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„Andere landen auf dem Mars, wir zahlen wegen Software-Problemen die Novemberhilfe im Februar aus“

Jür­gen Mül­ler

Frei­tag, 19. Febru­ar. „Men­schen, die spa­ren müs­sen, kau­fen nicht online“, so Kik-Chef Patrick Zahn im Inter­view mit der Frank­fur­ter Rund­schau. Eine steil anmu­ten­de The­se, gilt gera­de das Inter­net doch als das ulti­ma­ti­ve Eldo­ra­do für Schnäpp­chen­jä­ger. Was Zahn meint, ist dass die typi­schen Kik-Kun­den nicht online kau­fen. „Die haben viel­leicht zehn Euro in der Tasche und suchen Pro­duk­te für 1,99 Euro.“ Sol­che güns­ti­gen Klei­dungs­stü­cke gebe es im Online-Han­del oft nicht, weil die Ver­sand­kos­ten höher sei­en als der zu erzie­len­de Gewinn. Hin­zu kom­me, dass rund sechs Mil­lio­nen Men­schen Schufa-Pro­ble­me hät­ten, die den Besitz einer Kre­dit­kar­te als Vor­aus­set­zung für die Teil­nah­me am Online-Han­del ver­hin­der­ten. Ergo, so Zahn: „Men­schen, die spa­ren müs­sen, kau­fen nicht online, son­dern im Geschäft.“ Womit Zahn den Tex­til­dis­coun­ter bei den FR-Lesern als Qua­si-Außen­stel­le des Sozi­al­amts posi­tio­niert hat.

Doch im Ernst: Zahn sieht sein Unter­neh­men wie den gesam­ten sta­tio­nä­ren Non­food­han­del von der Poli­tik benach­tei­ligt und im Stich gelas­sen. Der bit­te­re Tweet von BVDW-Geschäfts­füh­rer Mar­co Junk die­se Woche bringt es auf den Punkt: „Ande­re lan­den heu­te Abend auf dem Mars, wir zah­len wegen Soft­ware­pro­ble­men die Novem­ber­hil­fe im Febru­ar aus.“

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Diens­tag, 23. Febru­ar. Rhein­land-Pfalz will ab 1. März Laden­öff­nun­gen erlau­ben, nach Ter­min­ver­ein­ba­rung und unter stren­gen Bedin­gun­gen. Am 14. März ist dort Land­tags­wahl (Zwin­kers­mi­ley). Baden-Würt­tem­berg (Zwin­kers­mi­ley) und Hes­sen wer­den womög­lich nach­zie­hen. Gute Geschäf­te wird der Han­del bei den ange­kün­dig­ten Auf­la­gen nicht machen, selbst wenn man von einer sen­sa­tio­nel­len Con­ver­si­on Rate aus­ge­hen darf. Ein Licht­blick ist es trotz­dem.

Es wird auch höchs­te Zeit, dass die Men­schen wie­der vor die Tür kom­men. Wenn es eines Bewei­ses bedurf­te, dass Coro­na zu modi­scher Ver­wahr­lo­sung führt, dann ist er seit heu­te erbracht: Crocs mel­det Rekord­ergeb­nis­se und ein Umsatz­plus von 56 (!) Pro­zent im 4. Quar­tal.

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Mitt­woch, 24. Febru­ar. Hat mal jemand über­legt, dass Wel­len­steyns Vor­or­der-Brem­sung mehr mit Coro­na als mit Mar­ken­pfle­ge zu tun haben könn­te? Die Läger sind nach die­ser Plei­te-Sai­son über­all voll, vie­le Händ­ler drän­gen auf Rück­nah­me, wenn sie denn über­haupt Ware ange­nom­men haben. Die Jacken aus die­ser Sai­son las­sen sich auch im nächs­ten Win­ter noch ver­kau­fen, und die Order­nei­gung des Han­dels dürf­te selbst bei einer erfolg­rei­chen Mar­ke wie Wel­len­steyn nicht son­der­lich groß gewe­sen sein. Da kann es öko­no­misch Sinn erge­ben, beim Nach­schub einen Gang zurück­zu­schal­ten.

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Don­ners­tag, 25. Febru­ar. Frü­her muss­te schon ein Arcan­dor Plei­te gehen, dass Ein­zel­han­del mal in den Medi­en statt­fand. Heu­te Früh gleich die geball­te Ladung: „Wenn ich unse­re Fir­men so mana­gen wür­de, wie von der Poli­tik unser Land gema­nagt wird, dann wäre ich mei­nen Job los“, schimpft Chris­ti­an Grei­ner im SZ-Inter­view. Der Lud­wig Beck- und Wöhrl-Chef hat sich der anschwel­len­den Kla­ge­wel­le ange­schlos­sen. „Der Dia­log mit der Poli­tik war ja wirk­lich frucht­los. Wir kön­nen noch so vie­le Dis­kus­si­ons­run­den mit Herrn Alt­mai­er bestrei­ten oder Herrn Söder Brie­fe schrei­ben, die gehen wahr­schein­lich direkt in die Abla­ge.“ Die vie­len Klä­ger wer­den sich kaum der Illu­si­on hin­ge­ben, dass damit eine Öff­nung erzwun­gen wer­den kann. Das Anru­fen der Gerich­te ist in ers­ter Linie ein Hil­fe­ruf – in Rich­tung Öffent­lich­keit und Poli­tik, dass die Lage wirk­lich ernst ist.

Gerd Lands­berg vom Deut­schen Städ­te und Gemein­de­bund warnt im Früh­stücks­fern­se­hen vor einer Ver­ödung der Innen­städ­te, wenn dem­nächst 50.000 Läden in Deutsch­land schlie­ßen müss­ten, und for­der­te erneut eine Paket­steu­er für Online Retail­er. Ein Vor­schlag, den selbst der HDE schon mal abge­lehnt hat, und das ver­mut­lich nicht nur, weil Ama­zon zu des­sen Bei­trags­zah­lern gehört. Schließ­lich wol­len auch etli­che Sta­tio­nä­re omnich­an­nel wer­den.

Und dann hat in der SZ auch noch Die­ter Betz Platz auf Ver­misch­tes gefun­den. Der Münch­ner Maß­schnei­der ver­kauft jetzt Jog­ging­ho­sen für 1000 Euro und mehr an sei­ne begü­ter­te Kli­en­tel, par­don: “Haus­ho­sen”, wie er die Kasch­mir-Buxen kor­rek­ter­wei­se nennt. Wenn sei­ne Kun­den sich coro­nabe­dingt zu sehr gehen las­sen, erlaubt sich Betz auch schon mal ein kri­ti­sches Wort. „Ich sag da schon was. Das Maß­band lügt nicht. Außer­dem muss ich dann auch einen neu­en Schnitt machen.“

„Die Kon­sum­lau­ne der Deut­schen steigt“, mel­det last but not least heu­te Früh die GfK. Die monat­li­che Erhe­bung zei­ge eine leicht stei­gen­de Kon­sum­nei­gung der Bevöl­ke­rung. Jetzt soll­ten die Men­schen die­se Nei­gung nur noch aus­le­ben dür­fen.

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