„Birkenstock floppt“, „Birkenstock rutscht auf dem Börsenparket aus“, “Ein Desaster“- die Kommentare nach dem IPO lesen sich, als sei die Wall Street lediglich die Zwischenstation auf dem Gang zum Amtsgericht. Tatsächlich sagt der Börsenstart von Birkenstock mehr aus über die Lage an der Börse als über die Performance von Birkenstock. Dass die Aktie gleich am ersten Tag über 12 Prozent verlor, ist zuallererst für die Anleger ärgerlich, die L. Catterton das Aktien-Paket zum Ausgabepreis von 46 Dollar abgekauft hatten und am selben Abend um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag ärmer waren. Der Finanzinvestor, hinter dem u.a. LVMH und die Familienholding von Bernard Arnault stehen, bekam dagegen einen ordentlichen Teil seines 4 Milliarden-Einsatzes von vor zwei Jahren zurück und behält nach wie vor die Kontrolle über das jetzt mit 7,5 Milliarden Dollar bewertete Unternehmen.
Auch Birkenstock darf den Börsengang als Erfolg verbuchen. Allein die Story: Ein Korksandalenproduzent aus dem beschaulichen Linz am Rhein geht 277 Jahre nach der Firmengründung in New York an die Börse! Birkenstock wird als langsamstes Unicorn aller Zeiten in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Birkenstock-CEO Oliver Reichert erschien zum Börsendebut wie ein Wiedergänger der Wikinger, die vor über 1000 Jahren Amerikas Küsten unsicher gemacht haben, nur dass der rotbärtige Zweimetermann statt dem Schwert die Börsenglocke schwenkte und CNBC eloquente Interviews gab. An unbequeme Nachfragen von Analysten und Medien wird er sich jetzt gewöhnen müssen.
Dass Birkenstocks Börsenstory nicht den erhofften Anklang fand, kann an den Basisdaten nicht gelegen haben: Das Unternehmen ist seit 2020 um über 70 Prozent gewachsen. Der Profit ist mit einer bereinigten Ebitda-Marge von über 35 Prozent herausragend. Trotz des aktuell extrem kriselnden Schuhmarktes meldete das Unternehmen per Ende Juni noch ein aufgelaufenes Plus von 21 Prozent.
Börse bedeutet sich einer permanenten Bewertung auszusetzen. Das ist anstrengend, erst recht im wetterwendischen Modebusiness, wo Marken schnell in und noch schneller wieder out sind, und führt nicht zwangsläufig zu besseren Entscheidungen.
Aber an der Börse werden bekanntlich nicht in erster Linie Erfolge, sondern Erwartungen gehandelt. Und da spielt auch das Umfeld stets eine Rolle. Dieses Umfeld ist angesichts weltpolitischer Krisen und konjunktureller Turbulenzen nervöser denn je. Das musste vergangene Woche auch Puma feststellen. Die Aktie ist um 13 Prozent abgestürzt, nachdem Gerüchte um schlechte Quartalsergebnisse die Runde machten. Auch About You ist am Mittwoch stark abgesackt, nachdem man nach dem überraschenden Gewinn im Q1 jetzt wieder in die roten Zahlen gerutscht ist. Dass ausgerechnet LVMH am Tag vor dem Birkenstock-Börsengang enttäuschende Ergebnisse publizierte, wird ebenfalls nicht geholfen haben. Rene Benko nahm Signa Sports United vorgestern gleich ganz von der Börse.
In diesen Entwicklungen spiegelt sich der verhaltene Ausblick für konsumnahe Branchen. So hat sich der Modeaktienindex der TW im September deutlich schlechter entwickelt als der DAX. Und der Höhenflug der Online-Aktien ist ebenfalls vorbei. Der vom Onlinemedium Exciting Commerce publizierte Branchenindex Glore50 rangiert nach der historischen Corona-Hausse heute mehr oder weniger auf dem Niveau von 2015.
Ein schwieriges Umfeld darf aber natürlich keine Entschuldigung für das Management sein. Börse bedeutet sich einer permanenten Bewertung auszusetzen. Das ist anstrengend, erst recht im wetterwendischen Modebusiness, wo Marken schnell in und noch schneller wieder out sind, und führt nicht zwangsläufig zu besseren Entscheidungen. Wir werden sehen, mit welchen Ideen es Birkenstock gelingt, den Hype weiterhin anzufachen.