und Han­del wird nun eine Not­ge­mein­schaft. Es geht nicht mehr dar­um, Gewin­ne zu tei­len, son­dern aus­zu­han­deln, wer wel­che Ver­lus­te trägt. Über die For­de­rung von Katag-Chef Dani­el Ter­ber­ger, kei­ne Ware und kei­ne Rech­nun­gen mehr zu schi­cken, haben sich vie­le Lie­fe­ran­ten auf­ge­regt. Das ist ver­ständ­lich. Aber was ist die Alter­na­ti­ve, wenn die Läden zu sind? „Wir wer­den die­ses Jahr super viel Geld ver­lie­ren“, stellt Opus-Grün­der Ste­fan Lee­we in der aktu­el­len TW fest. „Aber was hät­ten wir davon, nächs­tes Jahr bes­tens dazu­ste­hen, wenn vie­le unse­rer Part­ner nicht über­lebt haben?“

Das muss man sich leis­ten kön­nen. Damit wer­den in der Kri­se auch Markt­an­tei­le neu ver­teilt. In der Indus­trie wie im Han­del. Bei TK Maxx wer­den sie sich jetzt schon die Hän­de rei­ben ob der zu erwar­ten­den Res­tan­ten­flut. In ihrer Funk­ti­on gestärkt aus der Kri­se her­vor­ge­hen könn­ten auch die Ein­kaufs­ver­bän­de, sofern die Poli­tik die Zen­tral­re­gu­lie­rung als sys­tem­re­le­vant für den Mit­tel­stand erkennt.

Gewin­ner wer­den schließ­lich die Online Retail­er sein. Wo die Men­schen Distanz hal­ten, pro­fi­tiert der Distanz­han­del. Der BEVH hat sich zwar beeilt, zu ver­mel­den, dass auch 90% der Ver­sen­der von der Epi­de­mie betrof­fen sei­en, aber da geht es eher um Pro­ble­me in der Logis­tik als um Nach­fra­ge­aus­fall. Wenn Ama­zon ver­kün­det, 100.000 neue Mit­ar­bei­ter ein­stel­len zu wol­len, ist das jeden­falls nicht nur Inves­to­ren-PR. Online wird aktu­ell schon allein des­we­gen sei­nen Markt­an­teil aus­bau­en, weil off­line nichts mehr geht. Und wenn sich die Lage wie­der nor­ma­li­siert, wer­den vie­le eine User Expe­ri­ence gemacht haben und zu Neu­kun­den für Zalan­do & Co wer­den.

Li Edel­ko­orts Hoff­nung wird sich indes nicht erfül­len. Die Trend­for­sche­rin glaubt, dass die Kauf­qua­ran­tä­ne ein Umden­ken hin zu bewuß­te­rem Kon­sum bewir­ke, und der anste­hen­de Zusam­men­bruch des bis­he­ri­gen Mode­sys­tems die Chan­ce zum Auf­bau einer nach­hal­ti­ge­ren Wirt­schaft eröff­ne. Wahr­schein­li­cher ist das Gegen­teil. Wer weni­ger Geld in der Tasche hat oder arbeits­los ist, wird weni­ger kau­fen, da hat Edel­ko­ort wohl recht. Er bzw. sie wird aber vor allem bil­li­ger kau­fen. Der dar­aus resul­tie­ren­de Kos­ten­druck dürf­te eher die Sus­taina­bi­li­ty-Bemü­hun­gen kon­ter­ka­rie­ren als das Fashion-Sys­tem als sol­ches desta­bi­li­sie­ren. Es sei denn, die Kri­se fegt tat­säch­lich alles hin­weg, und wir nähen und stri­cken wie­der selbst. Das kann und mag man sich nicht vor­stel­len.

Alles wird davon abhän­gen, wie lan­ge die­se Kri­se dau­ert. Ein Ende ist heu­te noch nicht abseh­bar. Die Wirt­schaft hat das Inter­es­se, dass der Aus­nah­me­zu­stand schnell vor­bei geht. Im Inter­es­se der Gesund­heit ist ein mög­lichst lang­sa­mer Ver­lauf.

Unser schreck­li­ches Dilem­ma lau­tet damit buch­stäb­lich: Geld oder Leben.