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Gaga-Slogans und Bullshit-Prints

Ein Mann mit Stil trägt keine Slogans auf der Brust, meint Jeroen van Rooijen. Der Handel sollte das nicht auch noch unterstützen.
Jeroen van rooijen
Jero­en van Rooi­jen

Es muss jetzt, auf dem Kul­mi­na­ti­ons­punkt des Hit­ze­som­mers 2022, end­lich ein Macht­wort bezüg­lich Män­nern in beschrif­te­ten Shirts und Hem­den gespro­chen wer­den. Man sieht sie, der Tem­pe­ra­tu­ren wegen, gera­de wie­der über­all, und ihre Häu­fung macht den Anblick nicht erträg­li­cher. Das Gegen­teil ist der Fall: In der Men­ge der Logos und Slo­gans offen­bart sich der Blöd­sinn bedruck­ter Ober­be­klei­dung erst rich­tig. Baby­lon ist ein Witz gegen die­se Viel­falt der sprach­li­chen Gaga-Ergüs­se. Eini­ge Bei­spie­le gefäl­lig? Bit­te sehr!

Am dreis­tes­ten treibt es das deut­sche Label Camp David aus Hop­pe­gar­ten, bei dem es wohl gar kein Klei­dungs­stück gibt, das nicht beschrif­tet ist. Die Slo­gans fol­gen immer einer nau­ti­schen Fan­ta­sie: Beach Guard Blue Are­na, Nau­ti­cal Crew Cape Horn, Blue Depart­ment Chall­enge, Paci­fic Adven­ture, Thrill of Diving, Sici­ly Yacht Char­ter. Meis­tens wird es kom­bi­niert mit der Zahl 63, die für die­se Mar­ke wich­tig zu sein scheint – weil sie das Durch­schnitts­al­ter der Kund­schaft benennt?

Sur­fen und Segeln sind wich­ti­ge Moti­ve, aber auch die Flie­ge­rei: That Others May Live (Para­jum­pers), Frec­ce Tri­co­lo­ri (Aero­nau­ti­ca Mili­t­are). Alles, was sich in der Luft abspielt, scheint auf modisch uner­fah­re­ne Män­ner eine Anzie­hungs­kraft zu haben. Dass sich die­se himm­li­schen Halb­sät­ze meist über auf­ge­bläh­te Bäu­che span­nen, macht sie nur unwe­sent­lich glaub­wür­di­ger. Auch beliebt: Motor­sport mit Autos oder Motor­rä­dern, etwa Iron Made Cus­tom Works (Replay), World Cham­pi­on (Red Bull). Damit sieht man doch gleich viel dyna­mi­scher aus!

Auch ander­wei­tig uner­füll­te Träu­me wer­den als Slo­gan durch die Welt getra­gen. Da sieht man dann Lebens­ent­wür­fe von einer Läs­sig­keit, dass die Dis­kre­panz zwi­schen Rea­li­tät und Ide­al weh tut: Sur­fing my way Heri­ta­ge (Rag­man), Down to earth (Scotch & Soda), Turn back the Time (Ted Bak­er), Love all, live free (7 for all man­kind). Ein biss­chen weni­ger doof, aber auch hohl: Over The Rain­bow (Acne), Work in Pro­gress (Car­hartt), Craf­ting Tog­e­ther (Lacos­te), Con­scious to the Core – Craf­ted by Natu­re (Marc O’Polo).

Und dann natür­lich Zah­len: Mit Zif­fern kann man Män­ner schein­bar immer ködern. Der Stan­dard ist eine will­kür­li­che, frei erfun­de­ne Mix­tur im Sin­ne von Type 55 – 100% Basic Con­trac­tor (Die­sel), aber auch an wich­ti­ge Jahr­gän­ge erin­nern­de Sachen wie US Club 49 (Gant), Clas­sic Edi­ti­on 1970 (Spread­shirt). Das The­ma gibt es auch als Luxus­va­ri­an­te: 90% Balen­cia­ga, 10% Mys­elf (Balen­cia­ga), Preis: gut 500 Euro.

Händler, die sowas verkaufen, dürfen erst wieder ohne Scham in den Spiegel blicken, wenn Sie den Käufer über den deutschsprachigen Wortlaut des Aufgedruckten informiert haben und sicher sind, dass er sich trotzdem damit schmücken möchte.

Als ich vor Jah­ren beim damals noch lan­des­weit täti­gen Schwei­zer Waren­haus Jel­mo­li arbei­te­te, stell­ten wir sol­chen Mist im Akkord für die Eigen­mar­ken her. Wir fisch­ten irgend­ei­nen the­ma­tisch zum jewei­li­gen Mood­board der Kol­lek­ti­on pas­sen­den Satz aus dem Inter­net, bogen ihn mit Corel­Draw um eine Kur­ve oder ein Bild­mo­tiv, leg­ten einen Vin­ta­ge-Fil­ter drü­ber und schick­ten das PDF nach Fern­ost, wo es auf T‑Shirts geklatscht wur­de. Mehr als ein­mal misch­te sich ein Schreib­feh­ler dar­un­ter, der aber meis­tens unbe­merkt blieb, denn die Kun­den lesen den Quatsch ja gar nicht.

Händ­ler, die sol­che Waren ver­kau­fen, dür­fen also erst wie­der ohne Scham in den Spie­gel bli­cken, wenn Sie den Käu­fer über den deutsch­spra­chi­gen Wort­laut des Auf­ge­druck­ten infor­miert haben und sicher sind, dass sich der Kun­de trotz­dem damit schmü­cken möch­te.

Wor­auf ich hin­aus will: Ein Mann mit Ver­nunft und Stil trägt sol­chen Unfug nicht. Beschrif­te­te Shirts sind etwas für Kin­der und Halb­wüch­si­ge, aber nicht für erwach­se­ne Män­ner. Auch Mar­ken­lo­gos trägt man nicht zur Schau, ohne dafür bezahlt zu wer­den. Ein­zi­ge Aus­nah­me: Man nimmt an einem sport­li­chen Wett­be­werb teil und die Regeln oder Umstän­de machen es nötig, die ein­zel­nen Teil­neh­mer kennt­lich zu machen, sei es mit Num­mern, ihrem Namen und/oder der Mann­schaft, für die sie antre­ten.

Und wie sieht es aus mit Frau­en, die bedruck­te Hem­den tra­gen? Hmm… nicht viel bes­ser. Aber noch viel ver­pön­ter als blö­de T‑Shirts sind älte­re Her­ren, die den Frau­en Tipps geben, wie sie sich anzie­hen soll­ten. Das müs­sen die Ladies also unter sich regeln. Sabi­ne Spie­ler, über­nimmst Du?