Wenn die Medien sich um gute Nachrichten bemühen, dann hat das im Moment etwas von Pfeifen im Walde. Die „Happy News“, unter denen die TW diverse Marketingaktionen und Store Openings aufzählt, wirken jedenfalls ziemlich krampfig. Aber klar, es ist ja immer irgendwie Orderrunde, und da braucht es gute Stimmung. Auch BoF hat sich neulich bemüht, ein paar Gründe zusammenzutragen, weshalb die Modebranche optimistisch sein darf: angefangen bei den sich entspannenden Lieferketten über die Normalisierung des E‑Coms und die Renaissance des Stationären bis hin zum Wiederaufflammen des internationalen Tourismus.
Als Einzelhändler, der Otto Normalverbraucher in einer x‑beliebigen deutschen Fußgängerzone etwas verkaufen möchte, hat man von all dem erstmal wenig. Das BIP zeigte sich im zweiten Quartal zwar überraschend stabil, auch wegen der Konsumausgaben. Aber in den kommenden Monaten werden wir mit schrumpfenden Einkaufsbudgets bei gleichzeitig steigenden Preisen und Kosten konfrontiert sein. Und Corona ist ja auch noch nicht vorbei. Die Branche wird ziemlich kreativ sein müssen, um diesen perfekten Sturm unbeschadet zu überstehen.
Ohnehin ist die Unterscheidung zwischen good news und bad news seit jeher eine Frage des Standpunkts. Entscheidend ist nur, dass Nachrichten relevant sind. Und da gab es in den vergangenen Wochen Einiges zu vermelden:
Mit Issey Miyake ist ein weiterer Großmeister der Mode von uns gegangen. Anders als Karl Lagerfeld hat er mit seinen revolutionären Entwürfen tatsächlich die Mode bereichert und nicht bloß das Modemarketing. „Für einen Menschen, der Dinge schafft, bedeutet zu viele Worte zu machen, sich selbst zu regulieren – eine beängstigende Vorstellung“, hat er mal gesagt. In den 80er Jahren konnten sich Modeschöpfer so eine Haltung noch leisten. Nebenbei wies Miyake nach, dass Falten nicht zwangsläufig alt machen.
Farfetch schluckt YNAP. Häppchenweise. Richemont hatte sich zuvor an dem Online-Riesen verschluckt. Jetzt müssen die Schweizer einen Milliardenbetrag abschreiben. Wenigstens haben sie die defizitäre Tochter demnächst aus der Bilanz. Farfetch steigt mit der Übernahme endgültig zum globalen Dominator des Luxury Online Retails auf. Es ist auch eine Zeitenwende: Für den Kundenzugang mussten die Luxusmarken früher einen Albert Eickhoff poussieren. Heute müssen sie sich mit einem Giganten arrangieren, der demnächst zu seinem 4,2 Milliarden Dollar-GMV weitere 2,78 Milliarden Umsatz aus der YNAP-Kasse buchen darf, und der für nicht wenige auch ein Technologie- und Services-Anbieter ist. Nicht zuletzt markiert die Übernahme einen Sieg des Marktplatz-Modells über die traditionell kuratierten Webshops. Am Ende ist dies freilich eine Form der Vorwärtsverteidigung: Im Luxusmarkt, wo die Brands mehr als anderswo auf kontrollierten Direktvertrieb setzen, werden es traditionelle Multilabelanbieter perspektivisch schwer haben. Man wird sehen, was Farfetch aus Net-a-Porter macht.
Die Neonyt zieht nach Düsseldorf. Das ist mal eine schöne Pointe! Die Modestadt am Rhein hat sich trotz Berlin-Hype und Frankfurt-Euphorie über all die Jahre als der Orderplatz der Branche gehalten. Mit der Neonyt hat die Igedo nun auch die Möglichkeit, das Thema Nachhaltigkeit über eine eingeführte Messemarke glaubwürdig zu besetzen und dem Orderstandort damit neue Impulse zu geben. In Frankfurt hat man nach der vergeigten Fashion Week realisiert, dass die Plattform am Main keine Zukunft hat und sich entschieden, statt Standmiete künftig Lizenzgebühren von der Igedo zu kassieren. Eine potenzielle Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Und möglicherweise will man bei der Messe Frankfurt auch die Ex-Partner aus Berlin ein wenig ärgern.
Kasper Rorsted scheidet bei Adidas aus. Bis 2023 die Nachfolge geregelt ist, bleibt der Däne in Herzogenaurach. Da verglüht ein Star. Als Rorsted seinerzeit Henkel verließ, sank der Börsenwert des Putzmittelkonzerns um 2,2 Milliarden Euro, rechnet das Manager-Magazin vor, und der von Adidas legte um 1,9 Milliarden zu. Diese Woche, bei Bekanntwerden von Rorsteds Abgang lag der Kurs bei 158 Euro und damit 76 Prozent höher als bei seinem Antritt. Immerhin, könnte man meinen. Aber vor einem Jahr war Adidas noch doppelt so viel wert. Der rapide Kursverfall dürfte denn auch den Ausschlag zur Vertragsauflösung gegeben haben. Wie ein CEO im Unternehmen ankommt, ist Investoren im Zweifel egal. Aber was die Börse denkt, nicht.
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Und sonst? Gab es auch noch ein paar weniger relevante Nachrichten…
…so kursierten im Netz Fotos von Balenciagas Trash-Bag (1790 Dollar) und einem Tennissocken-Siebenerpack (für jeden Tag eine, 550 Euro). Das könnte man alles für einen schlechten Scherz handeln. Es muss aber Leute geben, die kaufen das.
…fragt man sich manchmal, zu welchen Ideen sich die Markenmacher in ihrem Koop-Wahn noch versteigen. So startete Adidas im Juni eine Kampagne, die Schuhe und Essen zusammenbringt. „Die Adilicious-Serie von Adidas Originals reist durch die Welt, um mithilfe lokaler Restaurants Geschichten über limitierte Sneaker zu erzählen“, so die TW. Diese Woche kommt die Geschichte aus Berlin, vom Ø27-Kebab. Das Farb- und Materialkonzept des Schuhs sei inspiriert von den Grundwerten des Essenslabels, heißt es bei Adidas, welches für die weltweit erste Döner-Bowl bekannt ist: "Einfachheit und Premiumisierung." Wir haben bei Döner erstmal ganz andere Assoziationen.
…da loben wir uns die wirklich verrückte Sneakerpool-Idee. 43einhalb und Hornbach haben im Juli in Berlin einen „Swimmingpool“ in Form eines adidas ZX 10.000 Joint Path enthüllt. Der Zuschlag für die Schwimm-EM ging trotzdem an Rom.
…machte der Verband BEVH einen Ausflug zum Hardrock-Festival nach Wacken. Es ging laut TW darum, „die Fankultur und das Gemeinschaftsgefühl vor Ort selbst zu erleben, die Kommunikations-Mechanismen zu begreifen, das Merchandising-Angebot zu sehen und daraus Erkenntnisse für das Digital-Business zu ziehen“. Moshpits und Headbanging sind doch mal eine schöne Abwechslung zu den öden Gremiensitzungen.