Es ist April und gefühlt findet jede Woche irgendwo auf der Welt gerade eine Fashionshow statt. Michael Kors zeigte am 20. in New York eine Show zum 40. Firmenjubiläum und ließ u.a. Naomi Campbell über den Broadway laufen (Foto: Catwalkpictures/bm). Nun ist 40 zwar eine runde Zahl, aber nicht unbedingt ein Jubiläum – so wie bei Gucci. Dort blickt man auf 100 Jahre zurück und feierte dies mit einer Modenschau namens „Gucci Aria“, die Mitte April online ging. Nur wenige Tage nachdem Dior seine poppige Prefall 2021 in Shanghai präsentierte. Oder Celine sein Winter-Defilee im Château de Vaux-Le-Vicomte. Das kam verspätet, genauso wie Burberry, weil beide Häuser nicht zu den digitalen Fashionweeks im Februar/März zeigen wollten. Zu den Nachzüglern für die Winter-Saison zählt auch Anthony Vaccarello, der seine Saint Laurent-Show erst diese Woche, also Ende April, online stellte. Seine letzte Sommershow zeigte er statt im Oktober 2020 erst im Januar 2021, damals spektakulär in der Wüste.
Seitdem die Pandemie herrscht, ist das System der Modewochen durcheinandergeraten. Früher wusste man: Das modische Jahr fängt im Januar mit der britischen Herrenmodewoche an, dann kommt New York, die Pitti Uomo in Florenz, Herren in Mailand, Herren in Paris und dann geht es fast nahtlos weiter mit der Haute Couture und den Damenschauen in New York, London, Mailand und Paris. Wenn Mitte März der erste Schauen-Reigen vorbei ist, sind alle diejenigen, die in der Branche arbeiten, froh, dass nun erstmals Pause ist. Denn ab Mai geht es mit den ersten Cruise- oder Ressort-Kollektionen weiter und ab Juni fangen die Fashionweeks der neuen Saison an.
Als die Pandemie noch „frisch“ war, also 2020, hielten sich bis auf wenige Ausnahmen noch alle Modehäuser an dieses System und zeigten digitale Schauen. Letzten Sommer gab es sogar so etwas wie eine „normale Modewoche“ mit Live-Shows, Stars, Influencern und Streetstyle-Fotografen. Doch dann begann es bröckeln. Immer mehr Designer beschlossen eigene Wege zu gehen, sich von den Fashionweek-Terminen wie auch den Modewochen-Standorten zu emanzipieren.
Das Ergebnis dieses Auflösungs-Prozesses sieht man heute: Im April, dem Monat, in dem früher maximal ein paar Showroom-Termine stattfanden, jagt eine Modenschau die nächste. Bei jeder einzelnen rätsele ich, um welche Saison es sich handeln könnte. Oder was der Anlass für diese Show jenseits des normalen Kalenders ist. Wann die Ware dieser Kollektionen in die Läden kommt, ist auch oft unklar. Wenn Prefall-Kollektionen, die früher im November bis Januar präsentiert wurden, nun im April stattfinden, kann das nur bedeuten, dass diese Herbstware auch erst im Herbst ausgeliefert wird und nicht – wie einst – mitten im Sommer. Dass die Kollektion passend zur Jahreszeit in den Handel kommen, wäre allerdings begrüßenswert und wird seit langem innerhalb und außerhalb der Branche gefordert.
Dass das System der Modeschauen, die Anzahl der jährlichen Kollektionen und auch die Lieferrhythmen in der Mode überdacht werden müssen, wird seit Jahren zu Recht diskutiert. Die Pandemie bietet hier die Chance zu einem Neustart.
Bleibt die Frage: Gibt es in der Post-Covid-Zeit ein Zurück zu den alten Strukturen? Und wenn nein, werden dadurch die Modewochen ausgehöhlt und peu à peu ihrer Bedeutung beraubt? Fraglich ist auch, ob sich diese Alleingänge für die Marken auszahlen? Ehrlich gesagt, hätte ich von der Michael-Kors-Show wie auch vom Defilee von Burberry nichts mitbekommen, wenn ich nicht für diesen Artikel recherchiert hätte. Die mediale Beachtung der Schauen, sei es Print, Online oder Sozial Media, nimmt durch die digitalen Präsentationen sowieso schon ab. Wenn dann auch noch die Showtermine jenseits der traditionellen Modewochen liegen, riskieren die Häuser immer weniger Zuschauer zu erreichen. Vielen Konsumenten geht es auch nicht allein um die neue Mode, sondern um das Spektakel mit Stars und Sternchen drumherum. Gibt es keine Modewochen mehr, wo sich alle von Rang und Namen an einem Ort tummeln, schwindet auch das Interesse an den einzelnen Events.
Dass das System der Modeschauen, die Anzahl der jährlichen Kollektionen und auch die Lieferrhythmen in der Mode überdacht werden müssen, wird seit Jahren zu Recht diskutiert. Die Pandemie bietet hier die Chance zu einem Neustart. Aber wenn die Branche sich modernisieren will, dann sollte sie meiner Meinung nach diese Lösungen gemeinsam suchen. Denn die aktuellen Alleingänge werden kaum etwas nach vorne bringen. Eher im Gegenteil.