Kaum ein Gespräch diese Woche, in dem es nicht um P&C ging. Die Nachricht am vergangenen Freitag war für die gesamte Branche ein Schock, der immer noch anhält. Dass P&C unter den Schutzschirm schlüpfen würde, kam nicht nur überraschend, es hat sich auch niemand vorstellen können, dass es jemals so weit kommt.
P&C ist seit Jahrzehnten eine feste Größe im deutschen Textileinzelhandel. In den Führungsetagen von Handel und Industrie sitzen etliche Manager, die durch die P&C‑Schule gegangen sind, für die dieses Unternehmen ein Teil ihres Lebens darstellt, mit dem sie nicht selten goldene Zeiten verbinden. Und auch wenn der Nimbus in den vergangenen Jahren am Verblassen war, galt P&C für den Fachhandel immer noch als eine Benchmark – ein Player, wo man hingeschaut hat.
Man wusste, dass die Geschäfte in Düsseldorf zuletzt nicht gut liefen. Der Umsatz war mit Corona eingebrochen und ein dreistelliger Millionenverlust aufgelaufen. Aber Lockdowns, Lieferkettenprobleme und Inflation haben alle im Markt getroffen, und viele Händler – gerade im gerne totgesagten Multilabel-Segment – haben sich in der Krise erstaunlich resilient gezeigt. Dass ausgerechnet der langjährige, meist hochprofitable Branchenprimus dem Beispiel der seit 30 Jahren taumelnden Warenhauskonzerne folgen würde, schien undenkbar.
Es ist ganz offensichtlich ein von langer Hand geplanter Schritt, der mit bemerkenswerter Kaltblütigkeit ausgeführt wird. Dafür spricht auch das Timing. Zum Saisonstart sind die Läger voll, wir sind in einer Fullprice-Phase, gleichzeitig müssen Rechnungen bezahlt werden. Personalkosten werden nun für drei Monate vom Steuerzahler übernommen. In der Düsseldorfer Zentrale drohen harte Schnitte. Dass am Dienstag nahezu die komplette Führungsetage rausgeschmissen wurde, ist nicht nur operativ problematisch. Es ist auch ein angsteinflössendes Signal an den Rest der Organisation, dass vor niemandem Halt gemacht wird.
Die rabiate Entscheidung der Inhaber betrifft die Mitarbeiter. Und sie trifft die Lieferanten, die jetzt noch mehr Umsatz im Feuer stehen haben als nach Galeria ohnehin schon. Angeblich sollen sie ihr Geld bekommen, das Ziel sei vor allem, sich der zuletzt massiv gestiegenen Bankschulden zu entledigen, will die TW erfahren haben. Es wird neben Cost Cutting aber auch um strategische Anpassungen gehen. Insbesondere die Rolle des defizitären Online-Kanals scheint neu bewertet zu werden, wenn man den Äußerungen des erst im Januar in Düsseldorf eingestiegenen Geschäftsführers Thomas Freude folgt.
Inwieweit all dies in Zusammenhang mit der seit geraumer Zeit betriebenen Neuordnung von Gesellschafterverhältnissen und der Verlagerung von Unternehmensteilen in die Schweiz steht, darüber lässt sich nur spekulieren. Eine schöne Recherche-Aufgabe für Investigativ-Reporter.
Es wäre kein Wunder, wenn der Fall des stationären Branchenprimus im Multilabel-Fachhandel womöglich bestehende Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells schüren würde.
Die Cloppenburgs sind als Unternehmer seit jeher mit harten Bandagen unterwegs. Mit der jetzt angestoßenen Sanierung bestätigt sich zugleich der Eindruck, dass an der Berliner Allee kein passionierter Einzelhändler, sondern ein machtbewusster Vermögensverwalter residiert. Was man in Düsseldorf möglicherweise unterschätzt, sind der Reputationsschaden und der Vertrauensverlust, der sich jetzt einstellt: Bei den Mitarbeitern, die an einen sicheren Arbeitsplatz glaubten. Bei den Partnern, die auf die Solidität und Bonität ihres Großkunden bauten. Bei den Banken und Kreditgebern, auf deren Goodwill P&C auch künftig angewiesen sein wird.
Die Geldgeber agieren im Übrigen zurzeit auch in anderen Fällen restriktiv. Allein diese Woche kündigte die Otto Group die Abwicklung des Omnichannel-Formats Mytoys und des Online-Schuhhändlers Mirapodo an. Keller Sports geht vom Netz. Die Nonfood-Discounter Mäcgeiz und Pfennigpfeiffer stehen Medienberichten zufolge zum Verkauf und über 300 Standorte in Deutschland damit zur Disposition. Alles Hinweise, dass Investoren und Portfoliomanager im Einzelhandel die Zeit zum Aufräumen gekommen sehen.
Es wäre kein Wunder, wenn der Fall des stationären Branchenprimus im Multilabel-Fachhandel womöglich bestehende Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells schüren würde. Diese sind berechtigt, soweit es um anonyme Filialformate geht, die ihr Heil wie anno dazumal im Einkauf und in Skaleneffekten suchen und es an Schnelligkeit, Flexibilität und Kundennähe missen lassen. Das können Amazon oder Zara besser. Insofern darf man gespannt sein, wie sich P&C nach der Sanierung aufstellt.
Die Zweifel sind weniger berechtigt, wo lokal verankerte Unternehmer kundennah operieren und in ihren Häusern spannende Angebote und Einkaufserlebnisse bieten, die man bei der vertikalen oder digitalen Konkurrenz so nicht findet.
Das muss man können. Und das muss man wollen.